Organisierte Kriminalität
Erstellt am: 06.08.2017 | Stand des Wissens: 22.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung
Der Begriff der organisierten Kriminalität (OK) fasst nach einer Definition der bundesweiten Gemeinsamen Arbeitsgruppe Justiz/Polizei Straftaten zusammen, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig von mehr als zwei Tätern verübt werden. Die Motivation der Täter liegt im Streben nach materiellem Gewinn und/oder Macht. Zum Erreichen der Ziele arbeiten die Beteiligten in gewerblichen oder geschäftsähnlichen Strukturen. Die Verwendung von Gewalt, Einschüchterung und Einflussnahme auf Wirtschaft, Staat und Medien sind elementare Praktiken krimineller Organisationen [BKA17].
In der Regel spezialisieren sich die einzelnen kriminellen Organisationen auf einen Kriminalitätsbereich. Der Rauschgifthandel und -schmuggel stellten 2020 mit 40,4 Prozent aller bekannten organisierten Kriminaldelikte den größten Anteil dar. Ebenso sind Wirtschaftskriminalität (15,5 Prozent), Eigentumskriminalität (12,5 Prozent), und Schleusungskriminalität (10,3 Prozent) häufig vorkommende Straftaten in der organisierten Kriminalität [BKA20].
Aufgrund der erheblichen finanziellen Mittel, mit denen kriminelle Organisationen zum Teil ausgestattet sind, ist die Beschaffung neuer und teurer Technologien für diese leicht zu realisieren [BKA17]. Die Technologie des autonomen Fahrens eröffnet der organisierten Kriminalität neue Möglichkeiten, Abläufe zu beschleunigen und zu anonymisieren. Des Weiteren können Angreifer Schwachstellen von Schnittstellen ausnutzen, um sich Zugang zu wichtigen Fahrzeugfunktionen zu verschaffen oder im Extremfall die Steuerung des Fahrzeugs zu übernehmen [KiMaSch16].
Im Bereich des Rauschgifthandels und -schmuggels finden Technologien wie zum Beispiel Drohnen bereits heute Anwendung, u. a. zum Überwinden von Staats- und Zollgrenzen [Nefz15]. Das autonome Fahren könnte den Schmuggel ebenfalls begünstigen, da die Täter durch den Einsatz von fahrerlosen Fahrzeugen mehr Anonymität erhalten und vor einem direkten Zugriff geschützt werden. Da vor allem der Lastentransport für das autonome Fahren ohne Fahrzeuginsassen vorgesehen ist, könnte der Schmuggel auf den Straßen per LKW daraus erhebliche Vorteile ziehen.
Zudem bringt das autonome Fahren eine neue Anfälligkeit für Erpressungen mit sich. Bereits heute existiert Software (sogenannte Ransomware), die Computer und Maschinen sperren und nur gegen eine Lösegeldzahlung wieder freigeben [Maier16]. In einem System des autonomen Fahrens kann dies nicht nur Privatpersonen treffen, sondern auch zu einer Behinderung des gesamten Verkehrssystems führen, da für die Automatisierungsabläufe häufig ein Zusammenwirken der Fahrzeuge nötig ist [JoMi15].
Nach einer britischen Studie sind diverse Szenarien für Angriffe denkbar, beispielsweise unmittelbare kriminelle Übergriffe (Überfälle, Entführungen, Diebstahl etc.) gegenüber Insassen oder der Ladung eines autonom fahrenden Fahrzeuges [CoJo17]. Werden von autonomen Fahrzeugen Hindernisse erkannt, die nicht umfahren werden können, oder ist die Bilderkennung als solche gestört, stoppt das Fahrzeug. Im Unterschied zu einem menschlichen Fahrer kann das Fahrzeug die Gründe, die diesen Stopp herbeiführen, nicht erkennen. Sind in solchen Situationen Fahrzeuge darauf programmiert oder fehlen gar manuelle Eingriffsmöglichkeiten für die Insassen wie Brems- und Fahrfußhebel bei vollautonomen Fahrzeugen, ist eine Flucht unmöglich [CoJo17]. Derartige Risiken werden derzeit bei dem Entwurf und der Verbreitung von Technologien des autonomen Fahrens nur unzureichend berücksichtigt und lediglich in der genannten britischen Studie breiter thematisiert.