Räumliche Aspekte der Teilhabe
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 13.01.2025
Synthesebericht gehört zu:
Gesellschaftliche Teilhabechancen können unter anderem räumlich betrachtet werden. Dazu wird die Erreichbarkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge betrachtet: Sind beispielsweise Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten und Arztpraxen in vertretbarer Zeit zu erreichen, dann ermöglicht das den vor Ort lebenden Menschen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Dabei ist zu beachten, dass es keine allgemeingültigen Definitionen dafür gibt, welche Reisezeiten als vertretbar zu bewerten sind und ob oder inwiefern sich diese Bewertung für verschiedene Gruppen unterscheidet. [DeuBu24] Es gibt jedoch die in Abbildung 1 gezeigten Empfehlungen dafür, innerhalb welcher Reisezeiten bestimmte Ortstypen der Raumordnung erreichbar sein sollen. Dabei basiert das Konzept der zentralen Orte auf Paragraf 2(2)2. und 3. des Raumordnungsgesetzes (ROG) [EINI12].
![Abb. 2: Empfehlungen für maximale Reisezeiten vom Wohnort zu zentralen Orten (nach [Eintrag-Id:506992]) Empfehlungen fuer maximale Reisezeiten vom Wohnort zu zentralen Orten.jpg.png](/servlet/is/507121/Empfehlungen%20fuer maximale Reisezeiten vom Wohnort zu zentralen Orten.jpg.png)
![Abb. 2: Prognose der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis 2035 [Eintrag-Id:Eintrag-Id:586519] Bevoelkerungsentwicklung.png](/servlet/is/507121/Bevoelkerungsentwicklung.png)
Eine besondere Rolle spielt die räumliche Erreichbarkeit für Menschen, die nicht über einen Pkw verfügen. Sie sind besonders auf nahräumige Versorgungsangebote angewiesen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sind [SCHW15]. Für weitere Wege sind sie vom öffentlichen Nahverkehr abhängig, dessen Qualität (Frequenz, abgedeckte Tageszeiten) generell mit steigender Entfernung zum nächsten Ober- oder Mittelzentrum abnimmt, da er in ländlichen Räumen stark auf die Beförderung von Schüler ausgerichtet ist [IGES20].
In vielen ländlichen Gebieten wird das geringe Angebot im öffentlichen Nahverkehr durch Bürgerbusse ergänzt und bisweilen ersetzt. Diese werden in der Regel von lokalen Verkehrsunternehmen in Kooperation mit gemeinnützigen Vereinen betrieben und von Ehrenamtlichen gefahren. Bürgerbusse fahren bedarfsabhängig und arbeiten nicht profitorientiert. [BURM07] Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH gibt es in Deutschland mehr als 500 derartige Angebote, wobei die Bedienungsform ihren Ursprung in den Niederlanden hat [VRS24]. In Deutschland sowie im Vereinigten Königreich lässt sich beobachten, dass ehrenamtlich getragene Fahrdienste einen wesentlichen Teil dazu beitragen, Menschen mit einem Anschluss an das tägliche Leben zu versorgen, die ansonsten immobil und damit abgehängt wären: "Der typische Bürgerbusfahrgast ist älter, weiblich und verfügt über kein eigenes Auto" [BURM07, S. 10]. Mit ihrem lokal verankerten und niedrigschwelligen Angebot erleichtern Bürgerbusse gesellschaftliche Teilhabe insbesondere der Bevölkerung im ländlichen Raum [BURM07,LUCA04]. Eine weitere Möglichkeit, Teilhabemöglichkeiten in dünn besiedelten Räumen zu verbessern, sind Lieferdienste (Lebensmittel, Medimente) und Angebote der Telemedizin [HeHK19]. Hinzu kommen "neue Bedienformen des ÖPNV" wie etwa Ridepooling oder Ridesharing, die zunehmend auch im ländlichen Raum betrieben werden [RaMa18,KlKa21].