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Organisatorische Maßnahmen im Wirtschafts- und Güterverkehr

Erstellt am: 09.12.2019 | Stand des Wissens: 09.12.2019
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Die Beförderungsmenge bzw. Beförderungsleistung des deutschen Güterverkehrs ist seit 2012 kontinuierlich gestiegen. So stiegen die beförderten Mengen in der Zeit von 2012 bis 2018 von 4,2 auf 4,7 Milliarden Tonnen beziehungsweise die Beförderungsleistung von 618 auf 708 Milliarden Tonnenkilometern [Dest19a]. Ein Anstieg von ungefähr 500 Millionen Tonnen beziehungsweise 90 Milliarden Tonnenkilometern in allein sechs Jahren. Um diese enormen Warenmengen zu transportieren, ohne die Infrastruktur im entsprechenden Maße zu erweitern, braucht es ein effizientes Management im Wirtschafts- und Güterverkehr. Ein belastbares Güterverkehrssystem ist maßgeblich daran beteiligt, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland seine Leistungsfähig beibehält und steigert. Im Vordergrund steht eine Minimierung der infrastrukturellen und energetischen Kosten und eine effiziente Steuerung der Transportabläufe im Güterverkehr [NITG14]. Hierzu können folgende Kriterien einen maßgeblichen Beitrag im Rahmen des verkehrsmanagements leisten.
City-Hub
Aufgrund der stetig steigenden Zahlen an Nutzern im Rahmen des online Handels gehen Schätzungen davon aus, dass bis 2020 bis zu 3,8 Milliarden Pakete in Deutschland versendet werden [Ptoc18]. Die schon knapp bemessene Infrastruktur der Innenstadt muss demnach weitere Kapazitäten für Lieferfahrzeuge, die nicht nur Geschäfte, sondern auch vermehrt Privatpersonen beliefern, bereitstellen. Die Kombination aus individuellen Kundenbedürfnissen und dem Druck, wirtschaftlich zu arbeiten, stellt viele Transportunternehmen vor große Herausforderungen. Ein vielversprechender Ansatz ist, die Warenströme räumlich zu verlagern, da gerade Business-to-Costumer-Lieferungen sehr kleinteilig und individuell zu bewerkstelligen sind. Zweckmäßig erscheint eine Bündelung der Pakete, die zu zentralen Orten (City-Hubs) befördert werden, um dann von dort aus auf der letzten Meile nachhaltig mit kleinen, umweltfreundlichen Verkehrsmitteln ausgeliefert zu werden [Zieg17a] . Somit können Schadstoff- und Lärmemissionen reduziert und gleichzeitig Schwerverkehr aus sensiblen Wohnbereichen verlagert werden. Um einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen ist es wichtig, dass die Bündelung unabhängig vom Dienstleister erfolgt, wie beispielsweise im Projekt "Bentobox" in Berlin [Berl12].
Tracking und Tracing
Tracking und Tracing beschreibt IT-gestützte Systeme zur Verfolgung des aktuellen Bearbeitungszustandes von Sendungen oder Ladungen innerhalb physischer Lieferketten. Mit Hilfe dieses Systems können Prozesse optimiert und ungenutzte Kapazitäten reduziert werden. Die gesteigerte Transparenz hilft dabei, Umlagerungsprozesse zu beschleunigen und damit die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur (schnellere Freigabe von Beladungszonen oder Parklätzen) zu erhöhen [Serg18].
Digitalisierung von Ladungsträgern
Die Digitalisierung von Ladungsträgern kann helfen dem gesteigerten Transportaufkommen bei begrenzten Kapazitäten entgegenzuwirken. Sensoren, die die Zustände der Ladungsträger dokumentieren und in Echtzeit übermitteln, führen zu einer besseren Planbarkeit des Transportprozesses und einer effizienteren Nutzung von Kapazitäten. Dementsprechend können Ladungsträger mit Restkapazitäten lokalisiert und gegebenenfalls aufgefüllt werden. Eine bessere Ausschöpfung der Kapazitäten verhindert Leerfahrten oder Fahrten mit teilweise leeren Ladungsträgern und somit weiteren Lieferverkehr. Zudem können Lieferungen, die an falsche Adressen geliefert werden, vorzeitig erkannt werden. Ein Beispiel für die Digitalisierung von Ladungsträgern sind intelligente Paletten, wie sie von der Deutschen Telekom im Zuge des Internets der Dinge in Benutzung sind [Weid18].
Smart Logistics
Die zentralen Konzepte der Industrie 4.0 sind Vernetzung und Selbststeuerung. Automatisierte Transportabläufe und punktgenaue Just-in-time Lieferungen erhöhen die Leistungsfähigkeit von Lieferketten. Die Integration von Verkehrsdaten in digitale Transportnetze der Logistik unterstützt die Einsparung von Wegen und Kosten, indem vorhandene Kapazitäten optimal ausgelastet und gleichzeitig die Belastung der Infrastruktur beeinflusst werden kann. Güterverkehrsströme, die auf die aktuelle Verkehrslage reagieren können, kommen einerseits durch die Umgehung von Verkehrsstörungen schneller zum Ziel. Andererseits lassen sich die Ankunftszeiten besser kalkulieren, da etwaige Störungen in der Ankunftszeit berücksichtigt werden. Zudem verbessert Smart Logistic die Umweltverträglichkeit des Wirtschaftsverkehrs, da Staus und Baustellen umfahren und unnötige Standzeiten umgangen werden. Weiterhin kann eine verträgliche Verkehrsführung in der Planung berücksichtigt werden, sodass sensible Bereiche wie beispielsweise Wohngebiete umfahren werden [NITG14].
Dynamische Tourenplanung
Die klassische Tourenplanung bringt verschiedene Vorteile wie gesteigerte Effizienz, eine höhere Auslastung und dementsprechende Kosteneinsparungen mit sich. Bisher erfolgte die Planung, welches Fahrzeug welche Standorte bedient, vor der Auslieferung. Echtzeitinformationen und -Kommunikation ermöglichen es in Zukunft, dass Clustering, im Sinne des Zusammenlegens von Aufträgen, und Routing während der Auslieferung dynamisch an verschiedene Situationen angepasst werden. Dies führt zu einer effizienteren Allokation der Ressourcen und hilft dabei, die Auslastung weiter zu erhöhen und damit Verkehr zu reduzieren [IML17].
Digitale Überwachung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten
In Deutschland gelten auf Basis von [EG561/2006] spezielle Lenk- und Ruhezeiten für den Güterverkehr auf der Straße. [BAG19b] Diese werden jedoch nicht immer von allen Verkehrsteilnehmern eingehalten, was aufgrund von Übermüdung und Konzentrationsschwächen zu Unfällen führen kann [Woch19]. Ein Telematik System, welches die Daten des Fahrtenschreibers dauerhaft digital übermittelt, ist in der Lage, Fahrer zu identifizieren, die ihre Lenkzeiten nicht einhalten und kann damit die Verkehrssicherheit auf Autobahnen erhöhen.
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Literatur
[BAG19b] Bundesamt für Güterverkehr (BAG) (Hrsg.) Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr, 2019/02
[Berl12] Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin (Hrsg.) Berlin erprobt neue Ansätze: Sauber und effizienter Lieferverkehr, 2012/01/25
[Dest19a] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Beförderungsmenge und Beförderungsleistung nach Verkehrsträgern, 2019/11/19
[IML17] Fraunhofer Institut Materialfluss und Logistik (IML) Dynamische Tourenplanung mit Big Data, 2017/05/10
[NITG14] Arbeitsgruppe 2 des Nationalen IT-Gipfels (AG2 "Vernetzte Anwendungen und Plattformen für die digitale Gesellschaft", UAG Intelligente Netze (Hrsg.) Nutzen und Anwendungen Intelligenter Verkehrsnetze, 2014/10
[Ptoc18] Ptock, Julia KEP-Studie: Bis 2020 bis zu 3,8 Milliarden Pakete erwartet , 2018/07/04
[Serg18] Sergo Germany GmbH (Hrsg.) Diese drei wichtigen Vorteile bietet modernes Tracking & Tracing, 2018/01/15
[Weid18] Weidmann, Martina Datengold der Logistik: Tracker macht Paletten intelligent, 2018/10/15
[Woch19] Wochenblatt (Hrsg.) Kurz eingeschlafen, Unfall verursacht und einige Kilometer mit dem Sattelzug weitergefahren, 2019/11/15
[Zieg17a] Ziegler, Markus Zukunftsfähige City-Logistik: Herausforderungen und Maßnahmen, 2017/04/17
Rechtsvorschriften
[EG561/2006] Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006
Glossar
Just-In-Time "Just-In-Time" (JIT) ist ein Transportservice, bei dem die Auslieferung von Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt wird. Der Kunde legt vorher fest, wann und wohin die Güter geliefert werden sollen. Häufig wird JIT in der Produktions-Logistik eingesetzt, um eine produktionssynchrone Beschaffung umzusetzen. Mit diesem Prinzip lassen sich beispielsweise Zwischenlager sparen und somit Kosten senken.
Letzte Meile
Im Bereich der Telekommunikation bezeichnet die "letzte Meile", auch Teilnehmeranschlussleitung genannt, die Netzstrecke zwischen dem lokalen Verteilerkasten des entsprechenden Kommunikations-Unternehmens und dem Hausanschluss des Endkunden.
In der Logistik steht der Begriff für die Belieferung des Endkunden im Liefer- und Abholverkehr, also dem letzten notwendigen Transportvorgang.
Telematik Der Begriff Telematik ist aus den Worten Telekommunikation und Informatik zusammengesetzt und bezeichnet Technologien, die Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik miteinander verknüpfen.
City Der in der Stadtforschung und im allgemeinen Sprachgebrauch für die Kennzeichnung des Stadtzentrums meist größerer Städte verwendete Begriff City ist nicht eindeutig, da er im Englischen eine völlig andere Bedeutung hat. Im englischen Sprachgebrauch kann der Begriff City für drei verschiedene Varianten stehen:
  1. allgemein für eine Großstadt,
  2. für eine historische Stadt mit Bischofssitz und Kathedrale,
  3. für eine Stadt mit königlicher Urkunde und zeremoniellen Privilegien.
Der deutsch Begriff der City leitet sich aus der frühen Konzentration von Bürofunktionen in der historischen City of London ab, da sich dort bereits im 18. Jahrhundert mit dem aufkommenden und rasch entfaltenden Banken- und Versicherungswesen der neue Typ des Bürohauses herausbildete, der den Prozess der Citybildung enorm beschleunigte. In erster Linie ist City ein Funktionsbegriff. Die City ist der zentralst gelegene Teilraum einer größeren Stadt mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger zentraler Funktionen des tertiären und quartären Sektors.
Hub Der Begriff Hub kommt vom englischen Begriff "Hub and Spoke", was im Deutschen "Nabe und Speiche" entspricht. Der Hub dient als Sammel- und Knotenpunkt für Hauptverkehrswegen für den Umschlag und die Zusammenfassung von Warenströmen in alle Richtungen, d.h. zur Warenübergabe an regionale Verteiler. Im Postwesen handelt es sich bei Hubs häufig um Paketzentren. Die Transportmittel zur weiteren Beförderung der Sendungen variieren (Schiffe, Flugzeuge, Lkw).
Palette
Eine Palette ist ein Ladungsträger, auf dem eine größere Anzahl von Transportgütern zu gleichartigen (unifizierten) Ladungseinheiten zusammengefasst werden kann. Durch Normierung von Bauart und Größe jeweils verwendeter Paletten sowie korrespondierender Transport-, Umschlags- oder Lagersysteme lassen sich anfallende logistische Prozesse sowohl in zeitlicher als auch monetärer Hinsicht rationalisieren.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?506253

Gedruckt am Sonntag, 1. Oktober 2023 01:38:46