Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Wirtschaftlichkeit für Carsharing-Betreiber

Erstellt am: 09.11.2018 | Stand des Wissens: 12.01.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Neben der Wirtschaftlichkeit für den Carsharing-Nutzer sind im Carsharing-Markt auch die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber von Bedeutung.
Lange Zeit existierte in Deutschland das Carsharing nur auf ehrenamtlicher Basis. Heutzutage beschäftigen nur noch wenige ehrenamtlich engagierte Carsharing-Vereine ehrenamtliche Mitarbeiter und Mini-Jobber, wie die Vaterstettener Autoteiler e.V. In kleineren Städten und Dörfern kann vorrangig durch ehrenamtliche Einsatzbereitschaft ein sonst nicht finanzierbares Carsharing-Angebot ermöglicht werden. Durch die ehrenamtliche Arbeit sinken die Kosten für die Flotte und das Personal. Aufgrund der engeren nachbarschaftlichen Beziehungen im Dorf wird zudem ein gewisses Gemeinschaftsgefühl gefördert [BMVI16w].
Ab einer bestimmten Flottengröße ist ein Carsharing-Angebot auf rein ehrenamtlicher Basis allerdings nicht mehr leistbar. Um im Carsharing-Geschäft wirtschaftlichen Erfolg zu haben, müssen die Betreiber folgende Faktoren umsetzen:
  • Optimierung der Flottenauslastung (bei gleichzeitig ausreichender Verfügbarkeit der Fahrzeuge) und Optimierung der Preisstruktur zur Deckung der Kosten
  • Verknüpfung mit Angeboten des öffentlichen Verkehrs (ÖV) (auch Nähe zum ÖV)
  • Synergien mit anderen Anbietern
Für eine optimale Auslastung sollte die Flotte eines Carsharing-Anbieters flexibel an die Nachfrage angepasst werden. Nachfrageschwankungen treten auch bedingt durch die Jahreszeiten auf. Im Winter wird aufgrund der geringen Carsharing-Nutzung die Flotte reduziert. In den wärmeren Monaten wird die Flotte dann wieder aufgestockt [Rid18].
Die Anbieter des Carsharings und des ÖV können mittels eines Mobilitätspakets mit kombinierten Carsharing-/ ÖV-Angeboten neue Kundengruppen gewinnen, die sonst die andere Mobilitätsdienstleistung nicht nutzen würden [Rid18]. Die Kundenbindung wird durch Sondertarife beider Anbieterseiten erhöht. Vor allem durch zielgruppenspezifische Angebote können weitere Kunden für das Carsharing gewonnen werden, wie zum Beispiel durch einen Studierenden-Tarif beim Carsharing. Bei der Registrierung beim Carsharing-Unternehmen Flinkster profitieren zum Beispiel alle Bahncard-Kunden. Es fällt unter anderem keine Registrierungsgebühr an [DBAG18e]. Durch personalisierte Werbekampagnen und Medien werden weitere Kundengruppen angesprochen. Etliche Betreiber von Hotels oder Freizeitaktivitäten nutzen diese Chance und kooperieren mit dem Carsharing-Anbieter [ZEIT15c].
Die Automobilhersteller Daimler AG und BMW Group nutzen durch ihren Zusammenschluss zu dem Free-Floating-Carsharing-Anbieter Share Now die gegenseitigen Synergien. Insgesamt verweist Share Now im Jahr 2019 auf drei Millionen Kunden [ShNo21].
Im Hinblick auf die Angebotsentwicklung bis zum Prognosejahr 2025 werden die Free-Floating-Anbieter und die stationsbasierten Anbieter folgende Strategien versuchen umzusetzen:
Um die Nachfrage und Wirtschaftlichkeit zu steigern, benötigen die Anbieter des Free-Floatings eine hohe Kundenanzahl. Daher werden Free-Floating-Betreiber nur in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern Free-Floating anbieten. Die Angebotsdichte soll in den bereits bestehenden Städten weiterhin erhöht werden.
Die stationsbasierten Anbieter wollen hingegen in alle Bereiche expandieren. In den Großstädten wird das Angebot analog zur steigenden Nachfrage ausgedehnt. In kleineren Städten werden Basisangebote geschaffen. Mit der Unterstützung von der Politik kann gerechnet werden, da eine Einführungsphase in dünn besiedelten Regionen nicht eigenwirtschaftlich erfolgen kann [ifmo16b].
Umfassende Veränderungen im Carsharing-Markt (und in der Pkw-Besitzstruktur) können bei Marktreife autonomer Fahrzeuge eintreten. Autonom fahrende Carsharing-Flotten können ein kostengünstigeres ÖV-Basisangebot als heutzutage im Sinne der Daseinsvorsorge außerhalb von Ballungsräumen schaffen. Diese Entwicklungen sind aber nicht vor dem Jahr 2025 zu erwarten [ifmo16b]. Ein Carsharing-Zielszenario für urbane Räume ist ein mit den Hauptlinien des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) integriertes System von autonomen Kleinbussen auf Nachfrage. Auch in ländlichen Regionen können diese sogenannten On-Demand-Kleinbusse eine Rolle spielen. Autonomes Carsharing soll ergänzend für Wegezwecke zur Verfügung stehen, welche das Angebot der Massentransportmittel des ÖPNV nicht abdeckt. Dies soll die Städte entlasten, die benötigte Verkehrsfläche reduzieren und mehr Platz für Lebensqualität schaffen [BuCa21c, S. 19].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Carsharing (Stand des Wissens: 20.02.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?56435
Literatur
[BMVI16w] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Modellregionen Elektromobilität (Hrsg.) Elektromobilität im Carsharing Status Quo, Potenziale und Erfolgsfaktoren, 2016/05
[BuCa21c] bcs - Bundesverband CarSharing e.V. (Hrsg.) Jahresbericht 2020/2021 - CarSharing in Deutschland, 2021
[DBAG18e] Deutsche Bahn AG Konzern (Hrsg.) Flinkster Carsharing - Exklusiver Mietwagenservice der Bahn, 2018
[ifmo16b] Institut für Mobilitätsforschung (Hrsg.) Carsharing 2025 Nische oder Mainstream?, 2016
[Rid18] Herdtle, Carolin, Parzinger, Gerhard , Grausam, Michael , Müller, Ulrich, Rid, Wolfgang Carsharing in Deutschland. Potenziale und Herausforderungen, Geschäftsmodelle und Elektromobilität., Ausgabe/Auflage 1. Auflage, Wiesbaden: Springer Vieweg , 2018, ISBN/ISSN 978-3-658-15905-4
[ShNo21] Share Now (Hrsg.) SHARE NOW trotzt der Pandemie mit gutem Geschäftsjahr 2020, 2021/01/14
[wiwo18a] WirtschaftsWoche (Hrsg.) Wie die Fusion den Carsharing-Markt bewegen würde, 2018/01/25
[ZEIT15c] Zeit Online (Hrsg.) Gratisleihe gegen Werbung, 2015/01/18
[ZEIT18] Zeit Online (Hrsg.) Daimler und BMW legen Carsharing zusammen , 2018/03/28
Weiterführende Literatur
[bcs18d] bcs - Bundesverband CarSharing e.V., Bundesverband CarSharing e.V. (Hrsg.) Einsatz-Szenarien für autonome Fahrzeuge im CarSharing, 2018
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?491595

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 16:47:41