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Interoperabilität der Systeme durch Standardisierung im digital vernetzten Güterverkehr

Erstellt am: 12.01.2018 | Stand des Wissens: 21.08.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die mangelnde Vernetzung unterschiedlicher IT-Systeme, fehlende Branchenstandards und die nur teilweise gegebene Interoperabilität der europäischen Verkehrsinfrastrukturen hemmen die Weiterentwicklung des Güterverkehrssystems. Zur Nutzung der hohen Effizienzpotenziale der aktuellen technischen Entwicklungen muss ein Fokus auf die Weiterentwicklung von Standards für Schnittstellen zwischen allen Bereichen gelegt werden [Roeh16].

Auf Ebene der Europäischen Union fordern die Verkehrsministerien eine einheitliche Koordinierung und unionsweite Interoperabilität des kooperativen, vernetzten und automatisierten Fahrens. Im November 2016 verabschiedete die Europäische Kommission diesbezüglich eine europäische Strategie für kooperative intelligente Verkehrssysteme (C-ITS), die das Ziel verfolgte, bis zum Jahr 2019 die großflächige gewerbliche Einführung von C-ITS zu ermöglichen. Den angestrebten zeitlichen Rahmen legte die Industrie durch die erklärte Absicht fest, mit dem groß angelegten Einsatz kooperativer intelligenter Verkehrssysteme (C-ITS) ab 2019 beginnen zu wollen. Die Strategie formuliert Empfehlungen für Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen, wobei als Hauptziele die Dienstkontinuität (die unionsweite Verfügbarkeit der C-ITS-Dienste für die Endnutzenden) sowie die Verhinderung eines fragmentierten Binnenmarkts auf dem Gebiet der C-ITS genannt werden [EUKo16b]. Die Europäische Kommission konzentrierte sich innerhalb der Strategie auf die Dienste, die technisch so ausgereift sind, dass sie sich kurz- oder mittelfristig einführen lassen und zudem als äußerst gewinnbringend eingestuft werden. Hierzu gehören Warnsysteme, die beispielsweise vor langsamen oder stehenden Fahrzeugen, vor Straßenarbeiten oder Wetterbedingungen alarmieren. Des Weiteren werden Verkehrszeichen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen im Fahrzeug, Geschwindigkeitsempfehlungen bezüglich einer grünen Welle oder kooperative Fahrzeugdaten in die Untersuchung der Maßnahmen miteingeschlossen [EUKo16b]. Für die C-ITS-Einführung dieser Dienste in der Europäische Union und zur Erreichung der genannten Hauptziele fordert die Kommission die Festlegung technischer C-ITS-Kommunikationsprofile sowie die Entwicklung von Testverfahren, um anschließend die Interoperabilität dieser Profile überprüfen zu können. Eine gegenseitige Gewährung des Zugangs zu den Profilen soll zudem sicherstellen, dass bewährte Verfahren und Erkenntnisse aus dem realen Betrieb weitergegeben werden. Die Mitgliedstaaten sollten außerdem die Initiative C-Roads nutzen, die im Jahr 2016 gemeinsam von der Kommission und Mitgliedstaaten gestartet wurde und seitdem als Plattform zur Verknüpfung, gemeinsamen Entwicklung technischer Spezifikationen und der Ausdehnung einer standortübergreifenden Interoperabilität genutzt wird [EUKo16b]. Durch die Verabschiedung der benötigten Vorschriften zur schnellen Einführung der Technologie durch die Europäische Kommission im Jahr 2019, konnte der Zeitplan eingehalten und die praktische Umsetzung ermöglicht werden [EuKo19b]. Das C-ITS gehört auch im Jahr 2023 noch zum aktuellen europaweiten Standard in der Informations- und Telekommunikation.

Im Schienengüterverkehr wird ebenfalls eine Verbesserung der technischen Interoperabilität angestrebt. Im Januar 2015 beschloss die Europäische Kommission, bis zum Jahr 2023 die großen europäischen Verkehrskorridore mit dem einheitlichen Eisenbahnverkehrsleitsystem "European Rail Management Traffic System" (ERTMS) auszustatten. Mit der einheitlichen Einführung des Systems soll nach Angaben der Kommission ein komplett interoperabler europäischer Eisenbahnraum geschaffen werden [EuKo17c].

Das "European Train Control System" (ETCS) ist die wichtigste Komponente des ERTMS und soll als einheitlicher Standard die bisherigen Zugleitsysteme ersetzen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) fordert, einen Mindestbestand an ERTMS-fähigen Strecken und Zügen zu erreichen, um die Vorteile des neuen Systems insbesondere auf den transeuropäischen Korridoren nutzen zu können. Ähnliche Bestrebungen werden im Vorhaben der transeuropäischen Netze (TEN-V) geplant, das ebenfalls den europäischen Binnenmarkt durch die Vereinheitlichung der Verkehrssysteme stärken möchte. Der BDI unterstützt darüber hinaus die Stärkung der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) und fordert, dass diese auf die Abschaffung nationaler Sonderregelungen hinwirkt und eine einheitliche Auslegung der Vorgaben der Europäischen Union im technischen Bereich sicherstellt. Zudem erachtet der BDI die Bildung einer zentrierten europäischen Zulassungsorganisation für Bahnfahrzeuge mit dem Ziel einer Flexibilisierung der Verfahrenswege als sinnvoll [Fehler in 'zlise'-Referenz: falsche Kategorie des Zieleintrags].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der digitalen Vernetzung in Güterverkehr und Logistik (Stand des Wissens: 21.08.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?478030
Literatur
[BDI13] Bundesverband der Deutschen Industrie e.V (Hrsg.) Mobilitätsagenda der Deutschen Industrie. Mehr Wettbewerb. Für einen starken Schienenverkehr. , Industrie-Förderung GmbH / Berlin, 2013/11
[EUKo16b] Europäische Kommission (Hrsg.) MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Eine europäische Strategie für Kooperative Intelligent, Brüssel, 2016/11/30
[EuKo17c] Europäische Kommission (Hrsg.) Durchführungsverordnung (EU) 2017/ 6 der Kommission über den europäischen Bereitstellungsplan für das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem., 2017/06
[EuKo19b] Europäische Kommission - Vertreung in Deutschland (Hrsg.) Neue Vorschriften für intelligente Verkehrssysteme, 2019/03/19
[Roeh16] Röhling, Wolfgang, Burg, Robert, Bernecker, Tobias, Boysen, Jens Status quo des Güterverkehrssystems in Deutschland - eine Metastudie unter besonderer Betrachtung der Vernetzung des Verkehrs, 2016/10
Glossar
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
ETCS
Standard eines EU-weit harmonisierten Zugbeeinflussungssystems, welches im Falle einer entsprechenden Streckeninfrastrukturausstattung und Fahrzeugertüchtigung die unterbrechungsfreie Durchführung grenzüberschreitender Schienenverkehre ermöglicht, ohne zu diesem Zweck das triebfahrzeugseitige Mitführen unterschiedlicher, auf nationaler Ebene verwendeter Systemkomponenten vorauszusetzen.

Mit Hilfe von Zugbeeinflussungssystemen lassen sich auf dem Streckennetz stattfindende Fahrten beispielsweise hinsichtlich einer Einhaltung erlaubter Höchstgeschwindigkeiten oder der Befolgung signalisierter Befehle überwachen, um gegebenenfalls automatische Schutzreaktionen auszulösen. So können etwa Triebfahrzeuge, welche ein Halt zeigendes Signal überfahren, selbsttätig zum Stillstand gebracht werden.

In Zukunft wird der automatische Zugbetrieb (Automatic Train Operation, ATO) auf Grundlage des ECTS gebaut.
C-ITS
In C-ITS (Cooperative Intelligent Transport Systems) kommunizieren Fahrzeuge mit anderen Fahrzeugen
sowie mit der Verkehrsinfrastruktur (z. B. Ampel-Systemen), was die Verkehrssicherheit erhöhen soll. Über
signierte C-ITS Nachrichten kann zum Beispiel vor Verkehr aus schlecht einsehbaren Straßen gewarnt oder
über die Länge von Ampelphasen informiert werden.
Unterscheidung zum Glossarbegriff ITS: Während ITS (Intelligent Transport Systems) sich auf digitale Technologien fokussiert, die intelligente Systeme am Straßenrand oder in Fahrzeugen bereitstellen, konzentriert sich C-ITS auf die Kommunikation zwischen diesen Systemen - unabhängig davon, ob es sich um ein Fahrzeug handelt, das mit einem anderen Fahrzeug kommuniziert oder mit anderen C-ITS Systemen.
ITS Intelligent Transportation Systems (ITS) ist der Oberbegriff für Transportsysteme, die Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung des Betriebes einsetzen. ITS-Funktionen unterstützen den Fahrer eines Transportmittels, sie sind damit deutlich von automatischen Transportsystemen zu differenzieren, die auf einen fahrerlosen Betrieb abstellen. Die wichtigsten neuen und zum Teil noch in Entwicklung befindlichen Anwendungsfelder zielen auf (1) Verkehrs- und Transportmanagement (Verkehrsinformationen, Verkehrslenkung, Verkehrs- und Parkleitsysteme, automatische Unfallmeldungen, Meldesysteme zum Gefahrgutmonitoring); (2) Elektronische Systeme zur Gebührenerhebung; (3) Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (dynamische Fahrgastinformationen, Reservierung, spezifische Informationssysteme für Fahrradfahrer und Fußgänger, Steuerung individueller öffentlicher Verkehrsmittel); (4) Systeme zur Unterstützung der Fahrzeugsicherheit (Kollisionsdetektoren, Sektorisierung von Verkehrswegen).
European Rail Traffic Management System
Das European Rail Traffic Management System (ERTMS) ist ein Projekt, dessen Ziel es ist, durch Schaffung von einheitlichen Standards für die infrastruktur- und fahrzeugseitige Eisenbahnsicherungtechnik die EU-weite Interoperabilität des Schienenverkehrs zu erreichen.
Das Projekt zielt auf die vier Bereiche Traffic Management (Betriebsleittechnik), Signalling (Stellwerkstechnik), Train Control System (Zugbeeinflussung) und Voice and Data Communikation (Zugfunk) ab. Konkrete Projekte innerhalb des ERTMS sind Europtirails (grenzüberschreitenden Austausch von Zuglaufinformationen), INESS (Vereinheitlichung der Stellwerkstechnik), ETCS (Zugbeeinflussungssystem) und GSM-R (Zugfunksystem).
Trans-European Transport Network Das Trans-European Transport Network, TEN-T (dt. Transeuropäisches Verkehrsnetz, kurz TEN-V) ist ein Teilnetz der sog. Trans-European Networks, TEN (dt. Transeuropäische Netze, kurz TEN). Zu diesen zählen neben den Verkehrsnetzen bspw. auch Netzwerke der Telekommunikation oder der Energieversorgung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?478024

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 22:51:20