Einführung von Lärm-Emissionsgrenzwerten im Schienenverkehr
Erstellt am: 27.06.2003 | Stand des Wissens: 01.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Emissions- und Immissionsnormen bilden ein wichtiges politisches Instrument zur Lärmminderung. Im Gegensatz zum Straßen- und Luftverkehr existierten für Schienenfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland vergleichsweise lange Zeit keine verbindlichen Emissionsgrenzwerte. Im Rahmen des nationalen Verkehrslärmschutzpakets II ist geplant, die Geräuschgrenzwerte für alle Verkehrsträger - über die bereits erreichten Grenzwertverschärfungen hinaus - deutlich abzusenken. So soll zum Beispiel die Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr um 30 Prozent, die Lärmbelastung durch Schienenverkehr sogar um 50 Prozent gesenkt werden. [BMVBS09l, S. 2 f.]
Fahrzeugseitige Vorschriften
Fahrzeugseitig liegen für Schienenfahrzeuge in Deutschland, anders als im Straßenverkehr, keine Schallemissionsgrenzwerte vor. Europaweit haben bisher nur Österreich (1993), Italien (1998) und Finnland (2000) entsprechende Grenzwerte festgelegt [EUKOM01l, S. 6; Oegr2006, S. 28]. Doch Mitte der Nullerjahre wurden mit den Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) indirekt europarechtliche Regelungen auch für in Deutschland eingesetzte Schienenfahrzeuge verbindlich eingeführt. Diese TSI beinhalten Lärmgrenzwerte für neu zugelassene Schienenfahrzeuge des konventionellen sowie des Hochgeschwindigkeitsverkehrs. [2008/232/EG, 3.6.4; 2011/229/EU, 3.3.1] Aufgrund der Beschränkung der Grenzwerte auf Neufahrzeuge und der langen Lebenszeit von Schienenfahrzeugen werden lärmsenkende Grenzwerte allerdings erst auf lange Sicht zu einem Rückgang der heutigen Lärmbelastung führen [KoWi03, S. 740].
Die TSI-Grenzwerte gelten andererseits auch für Waggons des Schienengüterverkehrs, die grenzüberschreitend eingesetzt werden. Damit ist ein erheblicher Teil des Güterwagenparks von den TSI-Regelungen betroffen [Wiem05, S. 12]. Für Güterwagen liegt der Grenzwert für das Vorbeifahrgeräusch bei 83 Dezibel(A), der entsprechende maximale Dauerschallpegel für Diesellokomotiven bei 85 Dezibel(A). [2014/1304/EG, S. 429].
International gültige Grenzwerte bestehen nach dem UIC-Merkblatt 651 derzeit nur für den Innenschallpegel im Triebfahrzeugführerraum [AsAn02, S. 365].
Streckenseitige Vorschriften
Die rechtlichen Immissionsvorgaben werden in Deutschland durch die 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) von 1990 bestimmt. Demnach gelten an Neubaustrecken und Strecken, an denen wesentliche Änderungen vorgenommen wurden (Kriterien: siehe [UBA01g, S. 8 f.]), feste Immissionsgrenzwerte, die im zeitlichen Mittel nicht überschritten werden dürfen (z. B. reine Wohngebiete 59 Dezibel(A) tagsüber/49 Dezibel(A) nachts) [16. BImSchV, § 1 Abs. 1]. 'Zeitlich gemittelt' bedeutet, dass einzelne Fahrzeuge höhere Schalldruckpegel verursachen dürfen, wenn anschließend lange genug kein weiteres Fahrzeug vorbeifährt. [RaSc03, S. 706]
Für bestehende Eisenbahnanlagen gibt es in Deutschland dagegen [noch] keine Grenzwerte. Für diese Strecken gilt der sogenannte Bestandsschutz, weshalb es keine Rechtsgrundlage zur Anwendung von Schallschutzmaßnahmen gibt [Heim98a, S. 437; KoWi03, S. 739]. Angesichts der zunehmenden Lärmbelastung der Bevölkerung durch Güterzüge (zum Beispiel Rheinschiene) hat der Gesetzgeber schließlich ein freiwilliges Lärmsanierungsprogramm aufgelegt, im Zuge dessen seit 1999 Lärmsanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Es wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gegenwärtig mit 100 Millionen Euro pro Jahr finanziert. [BMVBW05; DBAG09d, S. 18].
Schallpegelermittlung
In der 16. BImSchV ist unter anderem die Vorschrift zur Berechnung der Beurteilungspegel für Schienenwege enthalten [Schall03]. Diese Berechnung schreibt der Gesetzgeber zwingend vor; Messungen sind jedoch nicht vorgesehen. Einfluss auf die berechnete Höhe der Immissionen haben insbesondere die Anzahl, Art und Geschwindigkeit der Schienenfahrzeuge, die Fahrbahnart und der Abstand des Immissionsortes zum Schienenweg. [16. BImSchV, Anlage 2].
Geräuschbelastungen, die auf Rangier- und Umschlagbahnhöfe zurückzuführen sind, werden ebenfalls nach der Schall03 ermittelt. Von Schienenfahrzeugen auf Betriebs- oder Werksgelände generierte Emissionen zählen nicht zum Schienenverkehrslärm. Sie sind Bestandteil des Gewerbelärms, der in der TA Lärm geregelt ist.