Direkte Elektrifizierung des Verkehrssektors im Kontext der Sektorkopplung
Erstellt am: 05.10.2018 | Stand des Wissens: 05.01.2024
Synthesebericht gehört zu:
Das Konzept der direkten Elektrifizierung des Verkehrssektors ist nach der weit überwiegenden Mehrzahl der Studien ein wichtiger Bestandteil der angestrebten Dekarbonisierung des Verkehrs. Insbesondere für den Personenkraftwagen (Pkw)-Verkehr, aber auch für leichte Nutzfahrzeuge und Nahverkehrsbusse kommen batterieelektrische Fahrzeuge in Frage. Der größte Vorteil dieser Antriebsoption ist der vergleichsweise hohe Wirkungsgrad. Deshalb ist nach Übereinstimmung der Studienlandschaft ihr Einsatz künftig überall dort unabdingbar, wo es die Anforderungsprofile und technischen Rahmenbedingungen erlauben [Wiet18; BCPr18]. Die verstärkte Nutzung von Pkw-Elektrofahrzeugen in Deutschland führte nach [Wiet18] bis zum Jahr 2030 zu circa 110 bis 130 Terrawattstunden (TWh) und bis zum Jahr 2050 zu 80 bis 120 TWh zusätzlichem Strombedarf. Dem gegenüber stünden Einsparungen von circa 400 TWh Kraftstoffs aus fossilen Quellen und eine entsprechende Minderung der damit verbundenen Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen [ESYS17, S. 28]. Zudem emittieren Elektrofahrzeuge keine Luftschadstoffe; auch das Niveau der Lärmemissionen liegt deutlich unter dem eines Pkw mit konventionellem Verbrennungsmotor. Im Jahr 2021 schätzte die Prognos AG im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums den Stromverbrauch für das Jahr 2030 auf zwischen 645-665 Terawattstunden. Dabei werden 14 Millionen Elektro-Pkw, 6 Millionen Wärmepumpen und 30 Terawattstunden Strom für grünen Wasserstoff unterstellt [BMWi21d].
Die zusätzlichen Strommengen erscheinen für das Energiesystem realisierbar [Wiet18]. Allerdings müssen mittelfristig Lastspitzen durch das gleichzeitige Laden vieler Fahrzeuge (zum Beispiel abends) vermieden werden, da sonst lokale Engpässe im Verteilnetz auftreten können. Ein Lösungsansatz für diese Problematik wäre das indirekte (über Preissignale) oder direkt gesteuerte Laden. Falls das Laden der Elektrofahrzeuge strompreisgesteuert geschieht, trüge diese Flexibilisierung zu einer guten Umweltbilanz bei, da dann überwiegend Strom in günstigen Stunden mit hoher Einspeisung erneuerbarer Energien genutzt werden kann [Wiet18, S. 38].
Aufgrund der raschen technologischen Entwicklung in den letzten Jahren kann angenommen werden, dass heutige Probleme rein batterieelektrischer Pkw hinsichtlich der Energiedichten, der Batteriekosten, der Batteriehaltbarkeiten und damit zu kurzer Reichweiten in naher Zukunft gelöst sind. Weltweit findet eine sehr dynamische Weiterentwicklung von Batteriezellen und -systemen für die Elektromobilität statt, die sowohl zu einer höheren Leistungsdichte als auch zu signifikanten Kostenreduktionen führt [ESYS17, S. 28]. Der Preis je Kilowattstunde (kWh) Batterieleistung ist allein im Zeitraum 2010 bis 2019 um 77 Prozent gesunken [SRU17, S. 111; Stat21f]. Bereits heute erreichen Modelle der Oberklasse wie der Tesla Model S nach Herstellerangaben Reichweiten bis zu 650 Kilometern (km) mit einer Batterieladung [ADAC21a]. Auch für die Kompaktklasse haben mehrere Pkw-Hersteller (zum Beispiel Nissan, Skoda, VW) Fahrzeuge mit einer elektrischen Reichweite von rund 500 km für die Jahre 2020 bis 2022 angekündigt [ISI17a, S. 43]. Bis 2025 soll die durchschnittliche elektrische Reichweite auf 784 Kilometer ansteigen [HoPa20].
Momentan befindet sich unter Förderung der öffentlichen Hand eine flächendeckende Ladeinfrastruktur in Deutschland im Aufbau. Diese ist essentielle Voraussetzung für die künftige Entwicklung der Elektromobilität.
Seit Juni 2015 wird im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) der Aufbau von Ladepunkten für geförderte Fahrzeuge mit einem Volumen von 551 Millionen Euro unterstützt. Mit der bis 2025 laufenden Förderrichtlinie wurde bereits die Errichtung von 13.325 Ladepunkten gefördert. Darüber hinaus hat das BMVI mit seinem Förderprogramm Ladeinfrastruktur (2017-2020) in die Errichtung von 30.000 Ladepunkten investiert, von welchen 12.000 Ladepunkte auch schon im Betrieb sind [BMVI21o]. Des Weiteren bestehen Vorhaben zur Offensive Ladeinfrastruktur vor Ort, zu der Errichtung einer Schnellladeinfrastruktur sowie zur Verlängerung des Förderprogramms Ladeinfrastruktur.
Stand August 2023 waren der Bundesnetzagentur 101.421 öffentlich zugängliche Ladepunkte gemeldet, davon 19.859 Schnellladepunkte [BNetzA]. Perspektivisch kann davon ausgegangen werden, dass die Verfügbarkeit geeigneter Ladeinfrastruktur für Elektromobilität keinen Engpass darstellt [SRU17, S. 140 f.].
Stand August 2023 waren der Bundesnetzagentur 101.421 öffentlich zugängliche Ladepunkte gemeldet, davon 19.859 Schnellladepunkte [BNetzA]. Perspektivisch kann davon ausgegangen werden, dass die Verfügbarkeit geeigneter Ladeinfrastruktur für Elektromobilität keinen Engpass darstellt [SRU17, S. 140 f.].
Während leichte Nutzfahrzeuge ähnliche Charakteristika und Anforderungsprofile wie Pkw aufweisen, einer direkten Elektrifizierung über Batterien also nichts im Wege steht, ist die Situation bei schweren Nutzfahrzeugen (12 bis 40 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht) anders. Für den Fernverkehr mit schweren Lkw ist derzeit nicht absehbar, dass sich die Technik batterieelektrischer Fahrzeuge zur Marktreife weiterentwickeln lässt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass auch künftig das bisher sehr hohe Volumen und Gewicht der mitzuführenden Batterien einem Einsatz im Langstreckengüterverkehr mit dem Lkw entgegensteht [SRU17]. Deshalb beleuchten aktuelle Studien [WiGn17; BCPr18; DeEw18], die Möglichkeit der Einführung von Oberleitungen für die wichtigsten Strecken des deutschen Autobahnnetzes. [BCPr18] und auch [DeEw18] orientieren sich dabei an der Machbarkeitsstudie [WiGn17] und unterstellen für ihre Szenarien zwischen 4000 und 8000 km der höchstbelasteten Autobahnstrecken als mit Oberleitungen ausgestattet. Abbildung 1 zeigt beispielhaft für die [DeEw18]-Szenarien, wie dieser Ausbau von statten gehen könnte.
Nach aktueller Straßenauslastung würden mit Oberleitungen für Lkw bei 4000 km 64 Prozent der Straßengüterverkehrsleistung auf Bundesautobahnen erreicht; bei 8000 km wären 91Prozent der Güterverkehrsleistung abgedeckt. Damit ließen sich zu relativ moderaten Kosten von circa 7 bis 10 Milliarden EUR für 4000 km Oberleitungen 10 bis 12 Millionen t CO2-Emissionen pro Jahr vermeiden [WiGn17]. Die entsprechenden Oberleitungs-Lkw wären Hybridfahrzeuge und verfügten für Strecken abseits der ausgestatteten Autobahnen neben dem direkt versorgten Elektromotor über einen sekundären Antriebsstrang. Dieser könnte entweder über mittelgroße Batterien [SRU17, S. 143], oder von einem klassischen Verbrennungsmotor mit aus erneuerbaren Energien erzeugtem Kraftstoff betrieben werden. Erste Teststrecken für Oberleitungs-Lkw sind bereits in Betrieb. Auch für Fernbusse kann diese Technik perspektivisch eine relevante Rolle spielen. [Wiet18] weisen zu Recht darauf hin, dass die Nachfrage nach Oberleitungsstrom durch Lkw-Fernverkehr vermutlich inflexibel sein wird und verweisen auf weiteren Forschungsbedarf zu dem Thema.
Die Schiene ist bereits heute ein energieeffizienter und vergleichsweise klimaverträglicher Verkehrsträger [SRU17, S. 164 ff.]. Im Jahr 2019 waren circa 63 Prozent des gesamten Schienennetzes der bundeseigenen DB Netz elektrifiziert, auf dem aber rund 74 Prozent aller Zugkilometer abgewickelt wurden. Im Güterverkehr wurden 2019 annähernd 90 Prozent, im Fernverkehr 97,5 Prozent aller Zugkilometer elektrisch zurückgelegt. Das Potential für weitere Elektrifizierung ist vor allem Nebenstrecken zuzurechnen, die vom Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bedient werden. 2019 wurden 240 Millionen Zugkilometer im SPNV per Dieseltraktion erbracht, was circa 36 Prozent der Gesamtleistung des SPNV entspricht [BMVI21p]. Eine rasche und umfassende Elektrifizierung von Nebenstrecken scheint aus klimapolitischen Erwägungen heraus geboten. Unter wirtschaftlichen Aspekten können künftig auch alternative Schienenantriebe in Form von batterieelektrischen oder Brennstoffzellenfahrzeugen eine Rolle spielen [DENA18a].. Um das Ziel einer hundertprozentigen Elektrifizierung aller gefahrenen Zugkilometer bis 2050 zu erreichen, hat das BMVI das Anfang 2019 verabschiedete Elektrifizierungsprogramm für die Schiene weiterentwickelt. Das Programm besteht aus vier Investitionsschwerpunkten, siehe Abbildung 2 [BMVI21p].Mit Stand 2020 sind 61 Prozent der bundeseigenen Schienenwege elektrifiziert [NOW20b].
Die Schiene ist bereits heute ein energieeffizienter und vergleichsweise klimaverträglicher Verkehrsträger [SRU17, S. 164 ff.]. Im Jahr 2019 waren circa 63 Prozent des gesamten Schienennetzes der bundeseigenen DB Netz elektrifiziert, auf dem aber rund 74 Prozent aller Zugkilometer abgewickelt wurden. Im Güterverkehr wurden 2019 annähernd 90 Prozent, im Fernverkehr 97,5 Prozent aller Zugkilometer elektrisch zurückgelegt. Das Potential für weitere Elektrifizierung ist vor allem Nebenstrecken zuzurechnen, die vom Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bedient werden. 2019 wurden 240 Millionen Zugkilometer im SPNV per Dieseltraktion erbracht, was circa 36 Prozent der Gesamtleistung des SPNV entspricht [BMVI21p]. Eine rasche und umfassende Elektrifizierung von Nebenstrecken scheint aus klimapolitischen Erwägungen heraus geboten. Unter wirtschaftlichen Aspekten können künftig auch alternative Schienenantriebe in Form von batterieelektrischen oder Brennstoffzellenfahrzeugen eine Rolle spielen [DENA18a].. Um das Ziel einer hundertprozentigen Elektrifizierung aller gefahrenen Zugkilometer bis 2050 zu erreichen, hat das BMVI das Anfang 2019 verabschiedete Elektrifizierungsprogramm für die Schiene weiterentwickelt. Das Programm besteht aus vier Investitionsschwerpunkten, siehe Abbildung 2 [BMVI21p].Mit Stand 2020 sind 61 Prozent der bundeseigenen Schienenwege elektrifiziert [NOW20b].
![Abb. 2: Investitionsschwerpunkte des Elektrifizierungsprogrammes [Eintrag-Id:542220] Elektrifizierungsprogramm.png](/servlet/is/489956/Elektrifizierungsprogramm.png)