BHNS in Straßburg als Beispiel zur Beschleunigung im ÖPNV
Erstellt am: 01.02.2019 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Viele Kommunen, die ihren ÖPNV attraktiver gestalten möchten, stehen vor folgendem Problem: sofern nicht bereits Straßenbahnen oder andere schienengebundene Nahverkehrsmittel vorhanden sind, ist deren Neuimplementierung meistens sehr teuer und zeitaufwendig. So ist beim Bau einer neuen Straßenbahn mit Investitionskosten von 20 Mio. pro km oder mehr zu rechnen [TTK18]. Ein Kilometer U-Bahn kostet wiederum zwischen 50 Mio. pro km bei aufgelockerter Bebauung am Stadtrand und 200 Mio. pro km im Innenstadtbereich [Bus18]. So entstand schon sehr früh die Idee, bei bestehenden Bussystemen die Kapazitäten zu erhöhen, zahlreiche Beschleunigungsmaßnahmen umzusetzen und diese aufgewerteten Verkehre als höherwertiges Öffentliches Verkehrssystem zu vermarkten [Bur13a]. Daraus ist der sogenannte Bus Rapid Transit entstanden. Wesentliche Merkmale sind unter anderem die konsequente Führung der Busse auf eigener Trasse, eine hohe Taktung und ein Fahrscheinverkauf an den Haltestellen [Bur13a].
In Europa ist Frankreich Vorreiter bei höherwertigen Bussystemen. Sie heißen hier Bus à haut niveau service (BHNS) und finden sich zum Beispiel in Straßburg. Es handelt sich hierbei um die Linie G, welche eine schnelle Verbindung vom Straßburger Norden zum Bahnhof und in die Innenstadt darstellt - trotz Verzicht auf den Bau einer neuen Straßenbahn-Linie. Die Busse der etwa 5 km langen Linie G verkehren zu 80% auf eigener Trasse und teilen sich die Fahrspur lediglich auf weniger stark befahrenen Streckenabschnitten mit dem MIV [Tong16]. Sie werden an Kreuzungen konsequent bevorrechtigt. Zur Beschleunigung des Fahrgastwechsels findet der Fahrkartenverkauf nicht mehr im Fahrzeug, sondern über Automaten an den Haltestellen statt.
![Abb. 1: Trassierung und Haltestellen deutlich an eine Straßenbahn angelehnt: Linie G in Straßburg, Foto: TTK [Eintrag-Id:494828] Strasbourg_1_low.bmp](/servlet/is/495021/Strasbourg_1_low.bmp)
Auch darüber hinaus ist der Betrieb der Linie G stark an dem einer Straßenbahn angelehnt: Die Fahrzeuge sind hochwertig, Haltestellen und Betriebszeiten gleichen denen der Straßenbahn. Nicht zuletzt wird die Linie G auch gemeinsam mit den Straßenbahnen vermarktet. Die Liniennummer G schließt direkt an die Liniennummern A bis F der Straßenbahn an [TTK18].
Das Konzept ist durchaus erfolgreich, denn mittlerweile nutzen etwa 11.000 Fahrgäste pro Tag die Linie G. Aus diesem Grund ist eine Verlängerung der Strecke um 2,8km geplant, welche unter Umfahrung des Stadtzentrums bis zum Parc des Etoiles (südöstlich der Innenstadt) geführt werden soll. Dadurch verspricht man sich 14.000 zusätzliche Fahrgäste auf der Linie G und eine Entlastung der Straßenbahnen vor allem im Bereich der Station Homme de Fer (Stadtzentrum). Die Fertigstellung ist für 2021 geplant, nachdem das Projekt 2017 gestartet ist, ein weiteres Beispiel dafür, dass BHNS-Systeme in relativ kurzen Zeiträumen errichtet werden können [Str18].
![Abb. 2: geplante Verlängerung der Linie G in Straßburg [Eintrag-Id:495020] Strasbourg_2_low.jpg](/servlet/is/495021/Strasbourg_2_low.jpg)
Auch in Deutschland gibt es Potenzial, mit beschleunigten, höherwertigen Bussystemen den ÖPNV attraktiver zu gestalten. 38 Städte über 100.000 Einwohner haben derzeit kein höherwertigen ÖPNV und müssen mit einem herkömmlichen Stadtbussen auskommen [TTK18]. Hier könnten BHNS-Systeme Abhilfe schaffen. Doch auch die Ergänzung bereits bestehender Stadt- und Straßenbahnen nach Straßburger Vorbild bietet Chancen, den ÖPNV in deutschen Großstädten zu stärken.