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Flugverlauf

Erstellt am: 03.05.2018 | Stand des Wissens: 12.06.2023
Synthesebericht gehört zu:

In den letzten Jahren gab es verschiedene Ansätze und Maßnahmen, um die Sicherheit während des Flugverlaufs zu steigern. Dabei handelt es sich hauptsächlich um technische Neuerungen sowie Veränderungen für Pilot und Crew.
Im Jahr 2016 hat der Deutsche Bundestag neben der flugmedizinischen Untersuchung für Piloten auch gesetzliche Drogen- und Alkoholtests beschlossen, denen sich Piloten bereits im Verdachtsfall unangekündigt unterziehen müssen [VC16]. Die Pilotenvereinigung Cockpit macht sich dagegen für eine gesetzliche Verankerung sogenannter Peer-Support-Programme stark, das heißt eine engmaschige Betreuung des Flugpersonals durch Psychologen und Ärzte. [VC18b].
Ein weiterer Risikofaktor im Flugverlauf stellt die Müdigkeit von Piloten dar. Befragungen zufolge ist jeder zweite Pilot der Meinung, dass diese Frage bei den Fluggesellschaften nicht die nötige Beachtung findet. Circa ein Drittel der über 7.000 befragten Piloten ist darüber hinaus der Meinung, dass aufgrund von Personalmangel Piloten ihre Arbeit nicht sicher ausführen können [RePa16].
Unausgeruhte Piloten sind aufgrund eingeschränkter Reaktionsgeschwindigkeit, Entscheidungsfindung und Gedächtnisleistung ein Sicherheitsrisiko des Flugverkehrs. 20 Prozent der Unfälle, bei denen menschliches Versagen zugrunde liegt, können auf Piloten zurückgeführt werden, die zehn Stunden oder länger im Dienst waren. Die European Cockpit Association (ECA) hat bereits im Jahr 2008 Flight Time Limitations (FTL) veröffentlicht, an die sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union halten müssen. Sie beinhalten eine maximale Arbeitszeit von 60 Stunden verteilt auf sieben Tage, maximal 13 Stunden Flugzeit am Tag gefolgt von einer Mindest-Ruhezeit von zwölf Stunden am Heimatflughafen beziehungsweise mindestens zehn Stunden Erholungszeit bei Stopps unterwegs [Alli14].
Ein weiterer Kritikpunkt, mit dem Piloten immer wieder konfrontiert werden, ist die zunehmende Automatisierung im Cockpit, wodurch das manuelle Fliegen nicht oft genug praktiziert wird und im Ernstfall nicht mit der nötigen Routine abgerufen werden kann.
Das wohl größte Argument gegen eine zunehmende Automatisierung im Flugzeug ist der fehlende gesunde Menschenverstand. Menschen können aufgrund ihrer Kreativität improvisieren und neue Lösungswege in kritischen Situationen finden, während das mit technischen Mitteln schwierig umzusetzen ist. Die Pilotenvereinigung Cockpit fordert daher ein regelmäßiges Training des manuellen Fliegens, um diese Fähigkeit zu erhalten. Die EASA (European Aviation Safety Agency) empfiehlt das Ausschalten des Autopiloten in der Luft, sofern es die Gesamtsituation erlaubt, um auch während des Reisefluges weiter zu trainieren [EASA13b].
Zur Verbesserung der Sicherheit während des Fluges wurde in den letzten Jahrzehnten eine Reihe technischer Neuerungen eingeführt. Neben modernen Navigationssystemen (Global Positioning System GPS), welche die Position eines Flugzeuges auf eine Tausendstel Meile genau bestimmen können [Alli14], zählt hierzu auch die Einführung sogenannter Kollisionswarnsysteme (Trafic Alert and Collision Avoidance System - TCAS), wodurch sich die Anzahl gefährlicher Annäherungen von Flugzeugen (Near Misses) verringert hat. Das System funktioniert unabhängig von Radar-Einrichtungen am Boden und reagiert, sobald sich ein anderes Flugzeug der eigenen Maschine im Umkreis von 25 Kilometern nähert. [LHTe18]. 
In den letzten Jahren wurde das Thema Fume Events in wissenschaftlichen Studien und Debatten häufig diskutiert. Dabei handelt es sich um gesundheitsschädigende Substanzen in der Kabinenluft. Bisher wird die Flugzeugkabine mit Zapfluft aus den Triebwerken versorgt, wodurch teilweise hoch legierte Triebwerksöle und Hydraulikflüssigkeiten in die Kabine und somit in die Atemluft der Passagiere und der Crew gelangen können. Dabei können beispielsweise Organophosphate freigesetzt werden, die sich auf die Enzymsysteme des Körpers auswirken und die Leistungsfähigkeit der Piloten einschränken [VC15]. Forscher der Universität Göttingen untersuchten Menschen, die nach Flügen über Beschwerden klagten, und fanden schädliche Stoffgemische in deren Körpern, welche vermutlich aus den Triebwerken stammen [Airl16a]. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) kommt auf Basis der Untersuchung von 633 Vorfällen bei Fluggästen und -personal unerklärlicher Gerüche und Dämpfe zwischen den Jahren 2006 und 2013 zu dem Schluss, dass es dabei keine relevanten Einschränkungen der Flugsicherheit gegeben habe [Airl14a].
Ein anderer Ansatz der Luftversorgung wird bisher in der Boeing 787 verwendet, bei der keine Zapfluft zum Einsatz kommt, sondern die Kabinenluft aus der unmittelbaren Umgebung des Flugzeuges entnommen wird [VC15]. 


Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Flugsicherheit (Safety) (Stand des Wissens: 12.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?484059
Literatur
[Airl14a] Airliners (Hrsg.) Flugunfall-Behörde will neue Vorgaben gegen Dämpfe an Bord, 2014/05/07
[Airl16a] Airliners (Hrsg.) Göttinger Forscher finden Schadstoffe in Luft von Flugzeugkabinen, 2016/02/16
[Alli14] Allianz Global Corporate & Specialty (Hrsg.) Global Aviation Safety Study, 2014/12
[BeKu15] Berliner Kurier (Hrsg.) Computertechnik "Fly by Wire" Experte Jörg Handwerg: Diese Schwachpunkte hat der Airbus A320 , 2015/03/25
[EASA12a] European Aviation Safety Agency - Europäische Agentur für Flugsicherheit (Hrsg.) DECISION No 2012/001/R OF THE EXECUTIVE DIRECTOR OF THE EUROPEAN AVIATION SAFETY AGENCY, 2012
[EASA13b] European Aviation Safety Agency - Europäische Agentur für Flugsicherheit (Hrsg.) EASA Safety Information Bulletin, 2013/05
[LHTe18] Lufthansa Technik (Hrsg.) TCAS: Sicherheit während des Fluges, 2018
[RePa16] T.W. Reader, A. Parand, B. Kirwan European Pilots Perceptions of Safety Culture, 2016/11/28
[VC15] Vereinigung Cockpit e.V. (Hrsg.) SafeSKY 2016, 2015/11/10
[VC16] Vereinigung Cockpit e.V. (Hrsg.) Wichtige Änderung in der Flughafenbenutzungsordnung (fbo) in Berlin, 2016/01/05
[VC18b] Vereinigung Cockpit e.V. (Hrsg.) Peer Support Programme, 2018
Glossar
EASA Die European Aviation Safety Agency (EASA) ist die Europäische Agentur für Flugsicherheit der Europäischen Union (EU). Die EASA wurde am 15. Juli 2002 gegründet. Sie bereitet Gesetzesvorschläge vor und berät Kommission und Mitgliedstaaten der EU zum Thema Flugverkehr. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Harmonisierung und Umsetzung geeigneter Umwelt- und Sicherheitsstandards in der Zivilluftfahrt für das gesamte EU-Gebiet.
TCAS Das Traffic Alert and Collision Avoidance System ist die US-amerikanische Bezeichnung für ein Warnsystem zur Verhinderung von Flugzeugkollisionen im Luftraum. Das bordautonome System nutzt das Transpondersignal anderer Flugzeuge, um die Flugrichtungen und Flughöhen mit der eigenen zu vergleichen und ermittelt aus deren Antworten ein Sicherheits-Lagebild. Das Sytem errechnet aus den empfangenen Daten, ob, und wenn ja, wann mit einer Kollision mit einem auf gleicher Flugfläche fliegenden Flugzeug zu rechnen ist. In Abhängigkeit der Entfernung des möglichen Kollisionsgegners gibt das Sytem eine TA (Traffic Advisory = Verkehrshinweis) oder eine RA (Resolution Advisory = Ausweichempfehlung) aus.
Radar Radio Detecting and Ranging Dieses elektromagnetische Ortungsverfahren beruht auf dem Prinzip des Echos. Man unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärradar.
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?483882

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 22:22:41