Steigerung der Energieeffizienz im Kontext der Sektorkopplung
Erstellt am: 04.10.2018 | Stand des Wissens: 11.12.2023
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Durch die weitgehende (gegebenenfalls indirekte) Elektrifizierung der Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie kommt es künftig im Vergleich zum Status quo zu einem insgesamt steigenden Strombedarf. Das macht neben einem Kapazitätsausbau bei der Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen auch eine Reduktion spezifischer Energieverbräuche durch eine höhere Energieeffizienz erforderlich. [LeMü23]
Die inländische Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wird künftig bei einigen regenerativen Energiequellen an Grenzen stoßen. Beispielsweise ist nach einem Großteil der Studien wegen Flächenknappheit und Nutzungskonkurrenzen zu Nahrungsmitteln keine wesentliche Steigerung der Nutzung von Biomasse möglich. Ebenso sind kaum größere Kapazitätssteigerungen bei der Energiegewinnung aus Wasserkraft oder Geothermie zu erwarten. Das Energiesystem der Zukunft wird also weitgehend von der Photovoltaik und der Windkraft (off shore und on shore) bestimmt sein, wie die Studienübersichten bei [AEE16] oder [SRU17] nahelegen. Auch hier ist mit wachsenden Beschränkungen bei der künftigen Errichtung von Stromerzeugungskapazitäten zu rechnen. Zum einen dürften die besten Lagen für Solar- und landseitige Windkraftanlagen zuerst erschlossen werden, zum anderen ist bei sehr starkem Zubau dieser Anlagen beziehungsweise zugehöriger Hochspannungsleitungen mit zunehmenden Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung rechnen. Deshalb muss die Steigerung der Energieeffizienz über alle Verbrauchssektoren eine zentrale Säule künftiger Klimaschutzpolitik sein. Gemäß [HaLe23] hat die Akzeptanz in der Bevölkerung bezüglich Technologien aufgrund des Klimawandels sowie der Energiekrise bereits zugenommen. Kurz- und mittelfristig werden durch sie Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen eingespart. Langfristig hilft eine höhere Effizienz auch, besonders knappe Ressourcen des Energiesystems wie Biomasse in Anwendungen mit begrenztem Substitutionspotential zu kanalisieren und das notwendige Ausmaß an Zubau in den Netzinfrastrukturen für erneuerbare Energien zu begrenzen [ISI17, S. 2].
Für den Industriesektor sehen [BCPr18] in ihrem 80 Prozent-Reduktionspfad vor allem Potentiale bei Verbesserungen der Energieeffizienz durch eine stärkere Durchdringung und bessere Auslegung effizientester Querschnittstechnologien wie Öfen, Antrieben, Pumpen und Beleuchtung. Bei konsequenterer Ausnutzung dieser Potentiale prognostizieren sie einen gegenüber dem Referenzszenario um rund 21 Prozent sinkenden Endenergieverbrauch des Sektors bis 2050 [BCPr18, S. 51]. [Quas16, S. 18] nimmt für den Bereich der Prozesswärme der Industrie in seinem mit Effizienzmaßnahmen-Szenario mit dem Zeithorizont 2040 eine 30 prozentige Effizienzsteigerung an, während in [UBA14d, S. 230] beim gesamten Endenergiebedarf der Industrie sogar von Einsparpotentialen von 50 Prozent (2010 bis 2050) ausgegangen wird.
Energieeffizienzgewinne sind auch bei der Raumwärme von Gebäuden essentiell. Dabei kommt der Gebäudedämmung beziehungsweise -sanierung in Kombination mit hocheffizienten elektrischen Wärmepumpen eine große Bedeutung zu. Prinzipiell ließe sich der Raumwärmebedarf durch optimale Dämmmaßnahmen und Wärmerückgewinnung gegenüber heute um mehr als 80 Prozent verringern [Quas16, S.15]. Eine durchschnittliche Reduzierung um mehr als 25 bis 50 Prozent erscheint [Quas16] im von ihm untersuchten Zeitraum bis 2040 allerdings wenig realistisch. [BCPr18, S. 55] hingegen legen bereits ihrem 80 Prozent-Szenario einen ambitionierten Mix aus der Steigerung der jährlichen durchschnittlichen Sanierungsrate bei gleichzeitiger Erhöhung der mittleren Sanierungseffizienz von Wohngebäuden, besonders energieeffizienten Neubauten, einem deutlichen Ausbau der Fernwärme in urbanen Gebieten, dem beschleunigten Einbau von Wärmepumpen im Gebäudebestand und einer stärkeren Durchdringung der Solarthermie zugrunde. Damit werden im Jahr 2050 in diesem Segment CO2-Minderungen von 90 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 erreicht.
Auch wenn im Verkehrssektor die langfristig größten Einsparpotenziale an CO2 durch einen Technologiewechsel auf energieeffizientere batterieelektrische Personenkraftwagen (Pkw), hybride Oberleitungs-Lastkraftwagen (Lkw) und Power-to-X (PtX)-Antriebe für den Luft- und Schiffsverkehr gesehen werden, sind auch hier Maßnahmen zur Steigerung der spezifischen Energieeffizienz unabdingbar. Zum einen, um mit knappen Energieressourcen zu haushalten, zum anderen, weil auch mittelfristig noch erhebliche Teile der Fahrzeugflotten mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Neben dem Umstieg auf alternative Antriebskonzepte werden in [SRU17, S. 93] insbesondere eine Verringerung von Fahrwiderständen durch eine verbesserte Aerodynamik oder eine Gewichtsreduktion der Fahrzeuge, die Verringerung des Energiebedarfs von Nebenverbrauchern sowie die Verbesserung des Wirkungsgrades von Antriebstechnologien durch technische Optimierungen genannt. Nach [ifeu17, S. 22] liegt das Potential zur Senkung des spezifischen Energieverbrauchs konventioneller Pkw (inklusive Hybridfahrzeugen) bei bis zu 50 Prozent. [MGMB16] kommen zu dem Ergebnis, dass für europäische Pkw mit Verbrennungsmotor bereits bis zum Jahr 2025 eine Minderung der spezifischen Emissionen von über 40 Prozent gegenüber dem Durchschnitt in 2015 möglich ist. Die Steigerung der Energieeffizienz durch technische Maßnahmen kann als No-Regret-Strategie betrachtet werden, da auch alternative Antriebsformen von den erzielten Einsparungen profitieren.