Fusionen und Konkurse im Luftverkehrsmarkt
Erstellt am: 11.05.2019 | Stand des Wissens: 29.08.2023
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In den USA wurde 1978 der Airline Deregulation Act verabschiedet, der zum Ziel hatte, den Luftverkehrssektor für Wettbewerber zu öffnen. In Folge der Deregulierung kam es zu einer Vielzahl von Neugründungen und einer ersten Übernahmewelle in den 1980er Jahren. Die zweite Übernahmewelle in den USA begann in den 2000er Jahren. Während im Jahr 2006 die vier größten Fluggesellschaften in den USA einen Marktanteil (in Sitzen) von 57 Prozent auf sich vereinigen konnten, stieg dieser Anteil insbesondere aufgrund von Fusionen bis 2016 auf 82 Prozent [Prol16]. Die vier größten Fluggesellschaften der USA (und zugleich der Welt) waren im Jahr 2017: American Airlines, Delta Airlines, Southwest Airlines und United Airlines.
American Airlines übernahm im Jahr 2001 Trans World Airlines (TWA) und fusionierte 2013 mit US Airways, die zuvor 2005 mit America West fusioniert hatte. Damit wurde American Airlines die weltweit größte Fluggesellschaft. Delta übernahm im Jahr 2008 Northwest Airlines (NWA) und integrierte sie vollständig in das eigene Unternehmen. United fusionierte im Jahr 2010 mit Continental Airlines [DHPP]. Southwest Airlines, der weltweit größte Low-Cost-Carrier (LCC), kaufte im Jahr 2010 den Konkurrenten AirTran [Sout22]. Die fünftgrößte Fluggesellschaft der USA, Alaska Airways, kaufte im Jahr 2016 Virgin America [Eise16].
In Europa kam es ähnlich, wie in den USA, nach der Öffnung des Marktes zu Neugründungen von Fluggesellschaften. Die Liberalisierung in der Europäischen Union (EU) wurde im Jahr 1997 abgeschlossen, als alle Mitgliedsstaaten allen in der EU zugelassenen Fluggesellschaften uneingeschränkten Zugang zu ihrem Markt gewähren mussten. Im Laufe der letzten Jahre fand auch in Europa wieder eine Konsolidierung des Flugsektors statt.
Besonders stark war der Konzentrationsprozess auf dem deutschen Flugmarkt; er wird in Abbildung 1 illustriert und im Folgenden beschrieben. AirBerlin erwarb kurz nach dem eigenen Börsengang im Jahr 2006 die Gesellschaften dba [BKartA06] und LTU [BKartA07]. Die Luftverkehrsgesellschaft Walter (LGW) [alde17] kooperierte seit 2007 mit AirBerlin und flog seit 2009 nur noch unter dem Namen AirBerlin. Die Übernahme zu einem symbolischen Preis [Welt17c] erfolgte allerdings erst im Jahr 2017, kurz bevor AirBerlin selbst Insolvenz anmelden musste. 2011 übernahm AirBerlin noch flyNiki [SZ11] vollständig mithilfe einer österreichischen Stiftung, nachdem sie im Jahr 2004 bereits 24 Prozent gekauft und 2010 ihren Anteilsbesitz auf 49,9 Prozent ausgebaut hatte.
Diese Übernahmen und mehrere Umstrukturierungsprogramme konnten letztendlich nicht die eigene Insolvenz von AirBerlin im Jahr 2017 verhindern, die zu einer Reihe an neuerlichen Zukäufen durch andere Airlines führte. Die größten Teile von AirBerlin erwarb Lufthansa (Flugzeuge und Slots an Flughäfen). Daneben erwarb auch EasyJet einige Teile [EuKom17j]. Die ebenfalls insolvente Tochterfirma Niki Luftfahrt wurde im Januar 2018 an Laudamotion verkauft. Im Juli 2018 hat Ryanair die Erlaubnis der Kommission der Europäischen Union (EU) erhalten Laudamotion zu akquirieren.[EuKom18g] Somit ging die Fluggesellschaft flyNiki an Ryanair.
Die Lufthansa akquirierte diverse Konkurrenten und mit Eurowings auch einen LCC. Germanwings wurde 1996 unter dem Namen Eurowings Flug GmbH als Tochtergesellschaft der Eurowings Luftverkehrs AG gegründet und im Jahr 2002 in Germanwings GmbH umbenannt [PARE18]. Nach gescheiterten Fusionsplänen von Germanwings mit Condor und TUIfly wurden im Jahr 2009 sämtliche Anteile, die Eurowings an Germanwings hielt, an die Lufthansa verkauft. Im August 2011 übernahm die Lufthansa dann auch den Mutterkonzern Eurowings zu 100 Prozent, an dem sie bereits seit 2005 die Aktienmehrheit besaß [EuKom]. Seit dem Winterflugplan 2017 werden die Germanwings-Flüge ausschließlich unter Eurowings-Flugnummern durchgeführt. Die Übernahme von Brussels Airlines durch die Lufthansa begann bereits im Jahr 2009, nachdem die EU-Kommission die Übernahme billigte. Damals kaufte die Lufthansa 45 Prozent der Aktienanteile. Die ausstehenden Anteile wurden zum Jahreswechsel 2016/17 übernommen [BrAir16]. Auch weitere Übernahmen werden in der Abbildung 1 gezeigt. Nach der Insolvenz von AirBerlin folgten zuletzt auch die der Alitalia (2017) und der Germania Fluggesellschaft mbH (2019). Zu einer weiteren Konsolodierung könnte die durch die Thomas Cook Group zum Verkauf gestellte Airline-Sparte inklusive Condor führen (2019) [alde19].
Im Mai 2023 vereinbarten das Italienische Ministerium für Wirtschaft und Finanzen und die Deutsche Lufthansa AG für 325 Millionen Euro eine Minderheitsbeteiligung von 41 Prozent an ITA Airways. [Airl23c] In zwei weiteren Schritten will die Lufthansa die italienische Staatsfluglinie mittelfrisittig ganz übernehmen. Unter bestimmten Bedingungen kann die Luft-hansa ab 2025 weitere 49 Prozent für 425 Millionen Euro übernehmen und später auch die rest-lichen 10 Prozent für etwa 80 Millionen Euro. [Airl23d]
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Auch im übrigen Europa spielten sich Konsolidierungsprozesse ab. Insbesondere ist hier die International Airlines Group (IAG) mit Sitz in Madrid hervorzuheben. Abbildung 2 veranschaulicht, dass die IAG seit Januar 2011 unter ihrem Dach die Fluggesellschaften British Airways und Iberia vereinigt und weitere hinzugewonnen hat. Die Übernahme von Aer Lingus durch die IAG wurde im Jahr 2015 von der EU unter Auflagen gebilligt [EuKom15c]. Im Jahr 2013 wollte bereits Ryanair Aer Lingus übernehmen, erhielt aber nicht die notwendige Erlaubnis durch die EU, da es sonst insbesondere auf den Routen von und nach Irland keine nennenswerte Konkurrenz mehr gegeben hätte [EuKom13l]. Mit dem Mehrheitsbesitz (mehr als 90 Prozent) an spanischen Billigfluggesellschaft Vueling hat die IAG auch einen LCC in ihrem Portfolio.
Eine weitere große Fusion war der Zusammenschluss von KLM und AirFrance, der im Jahr 2004 durch die EU bewilligt wurde [EuKom04d].
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Die Auswirkungen der Pandemie auf den Luftverkehr waren so groß, dass es zu keinen Fusionierungen oder Neugründungen von Fluggesellschaften kam. Ein Großteil der Aktivitäten im Jahr 2020 fand bereits vor Ausbruch der Pandemie statt. Im November 2020 kündigte Korean Air die Übernahme der konkurrierenden Fluggesellschaft Asiana Airlines an [KJAD23]. Allerdings erwägt das US Justizministerium eine Klage, um die geplante Übernahme von Asiana Airlines durch Korean Air zu vereiteln, da es befürchtet, dass dies dem Wettbewerb im Passagier- und Frachtverkehr zwischen Südkorea und den Vereinigten Staaten schaden könnte.
Ähnlich kritisch standen EU-Wettbewerbshüter den Übernahmeplänen von IAG gegenüber. Nach langwierigen Verhandlungen, die besonders durch kartellrechtliche Bedenken aus Brüssel erschwert wurden, hat IAG im Jahr 2023 die Unternehmensanteile von Air Europa vollständig übernommen [AIRL23e]. Ein geplanter Deal, der durch die Krise zunichte gemacht wurde, war ein Vorhaben der Muttergesellschaft von LOT Polish Airlines, PGL, die deutsche Freizeitfluggesellschaft Condor zu übernehmen. Dieses Geschäft wurde Januar 2020 vereinbart, aber als die Pandemie ausbrach, zog sich PGL innerhalb von drei Monaten zurück [SIFL22].
Ähnlich kritisch standen EU-Wettbewerbshüter den Übernahmeplänen von IAG gegenüber. Nach langwierigen Verhandlungen, die besonders durch kartellrechtliche Bedenken aus Brüssel erschwert wurden, hat IAG im Jahr 2023 die Unternehmensanteile von Air Europa vollständig übernommen [AIRL23e]. Ein geplanter Deal, der durch die Krise zunichte gemacht wurde, war ein Vorhaben der Muttergesellschaft von LOT Polish Airlines, PGL, die deutsche Freizeitfluggesellschaft Condor zu übernehmen. Dieses Geschäft wurde Januar 2020 vereinbart, aber als die Pandemie ausbrach, zog sich PGL innerhalb von drei Monaten zurück [SIFL22].