Zeitliche Aspekte der Teilhabe
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 13.01.2025
Synthesebericht gehört zu:
Die gesellschaftliche Teilhabe wird neben dem räumlichen Aspekt auch durch eine zeitliche Komponente beeinflusst. [AltGaGe09] Zum einen betrifft dies die Abhängigkeit von den Öffnungszeiten der Einrichtungen der Daseinsvorsorge. So kann beispielsweise ein eingeschränktes Besuchszeitfenster, etwa wenn ein Behördenzentrum nur wenige Stunden pro Woche geöffnet ist, oder unvorhersehbare Wartezeiten dazu führen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen den Zugang zu diesen Angeboten nicht wahrnehmen können. Durch das im Jahr 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen wurden zwar die Möglichkeiten erweitert, bestimmte Behördengänge durch den Zugang zu Online-Diensten zu ersetzen. Die Umsetzung dieser digitalen Angebote ist jedoch von den jeweiligen Aufgabenträgern abhängig, sodass zahlreiche Angebote (bzw. Verpflichtungen) nach wie vor nur persönlich wahrgenommen werden können. [BMI24]
Generell begrenzen zeitliche Rahmensetzungen durch Lohnarbeit, Care-Arbeit (wie Pflege und Kindererziehung) und Unterwegszeiten die Möglichkeit der Einzelnen, tägliche Bedürfnisse zu befriedigen. Eingebettet ist dies in das Erleben einer Beschleunigung des allgemeinen Lebenstempos. Diese schlägt sich in einer "Steigerung der [Handlungsepisoden] pro Zeiteinheit" nieder [ROSA05, S. 135]: Es wird weniger Zeit für einzelne Aktivitäten aufgewendet (beispielsweise für Zeit mit der Familie, Essen, Schlaf), während die nicht genutzte Leerzeit zwischen den Aktivitäten minimiert wird. Der subjektive, in Industriegesellschaften verbreitete Eindruck, in einem Regime sich verknappender Zeitverfügbarkeit gefangen zu sein, führt zum (empfundenen) Zwang, an der Beschleunigung teilzunehmen. Die Kehrseite davon ist die Furcht, in einer schneller werdenden Gesellschaft den Anschluss zu verlieren. [ROSA05]
Bezogen auf Bartelheimers Modell der gesellschaftlichen Teilhabe, kann sich die Beschleunigung auf alle vier Dimensionen der Teilhabe auswirken. Im Erwerbsleben führen beispielsweise Strukturwandel und Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle zu einer Zunahme der Pendeldistanzen [DIMA15], die wiederum auf die (empfundene) Zeitknappheit zurückwirken und oft die Verkehrsmittelwahl einschränken.