Personenverkehr
Erstellt am: 13.08.2019 | Stand des Wissens: 16.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Basierend auf einer mathematischen Abbildung des Verkehrsablaufs ergeben die Berechnungen von Bernhard Friedrich [MGLW15, S. 346f.] eine Kapazitätserhöhung des Verkehrsflusses von 40 Prozent im Stadtverkehr und 80 Prozent im Autobahnbereich, sofern nur noch autonome Fahrzeuge am Verkehrsgeschehen beteiligt sind. Die wichtigsten Faktoren, die diese Kapazitätserhöhung hervorrufen, sind die Reduktion der Zeitlücken zwischen autonomen Fahrzeugen und die erhöhte Geschwindigkeit bei konstanter Dichte der Fahrzeugkolonne. Allgemein gilt es zu beachten, dass die Auswirkungen auf den Verkehrsfluss erst ab einer hohen Durchdringung des Marktes mit autonom fahrenden Fahrzeugen eintreten können, da erst dann eine ausreichende Datengrundlage für die Bewertung des veränderten Verkehrsflusses vorliegt. [Ifmo16, S. 25]
Zusätzlich zu diesen mathematisch modellierbaren Effekten existiert eine Vielzahl weiterer Einflussfaktoren, die durch das automatisierte Fahren auftreten und entweder verkehrsreduzierend oder verkehrsinduzierend wirken können. Für die genaue Einordung dieser Faktoren ist es hilfreich, sich an der definitorischen Abgrenzung von primären und sekundären Effekten zu orientieren [MKS18, S. 8f.]:
- Primäre Effekte entstehen direkt am Fahrzeug und sind damit fahrzeugbezogene Effizienzpotenziale.
- Sekundäre Effekte ergeben sich aus einer Veränderung des Verkehrsverhaltens (Verkehrsfluss, Verkehrsmittelwahl, Straßenkapazitäten). Dabei werden sekundäre Effekte, die der ursprünglichen Zielsetzung entgegenwirken und dadurch den eigentlich beabsichtigten Effekt reduzieren, oft als Rebound-Effekte bezeichnet.
Eine Auswahl primärer und sekundärer Effekte des automatisierten Fahrens auf den Straßenverkehr, die aus verschiedenen wissenschaftlichen Quellen zusammengetragen wurden, ist in der folgenden Tabelle dargestellt:
Die bei automatisierten Fahrzeugen eingebaute Sensorik ermöglicht ein auf die vorfahrenden Fahrzeuge abgestimmtes Fahrverhalten, das sowohl kraftstoffsparender als auch emissionsärmer ist. Die optimierte Fahrweise des einzelnen Fahrzeugs wirkt im Umkehrschluss auf die optimierte Fahrweise aller Verkehrsteilnehmer, sodass die gegenseitige Vernetzung der Fahrzeuge miteinander und mit den Infrastruktureinrichtungen zu einem effizienteren und homogenisierten Verkehrsfluss führt. [emobil15a, S. 50] Die einzelnen Verkehrsteilnehmer bewegen sich in diesem Szenario wie in einer abgestimmten Kolonne und reagieren dabei auf die Informationen, die sie einerseits über die im Fahrzeug eingebauten Sensoren erhalten und andererseits von vorausfahrenden Fahrzeugen oder einer Leitzentrale empfangen.
Ein weiterer verkehrsreduzierender Effekt des automatisierten Fahrens ergibt sich bei einem Umschwung der Nutzerpräferenzen. Mit dem Zugang zu kostengünstigen und flexiblen Sharing-Fahrzeugen auf privater Seite und der gesteigerten Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel durch neue Mobilitätsserviceangebote (Mobility-as-a-Service) werden mehr Verkehrsteilnehmer in einem Fahrzeug bewegt. [MKS18, S. 73] Dadurch reduziert sich die Menge an Fahrzeugen auf den Straßen, was wiederum zu einem ruhigeren und störungsfreien Verkehrsfluss führt.
Allerdings kann die Einführung automatisiert fahrender Fahrzeuge ebenso verkehrsinduzierende Auswirkungen haben. So steigt die Anzahl der am Verkehr teilnehmenden Personen aufgrund neuer Nutzergruppen, denen zuvor der Zugang zu Mobilität nicht möglich war, wie Senioren oder Kinder. Zudem erhöht sich durch den gesteigerten Komfort und das kosteneffizientere Fahren die Nutzung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) [Frae17, S. 22f.]: Wege, die zuvor zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zurückgelegt wurden, können nun bequem mit dem eigenen oder geteilten Pkw (Sharing) durchgeführt werden. Diese Verlagerung wirkt sich damit negativ auf den Modal-Split aus, der die Verkehrsmittelwahl und damit das Mobilitätsverhalten einer Bevölkerungsgruppe anzeigt [MKS18, S. 91]: Das bereits bestehende Ungleichgewicht in der Verkehrsmittelwahl würde noch stärker in Richtung des MIV ausfallen, was wiederum den Anteil der anderen Verkehrsmittel (Fußweg, Fahrrad und ÖPNV) am gesamten Mobilitätsverhalten mindert.
Des Weiteren ermöglicht die Automatisierung geringere Reisekosten und kürzere Reisezeiten, was ebenfalls einen Anstieg des Verkehrsaufkommens nahelegt. Dabei wird die Reisezeit nicht nur messbar durch einen effizienteren Verkehrsfluss und kürzere Fußwege vom und zum Verkehrsmittel verkürzt, sondern auch die Wahrnehmung der Reisezeit verändert sich: Die Fahrtzeit wird als weniger störend empfunden, wenn sie für fahrfremde Aktivitäten genutzt werden kann [MKS18, S. 72]. Hierbei handelt es sich um einen Rebound-Effekt: Der durch die Automatisierung verkehrsreduzierende Effekt auf den Verkehrsfluss bildet die Entscheidungsgrundlage für zusätzliche Fahrten, was dem effizienten Verkehrsfluss wiederum entgegenwirkt.
Laut [MKS18] ergibt sich im Gesamtüberblick ein verkehrsreduzierender Effekt auf den Verkehr. Die Kernelemente dieser Wirkung sind in der folgenden Grafik nochmals dargestellt, wobei die primären Effekte unter dem Begriff "Effizienz" zusammengefasst sind.
Laut [MKS18] ergibt sich im Gesamtüberblick ein verkehrsreduzierender Effekt auf den Verkehr. Die Kernelemente dieser Wirkung sind in der folgenden Grafik nochmals dargestellt, wobei die primären Effekte unter dem Begriff "Effizienz" zusammengefasst sind.
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Dabei spielt der weitere Verlauf der Besitzpräferenzen der Autofahrer eine wichtige Rolle: Während einige Untersuchungen dem aktuell vorherrschenden Bedürfnis nach Fahrzeugbesitz folgen [MKS18, S. 4f.], verweisen andere Studien auf den fallenden Stellenwert des Automobils bei jüngeren Menschen in Städten, die vermehrt Sharing-Angebote nutzen [emobil15a, S. 56]. Die tatsächliche Ausgestaltung dieser Präferenz wird einen großen Einfluss auf die letztendliche Verlagerung des Modal-Splits haben.
Neben den Wirkungen auf den Verkehrsfluss und den Verkehrsablauf ergeben sich durch das automatisierte Fahren zusätzliche Effekte auf die Verkehrssicherheit. Diese sind in der Bevölkerung von besonderer Bedeutung für die Akzeptanz des autonomen Fahrens: Zahlreiche Studien belegen, dass eine flächendeckende Einführung autonomer Fahrzeuge zu einer Reduktion der Unfallwahrscheinlichkeit von bis zu 90 Prozent führen kann. [Frae17, S. 20f.] Die technische Unterstützung durch die Fahrerassistenzsysteme ist dabei insbesondere in kritischen Situationen von großem Nutzen, wie bereits die Einführung des Bremsassistenten gezeigt hat.
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