Leitfaden Großprojekte (BMDV)
Erstellt am: 02.10.2018 | Stand des Wissens: 11.11.2024
Synthesebericht gehört zu:
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat auf Grundlage des Berichts der Reformkommission einen Leitfaden Großprojekte (2017) veröffentlicht. Dieser soll der Umsetzung der Kommissionsempfehlungen dienen und die Richtlinien für Planung, Kostenermittlung und Genehmigungen entsprechend gestalten [BMVI18h, S. 1]. Die durch das Befolgen der empfohlenen Maßnahmen gesteigerte Transparenz, Kostenwahrheit und Termintreue bei Großprojekten sollen zudem das Vertrauen der Bürger in solche komplexen öffentliche Bauvorhaben stärken.
Der in erster Linie für den Bundesverkehrswegebau entwickelte Leitfaden empfiehlt entlang eines typischen Projektverlaufs Handlungsschritte für die verschiedenen Entwicklungs- und Realisierungsphasen des Projekts. Der Leitfaden stellt dabei eine ganzheitliche und partnerschaftliche Betrachtung der Risiken und Ressourcen des Vorhabens in den Mittelpunkt.
Neben konkreten Handlungsempfehlungen für die Projektentwicklung und -realisierung stellt das BMDV mit dem Leitfaden Muster, Anleitungen und andere Hilfestellungen für Projektträger zu Verfügung.
Abbildung 1 veranschaulicht die verschiedenen Phasen, in die das Beispielprojekt im Leitfaden des BMDV gegliedert wird. Erkennbar sind auch die verschiedenen Prüfstationen, die einzelnen Projektphasen vorgelagert sind.
Die Projektstruktur besteht aus den folgenden Phasen:
- Phase 0 Projektvorbereitung
Da viele für den Projekterfolg wesentliche Entscheidungen bereits vor Projektbeginn getroffen werden, empfiehlt das BMVI einen erhöhten Ressourceneinsatz für die Projektvorbereitung, in der das verbindliche Grundgerüst für den weiteren Projektverlauf zu entwickeln ist [BMVI18h, S. 2]. - Grundlagenermittlung, Vorplanung, Raumordnungsverfahren
Neben der Klärung von Rahmenbedingungen für die folgenden Planungsschritte empfiehlt der Leitfaden für den Schritt der Grundlagenermittlung und Vorplanung auch die frühzeitige Etablierung eines Risiko- und Änderungsmanagements sowie eines effizienten Kontrollsystems. In diesem Zuge wird der Einsatz von Prüfstationen empfohlen, zu dem der Leitfaden verschiedene Arbeitshilfen bereitstellt [BMVI18h, S. 14]. - Entwurfsplanung
Das Ziel der Entwurfsplanung ist laut BMDV die Ausarbeitung eines planfestellungsreifen Entwurf[s] der Verkehrsanlage [BMVI18h, S. 18]. Um das Großprojekt auch in diesem Schritt kosten-, termin- und qualitätsgerecht vorzubereiten, wird der Einsatz einer Prüfstation empfohlen, in der unter anderem die Kosten, Termine und Risiken des entwickelten Entwurfs kontrolliert werden. - Genehmigungsplanung
Die Erstellung der Planunterlagen für das Planfeststellungsverfahren [VwVfG, §72ff.] soll abermals in einer Prüfstation einer Kontrolle unterzogen werden, bevor in die nächste Projektphase übergegangen wird. Auch in diesem Schritt empfiehlt der Leitfaden zudem die Fortführung des Risikomanagements, um die Validität der erstellten Unterlagen sicherzustellen. - Planfeststellungsverfahren
Im Planfeststellungsverfahren wird die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens festgestellt. Bei erfolgreichem Planfeststellungsbeschluss wird dem Träger das Baurecht für sein Projekt erteilt [VwVfG, §72ff.]. Neben der Fortführung des Risikomanagements wird die Klärung offener Fragen für die Projektvergabe empfohlen. - Ausführungsplanung
Auf Grundlage der vorherigen Projektphasen wird in diesem Schritt die Ausführung des Vorhabens vorbereitet. Neben der Fortführung von Projektorganisation und -zieldefinition empfiehlt der Leitfaden hier vor allem die Entwicklung eines sinnvollen Änderungsmanagements für die Bauphase. Erneut sollen die Planungen in einer Prüfstation unter anderem auf Aktualität, Änderungen, sowie Kosten- und Termingerechtheit kontrolliert werden [BMVI18h, S. 29]. - Vorbereitung und Durchführung der Vergabe
Die in den vorangestellten Projektphasen entwickelten Entwürfe und Unterlagen werden laut Leitfaden in diesem Schritt für die Projektvergabe finalisiert und weitergeführt. Bei der Vergabe empfiehlt das BMDV, nicht allein auf Grundlage des Angebotspreises zu entscheiden, sondern die verschiedenen Angebote ganzheitlich nach preislichen und qualitativen Kriterien zu beurteilen, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln [BMVI18h, S. 35]. Ferner sollen die Grundlagen für eine partnerschaftliche Projektzusammenarbeit [BMVI18h, S. 36] zwischen dem Bauherren und anderen Projektbeteiligten gelegt werden. - Baudurchführung
Der Leitfaden empfiehlt für die Realisierung des Großprojekts eine Überwachung durch eine externe Projektleitung oder -steuerung. Darüber hinaus erläutert das BMDV hier weitere Schritte für das Risikomanagement, eine partnerschaftliche Projektzusammenarbeit und Möglichkeiten der Streitbeilegung in der Bauphase. So soll zum Beispiel das vorher etablierte Änderungsmanagement frühzeitig auf Risiken reagieren, die erst in der Projektrealisierung erkennbar werden (zum Beispiel nicht termingerechte Materialverfügbarkeit oder Kontaminationen im Baubestand). Bei Konflikten soll aus Termin- und Kostengründen je nach Gegebenheiten auf ordentliche Gerichte verzichtet und stattdessen auf interne Konfliktlösungsmechanismen, Schlichtungsverfahren oder Schiedsgerichte zurückgegriffen werden [BMVI18h, S. 40 bis 41]. Das Projekt endet mit der Bauabnahme und dem Übergang in die Gewährleistungszeit [BMVI18h, S. 39].
Da wesentliche Entscheidungen in frühen Projektphasen getroffen werden, kommt es vor allem darauf an, mehr Ressourcen in die Projektvorbereitung zu investieren, um verlässliche Planungsdaten zu schaffen und wenig Änderungsbedarf zu programmieren. Weiter gilt es, Erfahrungen aus Referenzprojekten auch internationalen Projekten zu nutzen, um frühzeitig ein realistisches Bild von Projektablauf und möglichen Störungen zu gewinnen. Ähnliches gilt für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, da im Falle von Großprojekten die standardisierten Kosten-Nutzen-Verfahren der BVWP nicht ausreichen, sondern durch integrierte Bewertungsverfahren (Wirtschaft, Umwelt, Energie, Soziales) unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen ergänzt werden können [Roth19].