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Verkehrliche Wirkungen von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen im Güterverkehr

Erstellt am: 12.08.2019 | Stand des Wissens: 05.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Das automatisierte und vernetzte Fahren ist im Güterverkehr von essenzieller Bedeutung, da für den Gütertransport über den Verkehrsträger Straße in Deutschland bis 2051 eine Zunahme von 54 Prozent gegenüber der momentanen Verkehrsleistung anzunehmen ist [Intra23]. Im Vergleich zu privat eingesetzten Fahrzeugen wird von kommerziell genutzten Lkw eine signifikant höhere Kilometerleistung pro Jahr verrichtet [TeFr17a]. Neben der Steigerung von Sicherheit und Effizienz ist auch die Reduzierung von Kosten und CO2-Emissionen ein erklärtes Ziel im Güterverkehr [EUK23b].

Die Einführung des automatisierten und vernetzten Fahrens begünstigt einen gleichmäßigeren Fluss des Verkehrsstroms, da Telematik-Systeme eingesetzt werden. Dadurch wird neben einem verringerten Kraftstoffverbrauch und einem Rückgang der Emissionen auch eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht. Insgesamt kann eine genauere Kalkulation der Transportzeiten erfolgen, was primär für Flottenbetreiber und Logistikdienstleister von großer Bedeutung ist [TeFr17a].

Im Bereich des Güterverkehrs ist eine Realisierung dieses Ziels unter anderem durch das Konzept des Platoonings denkbar. Durch einen erhöhten Durchsatz an Fahrzeugen pro Zeiteinheit wird die vorhandene Infrastruktur effizienter genutzt und somit eine Kostenreduzierung aufgrund von verringerter Lieferzeiten erzielt [TeFr17a]. Besonders Ineffizienzen beim Transport auf verkehrsreichen Straßennetzen können so reduziert werden [Kama17].

Außerdem bietet sich die Grundidee des Valet-Parking ebenfalls als Lösungsansatz für die derzeitigen Probleme im Güterverkehr an. Insbesondere im urbanen Raum, wo große Lkw schnell an ihre Grenzen stoßen, ist der Einsatz von kleineren Fahrzeugen zur Durchführung der Last-Mile-Delivery denkbar [Flä15]. Je nach Automatisierungsstufe eröffnen sich dem Kraftfahrzeugführer neue Möglichkeiten der Arbeitszeiteinteilung, da die Hauptaufgabe des Fahrens entfällt. Dies verschafft dem Beruf des Kraftfahrzeugfahrers eine größere Flexibilität im Bereich des Aufgabenspektrums und steigert somit die Attraktivität, wodurch das Problem des Personalmangels der letzten Jahre gelöst werden könnte [TeFr17a].

Zusätzlich lässt sich die Transportzeit durch den Wegfall von gesetzlich vorgeschriebenen Standzeiten verringern [Flä15], sobald der Fahrer nicht mehr permanent eingreifen können muss, sondern auch partiell abwesend sein und beispielweise Ruhepausen einlegen kann. Hierdurch steigt die pro Lkw zurückgelegte Strecke an. Aufgrund des Wegfalls dieser elementaren Restriktionen eröffnen sich weiterhin neue Möglichkeiten für die Tourenplanung, die mit Hilfe von längeren Fahrtweiten pro eingesetztem Fahrer völlig neue Transportnetze ergeben [Frae17].
Beim Erreichen der Automatisierungsstufe fünf entfällt der Faktor Personal letztlich komplett, wodurch Transportdienstleister zusätzlich Kosten einsparen können [TeFr17a; Frae17]. Insgesamt stellt die Transportzeit nunmehr einen wertschöpfenden Faktor innerhalb der Transportkette eines Unternehmens dar und ermöglicht Unternehmen im Straßengüterverkehr einen positiven Return-on-Investment durch den Einsatz von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen.

Als weiterer, wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang die mögliche Transformation von unternehmenseigenen Fuhrparks hin zu Sharing-Alternativen zu nennen. Dabei können verschiedene Fahrzeugflotten oder Ladekapazitäten, die sich auf festgelegten Routen ständig in Bewegung befinden, angemietet und für den Gütertransport verwendet werden [Stro17].
Aufbauend auf den Grundgedanken des Platooning, des Valet-Parking und der Sharing-Angebote ist davon auszugehen, dass sich sowohl die Zusammensetzung als auch der Einsatz der Fahrzeugflotten von Logistikdienstleistern elementar verändern und weiterentwickeln werden. Insbesondere die resultierenden personellen Konsequenzen sind hier zu benennen. Nicht zuletzt dadurch werden in den kommenden Jahren neue Anforderungen an das Flottenmanagement entstehen. Für die erfolgreiche Einführung und Integration in den bestehenden Güterverkehr ist jedoch auch die Anpassung von angrenzenden Gebieten wie der Stadt- und Infrastrukturplanung notwendig. Schlussendlich ist das Ziel, durch vernetzte, automatisierte und dezentralisierte Lösungen eine Steigerung an Zuverlässigkeit, Produktivität und Flexibilität zu erreichen [Frae17].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verkehrs- und Umweltwirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens im Straßenverkehr (Stand des Wissens: 16.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?503150
Literatur
[EUK23b] Europäische Kommission EU-Kommission legt neue Vorschriften für effizienteren und nachhaltigeren Güterverkehr vor, 2023/07/11
[Flä15] Heike Flämig Autonome Fahrzeuge und autonomes Fahren im Bereich des Gütertransportes, veröffentlicht in Autonomes Fahren - Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte, 2015, ISBN/ISSN 978-3-662-45853-2
[Frae17] Eva Fraedrich, Lars Kröger, Francisco Bahamonde-Birke, Ina Frenzel, Gernot Liedtke, Stefan Trommer, Barbara Lenz, Dirk Heinrichs Automatisiertes Fahren im Personen- und Güterverkehr
Auswirkungen auf den Modal-Split, das Verkehrssystem und die Siedlungsstrukturen, Stuttgart, 2017
[Intra23] Intraplan, Trimode Gleitende LangfristVerkehrsprognose 2021-2022, 2023/03/01
[Kama17] Maryam Kamali, Louise A. Dennis, Owen McAree, Michael Fisher, Sandor M. Veres Formal verification of autonomous vehicle platooning, veröffentlicht in Science of Computer Programming, Ausgabe/Auflage 148, 2017/11/15, Online-Referenz doi:10.1016/j.scico.2017.05.006
[Stro17] Oliver Strop Das automatisierte und vernetzte Fahren revolutioniert die intelligenten Verkehrssysteme, veröffentlicht in Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft aktuell, Ausgabe/Auflage Nr. 36, 2017/04
[TeFr17a] Teleki, A.-C., Fritz, M., Kreimeyer, M Use cases for automated commercial vehicles, veröffentlicht in Fahrerassistenzsysteme , Springer Fachmedien Wiesbaden , 2017
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Telematik Der Begriff Telematik ist aus den Worten Telekommunikation und Informatik zusammengesetzt und bezeichnet Technologien, die Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik miteinander verknüpfen.
Platooning
Der Begriff Platooning beschreibt die Organisationform von mehreren fahrerlosen Fahrzeugen als Konvoi. Dabei befindet sich lediglich im führenden Vehikel ein Fahrer. Die Fahrzeuge sind mittels digitaler Datenverbindung miteinander verknüpft. Mit Hilfe verschiedenster Softwaresysteme wird versucht, das Betreten und Verlassen dieser Konvois so flexibel wie möglich zu gestalten.
Valet-Parking
Mit Hilfe des Systems Valet-Parking werden geeignete Parkplätze identifiziert und das Fahrzeug autonom dorthin gesteuert. So parkt das Fahrzeug selbstständig ein und kommt auch wieder selbstständig vorgefahren. Umgekehrt ermöglicht dieser Ansatz die Bereitstellung eines Pkw an einem für den Fahrer beziehungsweise Passagier geeigneten Standort.
Logistikdienstleister Logistikdienstleister (abgekürzt: LDL; Englisch: logistics service provider) bezeichnet die Weiterentwicklung des traditionellen Speditionsgeschäfts. Über Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) hinaus bietet der LDL weitere Leistungen und Lösungen an, zum Beispiel kundenbezogene Lagerung, Kommissionierung, Assemblierung, Fakturierung usw. LDL und 3PL werden häufig synonym verwendet.
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
Transportkette
Nach DIN 30781 eine Folge von technisch und organisatorisch miteinander verknüpften Vorgängen, bei denen Personen oder Güter von einer Quelle zu einem Ziel bewegt werden, im weiteren Sinne alle Transferprozesse zwischen Quelle und Senke.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?502912

Gedruckt am Donnerstag, 18. April 2024 02:47:29