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Herausforderungen bei der Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen

Erstellt am: 24.04.2018 | Stand des Wissens: 11.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Seit den Terroranschlägen 2001 in den USA müssen Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen höheren Anforderungen und einer höheren Qualität gerecht werden [Gran15]. Die gesellschaftliche und politische Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Sicherheitsinteressen, Datenschutz und der Wahrung der Grundrechte bei den Sicherheitskontrollen zu finden [Stüc10]. Dabei muss auch das gesellschaftliche Spannungsfeld zwischen persönlicher Freiheit und gewährleisteter Sicherheit beachtet werden, da dieses maßgeblich die Akzeptanz der Sicherheitsmaßnahmen durch die Passagiere beeinflusst. Derzeit werden Sicherheitstechniken kontrovers diskutiert, was eine Umsetzung erschwert. Methodisch lässt sich daher die Akzeptanz der Sicherheitsmaßnahmen auf verschiedenen Ebenen (beispielsweise Passagiere, Flughäfen) durch sogenannte Akzeptanzmodelle bewerten [Gran15]. Wie die Aufhebung des Paragraf 14 Absatz 3 LuftSiG (Abschuss eines entführten Flugzeugs durch das Militär) durch das Bundesverfassungsgericht zeigt, ist die Frage der Einschränkung der Grundrechte zur Gewährleistung der Sicherheit eine der entscheidenden Herausforderungen bei der Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen.

Die zunehmende Globalisierung hat eine immer engere Vernetzung von Nationen und Wirtschaftsräumen zur Folge, was sich hinsichtlich des Flugverkehrs insbesondere in einem stetigen Anstieg des Güteraufkommens und in zunehmenden Passagierzahlen ausdrückt [TWBD18; TWBD18a].Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, müssen nicht nur sicherheitsbezogene Kapazitäten wie Kontrollstellen entsprechend erweitert werden, sondern es ist darüber hinaus auch eine Ausweitung der überregionalen Zusammenarbeit, beispielsweise in Form einheitlicher Sicherheitsstandards, nötig [ACI16]. Dabei sind bei der Auslegung solcher Standards verschiedenste Kriterien zu beachten. So sind kulturelle, religiöse und soziodemographische Aspekte zu berücksichtigen, um eine möglichst hohe Akzeptanz von Sicherheitsmaßnahmen zu erreichen [Gran15].

Durch den Vertrag von Lissabon hat eine Liberalisierung des Sicherheitsmarktes stattgefunden, wodurch auch private Unternehmen als Beliehene Sicherheitsmaßnahmen für den Staat übernehmen können [EUV2007]. Intention der Liberalisierung war eine Kostenreduktion im Sicherheitssektor und die Schaffung von Synergieeffekten. Zusätzlich hofft man auf ein zukünftiges strategisches Geschäftsfeld mit Wachstumspotenzial [Stüc10]. In Deutschland ist die Unterbeauftragung von Sicherheitsfirmen für Sicherheitsmaßnahmen durch eine Beleihung nach Paragraf 16a LuftSiG geregelt [LuftSiG]. Die Sicherheitsfirmen führen alle Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen durch, haben dafür jedoch lediglich eine Befehls- und Zwangsgewalt kraft Gesetz zur Verweigerung des Zutritts und keine Befugnis zur Durchsetzung von Sicherheitskontrollen. Die privaten Unternehmen handeln somit lediglich als verlängerter Arm der öffentlichen Hand (in Deutschland der Bundespolizei) und unter deren Aufsicht [Stüc10]. Weiterhin erfordern die hohen Sicherheitsanforderungen Zuverlässigkeitsprüfungen des Flughafenpersonals (vergleiche Paragraf7 LuftSiG [LuftSiG]), was negative Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von benötigtem Personal haben kann (vergleiche beispielsweise in Berlin im Jahr 2017 [Thio17]).

Laut Paragraf 8 LuftSiG haben die Flughafenbetreiber dafür zu sorgen, dass die Sicherheitskontrollen auf dem aktuellen technologischen Standard eingerichtet sind [LuftSiG]. Dies ist unter anderen am Beispiel der Bodyscanner zu beobachten, die vermehrt auf europäischen Flughäfen eingesetzt werden. Sie sollen die Qualität der Sicherheitskontrollen steigern und den Ablauf für den Passagier angenehmer gestalten, ohne dessen Grundrechte oder Datenschutzbestimmungen zu verletzen [Stüc10]. Die Kosten für die neue Technologie müssen bisher von den Flughafenbetreibern und den Fluggesellschaften getragen werden, jedoch fließen die Einnahmen aus der sogenannten Sicherheitsabgabe (vergleiche LuftSiGebV) direkt zurück an die Bundespolizei [TGS17]. Insgesamt sind Kosten der Sicherheitsmaßnahmen eine zentrale Herausforderung.

Schließlich ist die Unvorhersehbarkeit von Angriffen auf die Luftsicherheit eine systemimmanente Herausforderung, der nur schwer begegnet werden kann, weshalb Sicherheitsmaßnahmen oft nur reaktiv auf Ereignisse ergriffen werden können [WaBo14].
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Schutz und Regulierung des Luftverkehrs (Security) (Stand des Wissens: 11.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?483070
Literatur
[ACI16] Airports Council International (Hrsg.) Security at airports, veröffentlicht in ACI Policy and Recommended Practices Handbook, Ausgabe/Auflage 8., 2016/11
[Gran15] Stephan Grandt Entwicklung eines Referenzvorgehensmodells zur multikriteriellen Bewertung innovativer Sicherheitstechniken, Universität Wuppertal, 2015
[Stüc10] Hans-Peter Stückler Privatisierung der Sicherheit - unter Berücksichtigung der Erfahrungen des BM.I mit der Besorgung von Sicherheitsaufgaben durch private Rechtsträger, Universität Wien, 2010
[TGS17] Tagesschau (Hrsg.) Sicherheitscheck - Bund soll zuzahlen, 2017
[Thio17] Laurence Thio Air-Berlin-Kunden müssen auch an Ostern warten, 2017/04/09
[TWBD18] The World Bank Data (Hrsg.) Air transport, passengers carried, 2018
[TWBD18a] The World Bank Data (Hrsg.) Air transport, freight (million ton-km), 2018
[WaBo14] Katrin Wagner, Wolfgang Bonß (Hrsg.) Risikobasiert versus One Size Fits All. Neue Konzepte der Passagierüberprüfung im Luftverkehr., veröffentlicht in SIRA Conference Series, Ausgabe/Auflage 3, 2014
Rechtsvorschriften
[EUV2007] Vertrag von Lissabon
[LuftSiG] Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?482955

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 10:29:26