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Zielkonflikte hinsichtlich der Lärmminderung im Schienenverkehr

Erstellt am: 27.06.2003 | Stand des Wissens: 05.12.2024

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

Prinzipiell kann festgestellt werden, dass eine Vielzahl technischer Verfahren entwickelt wurden, die eine Reduzierung der durch den Schienenverkehr verursachten Schallimmissionen zu bewirken vermögen. Den Bemühungen, entsprechende Lärmsenkungsmaßnahmen letztendlich in effektivem Umfang umzusetzen, stehen jedoch zwei wesentliche Problemfelder gegenüber.

Kosten für die Lärmsanierung des deutschen Schienennetzes
Im Jahr 1999 wurde ein Bundesprogramm zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen entlang der Schienentrassen gestartet. Es war anfänglich mit einem Finanzierungsvolumen von 51 Millionen Euro pro Jahr ausgestattet [BMVBW02l, S. 2 ff.]. Bereits 2006 wurde das Lärmsanierungsbudget das erste Mal aufgestockt [BMVBS07b] und seit dem Jahr 2016 stehen nun insgesamt 150 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung [DBAG11l, S. 3, BMVI18i, S. 4]. Gemäß dem Nationalen Verkehrslärmschutzpaket II vom 27. August 2009 wurde die Förderung auf konstantem Niveau weitergeführt. Dabei soll durch den Einsatz von innovativen Technologien der Lärmsanierungsbedarf, welcher auf 2,5 Milliarden EUR beziffert wird, bis 2020 ausgeglichen werden. [BMVBS09l]. Laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr wurden seit 1999 bis 2024 insgesamt 1,7 Milliarden Euro aus den Mitteln des Programms Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes" für den stationären Lärmschutz entlang von Schienenwegen investiert. 

Hindernisse bei der Implementierung lärmarmer Fahrzeugtechnologien

Neue lärmarme Technologien wie die Verbundstoff-Bremssohle stehen zwar zur Verfügung, die Schienengüterverkehrsbetreiber sind jedoch aufgrund fehlender wirtschaftlicher Anreize nicht gewillt, mit deren Einführung verbundene Kosten zu übernehmen. Rechtliche Regelungen für eine Förderung fahrzeugseitiger Lärmsenkungsmaßnahmen im Rahmen des durch den Bund getragenen Lärmsanierungsprogramms wurden erst in jüngster Vergangenheit geschaffen und dienen zunächst einer weiterreichenden Erprobung entsprechender Lösungsansätze [DBAG10b, S. 8 ff.; FlVo08, S. 792 f.]. Aufgrund der im intermodalen Vergleich ausgesprochen langen Einsatzzeiten von Schienengüterfahrzeugen (nicht selten 30 bis 40 Jahre) scheint die Beschränkung auf eine akustische Optimierung von Neufahrzeugen nicht ausreichend. Lärmvorteile des neu beschafften Rollmaterials würden durch laute Altfahrzeuge in gemischten Zügen stark vermindert. Hinzu kommt die Problematik des grenzüberschreitend-freizügigen Wageneinsatzes, welcher auch in der Bundesrepublik Deutschland zu hohen Fremdfahrzeugraten führt. Eine national beschränkte Umrüstung würde somit ebenfalls in ihrer Wirkung stark eingeschränkt. Die Europäische Kommission hat den in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Handlungsbedarf bereits erkannt und adressiert (vgl. in diesem Zusammenhang [EUKOM08e, S. 3]).
Mit der Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems zum Fahrplanwechsel 2012 soll der Betrieb lärmreicher Fahrzeuge sanktioniert werden. Davon wird sich ein höherer betriebswirtschaftlicher Druck für die Anwendung innovativer Technologien durch alle Trassennutzer erhofft. [BMVBS11r; DBAG12l] Seit dem 13.12.2020 ist der Einsatz von lauten Güterwagen auf dem deutschen Schienennetz untersagt [BMVI19as, S. 49]. Der damit verbundene Rückgang beim Schienenlärm um bis zu zehn Dezibel hat eine Halbierung des Lärms entlang der Trassen bewirkt.
Ansprechperson
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Lärmemissionen des Schienenverkehrs (Stand des Wissens: 30.01.2025)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?312886
Literatur
[BMVBS07b] o. A. Tiefensee: Flüstergüterwaggons reduzieren Lärmbelästigung, 2007/02/02
[BMVBS09l] o.A. Nationales Verkehrslärmschutzpaket II - "Lärm vermeiden - vor Lärm schützen", Bonn, 2009/08/27
[BMVBS11r] o. A. Eckpunktevereinbarung zur Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems auf dem Schienennetz der DB Netz AG, 2011/07/05
[BMVBW02l] DBBauProjekt Lärmsanierung an Schienenwegen des Bundes, 2002/04
[BMVI18i] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes, 2018/07/01
[BMVI19as] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Lärmschutz im Schienenverkehr, BMVI, Berlin, 2019/05/20
[DBAG10b] Koch, Bernhard Lärmminderung an Bahnstrecken, 2010/03/31
[DBAG11l] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen des Bundes, 2011/02
[DBAG12l] o.A. Bundesverkehrsministerium und Bahn planen lärmabhängiges Trassenpreissystem, 2012/11/14
[EUKOM08e] o. A. Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugbestand - Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, 2008, 2008/07/08
[FlVo08] Fleckenstein, Martina, Vogt, Constantin Schienenverkehrslärm halbieren - das Ziel der Deutschen Bahn, veröffentlicht in Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe/Auflage 12/08, DVV Media Group GmbH / Hamburg , 2008/12, ISBN/ISSN 0013-2845
Weiterführende Literatur
[ScKe00] Kettner, Joachim, Dipl.-Ing., Ostermayer, Ulrich, Dipl.-Ing., Schmeiss, Hans-Joachim, Dr. Dipl.-Ing. Bahn-Agenda 21 - für eine nachhaltige Entwicklung bei der Deutschen Bahn AG, veröffentlicht in Eisenbahningenieurkalender, Tetzlaff Verlag Hamburg, 2000, ISBN/ISSN 3-87814-50809-8
[Gess02] Geßner, Rolf, Dr.-Ing. Schienenverkehrslärm-Senkung der Rad/Schiene-Geräusche, veröffentlicht in Eisenbahningenieur, Ausgabe/Auflage 6, 2002, ISBN/ISSN 0013-2810
Glossar
dB(A) Messgröße des A-bewerteten Schalldruckpegels zur Bestimmung von Geräuschpegeln. Die dB-Skala ist logarithmisch aufgebaut, d. h. eine Verdoppelung der Lärmintensität führt zu einer Erhöhung um 3 dB. Das menschliche Ohr empfindet eine Erhöhung um 10 dB als Verdoppelung der Lautstärke. Hierzu ist eine Schallintensitätsverzehnfachung erforderlich. Der Zusatz "(A)" gibt an, dass dem betreffenden Messergebnis die standardisierte A-Berwertungskurve zugrunde liegt. Sie berücksichtigt einen nichtlinearen frequenz- und pegelabhängigen Zusammenhang zwischen subjektiv wahrgenommenem Läutstärkepegel und vorliegendem Schalldruckpegel. So empfindet das menschliche Gehör bspw. mittlere Frequenzen im Vergleich zu niedrigen Frequenzgängen als wesentlich lauter, weshalb die Einheit dB(A) entsprechende Tonhöhen stärker gewichtet. Ein gesundes Ohr kann bereits einen Schalldruck von 0 dB (A) wahrnehmen (Hörschwelle), bei Werten über 120 dB (A) wird die Geräuschbelastung unerträglich laut (Schmerzgrenze). Eine Langzeiteinwirkung von über 85 dB(A) zieht u. U. dauerhafte Gehörschäden nach sich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?49434

Gedruckt am Samstag, 22. Februar 2025 18:43:46