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Reform der Bepreisung von Energie inkl. Kraftstoffen

Erstellt am: 05.10.2018 | Stand des Wissens: 04.11.2021
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Die Energiemärkte in Deutschland sind heute einer Vielzahl unterschiedlicher Gesetze und Regulierungen unterworfen, aus denen Energiepreise folgen, die sich hemmend auf eine bessere Kopplung von Angebots- und Nachfragesektoren, insbesondere den verstärkten Einsatz erneuerbaren Stroms im Verkehrs- und Wärmesektor auswirken, vgl. z.B. [ESYS17, S. 54]. Strom als Energieträger ist durch Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelte um ein Vielfaches höher belastet als Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl. Während die staatlich veranlassten Preisbestandteile von Strom für Haushalte im Jahr 2017 bei 18,7 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh) lagen, kostete Benzin 7,3 ct/kWh, Diesel 4,7 ct/kWh, Erdgas für Heizzwecke 2,2 ct/kWh und Heizöl nur 0,6 ct/kWh, vgl. Abbildung 1. Bis zum Jahr 2021 sind die staatlich veranlassten Strompreisbestandteile von Haushaltsstrom auf 19,1 ct/kWh gestiegen, vgl. [Holm21].
Agora_2017_Energiepreise_Deutschland_klein.pngAbb. 1: Staatlich veranlasste Preisbestandteile für Strom, Gas und Kraftstoffe in Deutschland 2017 ( Quelle: [Agora17, S. 16])
Aufgrund der historisch gewachsenen Struktur der Steuern, Abgaben und Umlagen hat Deutschland die höchsten Strompreise Europas, vgl. [Agora17a, S. 3; EuSt20b]. Der implizite CO2-Preis auf Strom durch EEG-Umlage und Stromsteuer lag 2017 bei insgesamt 185 EUR/t, während die Ökosteuer zu einer impliziten CO2-Bepreisung von 58 EUR/t für Diesel, 65 EUR/t für Benzin, 19 EUR/t für Erdgas und 8 EUR/t für leichtes Heizöl führte, vgl. [Agora17]. Zudem sind die Stromnetzentgelte in Deutschland regional sehr ungleich verteilt, vgl. [Agora17a, S. 56]. Ursächlich für diese Unterschiede in der Bepreisung sind regulatorische Rahmenbedingungen, die in weitgehend voneinander getrennten Sektoren verschiedene, z.T. divergierende Zielsetzungen verfolgten. Dazu zählen ökologische Lenkungswirkungen (z.B. Strom- bzw. Ökosteuer, Emissionshandel), die Refinanzierung von Fördermaßnahmen und sektorspezifischer Infrastruktur (z. B. EEG-Umlage, Netzentgelte), die Erhebung von Finanzmitteln ohne Lenkungswirkung (z. B. Konzessionsabgaben), die Technologieförderung (z. B. abschaltbare Lasten) oder industriepolitische Ziele, vgl. [Wiet18, S. 18].
Das bestehende komplexe regulatorische System für Energie in Deutschland erscheint nicht mehr sachgerecht, da es den Einsatz von strombasierten Sektorkopplungstechnologien und damit einen effizienten Klimaschutz behindert. Ein mögliches Zielmodell für die regulatorischen Rahmenbedingungen sollte sowohl zu einem ökonomisch effizienten Gesamtsystem als auch zu einer weitgehenden Internalisierung von Umweltkosten (u. a. durch CO2-Emissionen) führen; daneben sind ggf. weitere Anforderungen wie Technologieförderung oder das Vermeiden von Carbon Leakage zu erfüllen, vgl. [Wiet18, S. 18]. [Agora17, S. 3] nennt vier Kernelemente für einen grundlegenden Reformansatz:
(1) eine CO2-orientierte Reform der Strom- und Energiesteuern,
(2) eine verursacher- und verteilungsgerechte Finanzierungsbasis für die Netze,
(3) eine sektorübergreifende Finanzierung der Energiewendekosten und
(4) das Einführen von zeitvariablen Tarifkomponenten.
Ein einheitliches Preissignal für CO2 könnte entweder über eine sektorübergreifende Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandels (EU ETS) oder alternativ mit einer CO2-Steuer realisiert werden, die auf EU-Ebene oder ergänzend zum europäischen Emissionshandel auf nationaler Ebene erhoben werden müsste, vgl. z.B. [ESYS17, S. 56]. Eine derartige CO2-Bepreisung würde fossile Energieträger verteuern und auf erneuerbaren Energien basierende Technologien fördern. Solch ein CO2 Preis auf fossile Brennstoffe wurde bundesweit am 1. Januar 2021 eingeführt. Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Umlauf bringen, müssen CO2-Emissionszertifikate kaufen, deren Preise wiederrum an die Konsumenten und Konsumentinnen weitergegeben werden. Bisher beträgt der Preis 25 EUR pro Tonne CO2 und soll bis 2025 auf 55 EUR/t erhöht werden, vgl. [BMU21a].
Für bisher fixe, additive Netznutzungsentgelte und die EEG-Umlage wird u.a. von [JaSa17] eine Flexibilisierung vorgeschlagen. Sektorkopplungstechnologien mit zeitlich flexiblem Strombedarf wie Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge könnten von dieser Dynamisierung profitieren, da ihre Nutzer dann in der Lage wären, Strom zu besonders günstigen Zeiten zu beziehen. Dies trüge zu einem ökologischen, effizienten und systemdienlichen Stromverbrauch bei.
Reformvorschläge für eine verursacher- und verteilungsgerechte Finanzierungsbasis für die Netze setzen an den regulierten Netzentgelten an. Diese Entgeltkomponente dient vor allem der Finanzierung der Stromnetze und des Systembetriebs. Diese fixen Netzkosten werden heute überwiegend durch eine arbeitsabhängige Tarifkomponente gedeckt, obwohl ein Großteil der Netzkosten leistungs- bzw. anschlussabhängig ist, vgl. [Agora17]. Zur künftigen Finanzierung der Energiewendekosten ist davon auszugehen, dass das bestehende Umlagesystem aus EEG- und KWKG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien überarbeitet werden muss. Eine novelliertes EEG trat aus diesem Grund zum 1. Januar 2021 in Kraft und spricht in einem Punkt insbesondere ein Vorantreiben der Sektorkopplung an. Das EEG Gesetzt sieht unter anderem vor, Hersteller von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage zu befreien und Seeschiffe in Zukunft vermehrt mit Landstrom zu versorgen, um den Einsatz von Dieselgeneratoren zu vermeiden, vgl. [BMWi21c]. Um eine Lenkungswirkung hin zu regenerativen Energieträgern zu entfalten wird eine reformierte EEG-Umlage weiterhin zur Sicherstellung der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen erforderlich sein, vgl. [Agora17].
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ökonomische Herausforderungen der Sektorkopplung (Stand des Wissens: 04.11.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?490049
Literatur
[Agora17] Agora Energiewende (Hrsg.) Neue Preismodelle für Energie. Grundlagen einer Reform der Entgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom und fossile Energieträger, 2017/04
[Agora17a] Agora Energiewende (Hrsg.) Energiewende 2030: The Big Picture. Megatrends, Ziele, Strategien und eine 10-Punkte-Agenda für die zweite Phase der Energiewende, 2017/06
[BMU21a] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Fragen und Antworten zur Einführung der CO2-Bepreisung zum 1. Januar 2021, 2021
[BMWi21c] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Hrsg.) Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften, 2021
[ESYS17] Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, aca-tech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.) Sektorkopplung - Optionen für die nächste Phase der Energiewende, 2017/11
[EuSt20b] EUROSTAT (Hrsg.) How much does the energy we consume cost?, 2020
[Holm21] Holm, Linda Marie Strompreiszusammensetzung in Deutschland, 2021
[JaSa17] Jansen , Malte, Sager-Klauß, Christina Das gekoppelte Energiesystem - Vorschläge für eine optimale Transformation zu einer erneuerbaren und effizienten Energieversorgung, 2017
[Wiet18] Wietschel, M., Plötz, P. , Pfluger, B. , Klobasa, M. , Eßer, A. , Haendel, M., Müller-Kirchenbauer, J., Kochems, J., Hermann, L., Grosse, B., Nacken, L. / , Küster, M., Pacem, J., Naumann, D., Kost, C., Kohrs, R., Fahl, U., Schäfer-Stradowsky, S., Timmermann, D., Albert, D. Sektorkopplung - Definition, Chancen und Herausforderungen, 2018
Glossar
Zugumlauf
Der Zugumlauf beschreibt das vollständige Abfahren eines festen Streckenzyklus (Kursverlauf, Haltepunkte etc.) im Rahmen des Fahrplanbetriebs. Die Dauer des Zugumlaufs ist nicht auf einen Kalendertag begrenzt, sondern kann auch längere Zeit in Anspruch nehmen.
EU-Emissionshandelssystem Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) ist ein 2003 vom Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament beschlossenes marktwirtschaftliches Instrument, die im Kyoto-Protokoll gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Anlagenbetreiber (zur Zeit sind etwa 11.000 Fabriken und Kraftwerke erfasst) müssen bei Überschreiten der ihnen fest vorgegebenen Emissionsberechtigungen Strafen bezahlen (100 Euro pro Tonne CO2), sofern keine Zertifikate zur Tilgung vorgelegt werden können. Diese Zertifikate vergeben solche Betreiber, die die o.g. Grenzwerte unterschritten haben. Die Nachweispflicht liegt in jedem Fall bei dem Anlagenbetreiber.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.
kWh
= Kilowattstunde. Die Wattstunde (Einheitenzeichen: Wh) ist eine Maßeinheit der Arbeit und damit eine Energieeinheit. Eine Wattstunde entspricht der Energie, welche eine Maschine mit einer Leistung von einem Watt in einer Stunde aufnimmt oder abgibt.

Im Alltag gebräuchlich und verbreitet ist die Kilowattstunde, das Tausendfache der Wattstunde. In ihr werden vor allem Strom-, aber auch Heizwärmekosten abgerechnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?489994

Gedruckt am Montag, 2. Oktober 2023 16:21:48