Power-to-X (PtX) im Kontext der Sektorkopplung
Erstellt am: 19.10.2018 | Stand des Wissens: 11.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Wie die gegensätzlichen Ergebnisse der Untersuchungen von [UBA14d] und [ISI17] andeuten, wird der Umfang der künftigen Verwendung von Power-to-Gas (PtG) und Power-to-Liquid (PtL) in der Studienlandschaft uneinheitlich eingeschätzt. Für aus Strom synthetisierte Kohlenwasserstoffe existieren zwar keine grundsätzlichen Beschränkungen der Potentiale wie bei aus Biomasse hergestellten Kraft- und Brennstoffen. Ihre Herstellung ist aber mit einem hohen technischen und energetischen Aufwand verbunden, was sich in geringen Wirkungsgraden well-to-wheel widerspiegelt. Bei Personenkraftwagen (Pkw) beträgt dieser zum Beispiel nur 12 bis 20 Prozent der eingesetzten Energiemenge [SRU17, S. 86]. In einer Studie für den Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) gehen [LBST18] dennoch davon aus, dass der EU-weite Endenergieverbrauch des Verkehrs im Jahre 2050 zu mehr als 70 Prozent von PtG und PtL gedeckt wird, vor allem im Luft-, Schiffs- und Straßengüterverkehr. Die entsprechende Nachfrage nach erneuerbarem Strom des gesamten EU-Verkehrssektors im Jahr 2050 überstiege je nach Szenario die heutige EU-Stromproduktion um Faktor 1,7 bis Faktor 3. Ein entsprechender Ausbau der europäischen Erzeugungskapazitäten wird von [LBST18] zwar technisch für möglich gehalten; aus Kostengründen wird aber von einem starken Import von PtG- und PtL-Produkten beziehungsweise deren Vorläufersubstanzen ausgegangen. Falls es zu einem breiten Einsatz von synthetischen Kraft- und Brennstoffen kommt, was angesichts mangelnder Alternativen für bestimmte Segmente des Verkehrs und Industrieprozesse als wahrscheinlich erscheint, kann die Notwendigkeit solcher Importe ab circa 2030 bis 2050 und darüber hinaus als wissenschaftlicher Konsens angesehen werden [SRU17; PrUD18].
[AgFr18] schätzen, dass synthetisches Methan und Öl in Europa, zum Beispiel auf Basis von Offshore-Windenergie in Deutschland, zunächst etwa 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde (ct/KWh) kosten. Falls die global installierte PtG-/PtL-Kapazität auf etwa 100 Gigawatt stiege, könnten diese Kosten aufgrund von Skalen- und Lerneffekten bis 2050 auf etwa 10 ct/KWh sinken. Das entspricht circa einem Euro pro Liter synthetischem Methan oder Flüssigtreibstoff. In ähnlicher Größenordnung liegt die Schätzung von [PrUD18, S. 21] mit Produktionskosten von 0,7 bis 1,3 Euro pro Liter Flüssigtreibstoff.
Mittel- und langfristig sind Herstellungskosten synthetischer Kraft- und Brennstoffe in außereuropäischen Regionen mit guten Bedingungen zur Stromerzeugung aus Wind- und / oder Photovoltaik geringer als die der europäischen oder inländischen Erzeugung. Ausschlaggebende technische und ökonomische Voraussetzungen für die Errichtung solcher integrierter Power-to-X (PtX)-Erzeugungsanlagen sind vor allem lokal günstige Stromerzeugungskosten und eine hohe Zahl an Volllaststunden [AgFr18, S. 16]. Bei PtX-Anlagen an Standorten mit einer hohen Strahlungsintensität und / oder einem hohen Windaufkommen, zum Beispiel in Nordafrika und im Nahen Osten, wird heute von um rund 40 Prozent niedrigeren Kosten bei gleichen Kapitalkosten ausgegangen [AgFr18, S. 20].
Für die künftige Kostenentwicklung spielen antizipierte technische Innovationen, zum Beispiel zur preiswerten Gewinnung von Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Luft zur Methansynthese (direct capture) eine Rolle. Einfluss auf die Standortwahl haben auch die Transportentfernung nach Deutschland und der Zugang zu Infrastruktur zum Transport von PtX-Produkten. Darüber hinaus weisen [AgFr18] auf politische Risiken hin: zum einen auf mögliche politische Instabilitäten in potentiellen außereuropäischen Erzeugerstaaten, die sich zum Beispiel in höheren Kapitalkosten niederschlügen; zum anderen auf die dauerhaft höheren Kosten von PtX gegenüber fossilen Alternativen. Sie schlussfolgern, dass die avisierten Investitionen und damit verbundenen Kostensenkungen bei synthetischen Brennstoffen ohne politische Intervention beziehungsweise Selbstbindung und / oder eine hohe CO2-Bepreisung nicht zu erwarten sind [AgFr18, S. 23]. Die PtX-Erzeugung und ein sich entwickelnder Weltmarkt für die entsprechenden Produkte kann aber auch bisher vom Export fossiler Energien abhängigen Staaten mit guten Standortbedingungen eine alternative Einnahmequelle bieten und so zum weltweiten Klimaschutz beitragen.