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Herausforderungen und Lösungsansätze der Transformation des Sektors Verkehr im Kontext der Sektorkopplung

Erstellt am: 05.10.2018 | Stand des Wissens: 11.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Der Verkehr weist von allen Energienachfragesektoren Deutschlands nach der Industrie den höchsten Endenergieverbrauch auf. Im Jahr 2021 stammten circa 92,8 Prozent davon aus fossilen Energieträgern [UBA20u]. Erneuerbare Energien kommen im Verkehrssektor derzeit vor allem über Beimischungsquoten von Biodiesel und Bioethanol zu konventionellen Kraftstoffen zum Einsatz; nur circa 1,9 Prozent der aufgewandten Endenergie wird - vorrangig im Bahnsektor - aus Strom gewonnen.
Im Gegensatz zu zum Teil erheblichen Minderungen in anderen Sektoren, insbesondere der Industrie, stieg der Endenergieverbrauch im Verkehrsbereich seit 1996 bis 2018 um 0,5 Prozent auf 2.705 Petajoule (PJ) [BMVI19ah]. Der mit Abstand höchste Energieverbrauch aller Modi ist dem Straßenverkehr zuzuordnen, wie Abbildung 1 deutlich macht. Dies ist sowohl auf dessen großen Anteil an der gesamten Verkehrsleistung, als auch den hohen spezifischen Energieverbrauch pro Verkehrsleistungseinheit zurückzuführen.
Endenergieverbrauch nach Verkehrstraegern.pngAbb. 1: Endenergieverbrauch nach Verkehrsträgern von 1996 bis 2018 [BMVI19ah] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)

Für die Zukunft werden weitere substantielle Steigerungen der Verkehrsleistung aller Modi vorausgesagt. So geht die Verflechtungsprognose 2030, die der aktuellen Bundesverkehrswegeplanung zugrunde liegt, im Zeitraum 2010 bis 2030 von plus 12,2 Prozent der Verkehrsleistung im motorisierten Individualverkehr (MIV) und plus 38Prozent im Straßengüterverkehr Deutschlands aus, vgl. [ITP14a]. Das Erreichen der sektoralen Kohlenstoffdioxid (CO2)-Minderungsziele der Bundesregierung (minus 32,5 Prozent des Endenergieverbrauchs bis 2030, weitgehende Dekarbonisierung bis 2045 [BMWi19f]) ist demnach mit großen Herausforderungen verbunden. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), welcher in seinem Gutachten Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor für das ambitioniertere Minderungsziel von 95 Prozent bis 2050 plädiert, schlägt dazu eine umfassende Dekarbonisierungskaskade für den Verkehrssektor vor. Diese folgt dem Verlauf der Emissionsentstehung und besteht aus Maßnahmen der Verkehrsvermeidung und -bündelung, der Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsträger sowie einer Steigerung der Energieeffizienz und der Energieversorgung aus regenerativen Quellen für das Verkehrssystem der Zukunft, vgl. [SRU17, S. 77 f.].
Hier soll sich auf grundsätzliche technologische Optionen für den Verkehrssektor mit Bezug zur Sektorkopplung konzentriert werden. Diese bilden einen zentralen Baustein für alle Anstrengungen zur Erreichung von CO2-Minderungszielen. Sie zielen auf eine direkte oder indirekte Elektrifizierung des Verkehrs mittels Strom aus erneuerbaren Energien ab. Daneben können Kraftstoffe aus Biomasse in einem gewissen Maße zur Zielerreichung beitragen. Abbildung 2 zeigt die grundsätzlichen Antriebsoptionen und die dazugehörigen Prozessketten beispielhaft für Pkw. Diese Optionen kommen - mit spezifischen Einschränkungen aufgrund der Charakteristika und Anforderungsprofile der jeweiligen Fahrzeuge - auch für andere Verkehrsmittel in Betracht.
SRU_2017_energetischer_Gesamtwirkungsgrad_PKW_Antriebskonzepte_klein.pngAbb. 2: Antriebsoptionen für Pkw und ihr energetischer Gesamtwirkungsgrad [SRU17, S. 86]
Technisch möglich sind drei verschiedene Konzepte, um Fahrzeuge mit Strom aus erneuerbaren Quellen anzutreiben. Den höchsten energetischen Wirkungsgrad weist dabei die direkte Elektrifizierung durch den Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen auf; er beträgt für die gesamte Prozesskette (well to wheel) 70 bis 80 Prozent der eingesetzten Energiemenge. Mehr als doppelt so viel Strom für die gleiche Kilometerleistung benötigen nach aktuellem technischen Stand Brennstoffzellen-Pkw. Für den Betrieb der Brennstoffzellen wird über Elektrolyse Wasserstoff hergestellt; dieser wird zurück in Strom gewandelt, der wiederum einen Elektromotor antreibt. Bei all diesen Prozessen treten Umwandlungsverluste auf. Die dritte Option ist der Antrieb eines klassischen Verbrennungsmotors mit synthetisch hergestellten, flüssigen oder gasförmigen Kraftstoffen aus Biomasse oder Strom. Ihr Wirkungsgrad liegt im Falle von Power-to-X (PtX) nur bei 12 bis 20 Prozent der ursprünglich eingesetzten Energiemenge; es wird also vier- bis sechsmal so viel Strom für die gleiche Strecke benötigt, wie es bei batterieelektrischen Fahrzeugen der Fall ist.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ökonomische Herausforderungen der Sektorkopplung (Stand des Wissens: 05.01.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?490049
Literatur
[BMVI19ah] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Verkehr in Zahlen 2019/2020, Ausgabe/Auflage 48. Jahrgang, 2019
[BMWi19f] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Hrsg.) Energieeffizienzstrategie 2050, 2019
[ITP14a] BVU Beratergruppe Verkehr+Umwelt GmbH, Intraplan Consult GmbH, IVV-Ingenieurgruppe für Verkehrswesen und Verfahrensentwicklung, PLANCO Consulting GmbH, Schubert, Markus, Kluth, Tobias, Nebauer, Gregor, Ratzenberger, Ralf, Kotzagiorgis, Stefanos, Butz, Bernd, Schneider, Walter, Leible, Markus Verkehrsverflechtungsprognose 2030 - Schlussbericht, 2014/06/11
[SRU17] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Hrsg.) Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor, 2017/11
[UBA20u] Umweltbundesamt (Hrsg.) Endenergieverbrauch 2019 nach Sektoren und Energieträgern, 2020
Glossar
Biomasse Biomasse umfasst:
  • Reststoffe wie z.B. Restholz, organische Abfälle (Biomüll, Gülle etc.), Stroh sowie
  • Energiepflanzen wie z.B. Raps, schnell wachsende Baumarten, Energiegetreide, Miscanthus.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
Power-to-X
Power-to-X ist ein Oberbegriff für verschiedene technologische Verfahren, bei denen elektrische Energie in chemische Energie oder in Wärme umgewandelt wird. Dies ermöglicht eine Speicherung und anderweitigen Nutzung von Stromüberschüssen in Zeiten eines Überangebotes variabler erneuerbarer Energien wie Solarenergie, Windenergie und Wasserkraft.
Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad gibt an, welcher Anteil der zugeführten Energie bei einer Umwandlung in die gewünschte Energieform umgewandelt wird, und beschreibt damit die Effizienz beispielsweise einer technischen Anlage.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?489940

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 19:35:27