Verkehrspolitische Zielstellung von Radschnellwegen
Erstellt am: 25.05.2019 | Stand des Wissens: 14.12.2023
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Es ist abzusehen, dass den nichtmotorisierten Verkehrsarten beziehungsweise auch der aktiven Mobilität verkehrspolitisch künftig ein noch höherer Stellenwert eingeräumt wird. Das konventionelle Fahrrad wird dabei zunehmend ergänzt durch elektrounterstütztes Radfahren (beispielsweise mit Pedelecs). Aber auch weitere innovative individuelle Fortbewegungsarten (beispielsweise mit Elektrokleinstfahrzeugen (EKF)) sollen ihren Beitrag im Mobilitätsmix leisten und helfen, künftig insbesondere sowohl die urbanen Mobilitätsbedürfnisse als auch die Mobilitätsbedürfnisse im suburbanen und ländlichen Bereich zu sichern.
Gerade im Alltagsverkehr und selbst in Entfernungsbereichen zwischen fünf und zwanzig Kilometern stellen Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge eine sinnvolle Alternative zum Kfz-Verkehr dar, wenn diese auf Strecken geführt werden können, die deutlich höhere Ausbaustandards als bisher übliche Radverkehrsverbindungen aufweisen. Radschnellverbindungen sollen durch eine wirkungsvolle Beschleunigung den Radverkehr, auch für größere Reiseweiten, attraktiv gestalten. Bei strategisch sinnvoller Ausrichtung und Anlage von Radschnellverbindungen, beispielsweise auch durch Anbindung schienengebundener ÖPNV-Haltestellen, sollen diese einen Beitrag für die Stärkung des gesamten Umweltverbundes leisten.
Die verkehrspolitische Zielstellung von Radschnellverbindungen ist daher durchaus vielschichtig. Einerseits wird eine strategische Fahrzeitverkürzung in den oben benannten Entfernungsbereichen durch hochwertige Radschnellverbindungen gegenüber den bisherigen Routen im Radverkehr angestrebt. Zum anderen schaffen Radschnellverbindungen beispielsweise außerorts neue, sichere und attraktive Verbindungen, die nicht nur das Ziel verfolgen, Verkehr vom Pkw auf das Rad zu verlagern, sondern auch neue Verkehre zu induzieren und dadurch Zielpotenziale besser zu erschließen. Des Weiteren sind auch die gesundheitsrelevanten Wirkungen zu nennen, indem aktive Mobilität auch einen Beitrag zur Kostenersparnis im Gesundheitssektor leisten soll.
Dabei sind jedoch auch immer mögliche Rebound-Effekte zu beachten. Das heißt, Wirkungen von Effizienzsteigerungen beziehungsweise auch Verbesserungen der Angebotssituation eines Verkehrsträgers (zum Beispiel auch mittelbar durch weniger Stau aufgrund Verkehrsverlagerungen auf Radschnellverbindungen) führen unter Umständen zu einer unerwünschten Mehrnutzung von Verkehrsmitteln (zum Beispiel des Pkw auf den nun stauärmeren Strecken).
Gerade für die im Alltagsverkehr besonders relevante Gruppe der berufs- oder ausbildungsbedingten Pendlerinnen und Pendler spielt die Reisezeit bei der Verkehrsmittelwahl durchaus eine erhebliche Rolle [Stei11]. Radschnellverbindungen sollen daher die Reisezeiten deutlich verkürzen und auch die Energieaufwendungen für den Radfahrer minimieren [RVR14]. Dabei sind nicht nur die objektiv messbaren Reisezeiteinsparungen bedeutsam, sondern auch die subjektiv wahrgenommenen Reisezeiten spielen bei Mobilitätsentscheidungen durchaus eine Rolle.
Radschnellverbindungen sollen deshalb als hochwertige Infrastruktur und durch hohe Geschwindigkeiten einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dem Radverkehr auch in weiteren Distanzbereichen einen Zeitvorteil zu verschaffen [RVSO18].
In der Radstrategie des Landes Baden-Württemberg ist beispielsweise das Ziel der Umsetzung von mindestens zehn Radschnellverbindungen bis 2015 benannt. In diesem Zusammenhang wird auch die Prüfung eines Sonderprogramms "Radschnellverbindungen" (Zielhorizont 2015) genannt, in dessen Rahmen auch große Investitionsmaßnahmen wie Brücken oder Tunnel gefördert werden können [BaWü16]. 2019 wurde der erste Radschnellweg in Baden-Württemberg fertiggestellt und verbindet die Ortschaften Böblingen und Sindelfingen mit Stuttgart. Auch viele andere Bundesländer haben Radschnellverbindungen mittlerweile explizit in die verkehrspolitische Zielstellung integriert.