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Regelungsbedarf durch die Komplexität des Verkehrssystems

Erstellt am: 06.08.2017 | Stand des Wissens: 25.05.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung

Ein Verkehrssystem besteht aus den Verkehrselementen, der Verkehrswegeinfrastruktur und der Verkehrsorganisation [ScSc2013], welche funktionell miteinander verknüpft sind [AmHo06]. Das Verkehrssystem Straßenverkehr besteht aus den zu befördernden Personen und Gütern, den Kraftfahrzeugen (Kfz), den Straßen, dem Regelsystem der Straßenverkehrsordnung (StVO) sowie dem Verkehrsleitsystem. Andere Verkehrsteilnehmer, wie Fußgänger und Radfahrer, sind bei der Analyse des Straßenverkehrssystems ebenfalls zu berücksichtigen. Diese hohe Anzahl der Systemelemente und ihrer Verknüpfungen, eventuelle äußere Einflüsse und alternative Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer führen in Verbindung mit der vorhandenen Dynamik im Verkehrssystem zu einer hohen Komplexität desselben.

Im Fall des autonomen Fahrens wird die Komplexität des Verkehrssystems durch den zunehmenden Umfang der Datenströme, den Eintritt bislang externer Akteure (z. B. Telekommunikationsanbieter), die stärkere Verknüpfung der Systemelemente und die wachsende Interdependenz technischer Systeme (z. B. Fahrzeugtechnik / IT) weiter gesteigert.

So entstehen durch die Anzahl der verwendeten Sensoren und die zunehmende Kommunikation zwischen den Fahrzeugen (Car-to-Car) sowie zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (Car-to-Infrastructure) erhebliche Datenvolumina und Kommunikationsströme. Darüber hinaus kann aber auch eine weitere Kommunikation des Fahrzeuges mit dem Heimnetzwerk (Car-to-Home) oder mit privatwirtschaftlichen Infrastrukturen (Car-to-Enterprise) stattfinden [JoMi15].

Eine gesteigerte Komplexität entsteht weiterhin durch den Eintritt neuer Akteure im Straßensystem, diese sind u. a. Anbieter digitaler Karten, welche die Fahrzeuge zum autonomen Fahren benötigen [Greis15].

Auch die verwendete Technik trägt zu einer Komplexitätserhöhung bei. Autonome Fahrzeuge werden beispielsweise mit Sensoren (Ultraschall- und Lasersensoren), Kameras (Mono- und Stereokameras) und Radarsystemen ausgestattet [Comp15]. Der Verkehrsfluss wird ermöglicht durch Entscheidungen die auf den Daten von diesen Sensoren sowie Daten über das Fahrzeug basieren. Lässt dann das Fahrzeug beim vollautonomen Fahren kein manuelles Eingreifen zu, sind dessen Insassen von der fehlerfreien Funktion dieser Systeme abhängig. Durch die Komplexität der Systeme und deren Vernetzung steigt auch die Angriffsfläche für Cyberangriffe [ÖAW16, S. 59].

Konsequenzen der steigenden Komplexität sind u. a. abnehmende Verständlichkeit und Beherrschbarkeit sowie Beschränkungen bei der Sicherstellung bzw. Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit in kritischen Situationen (Resilienz). So kann eine hohe Komplexität des Verkehrssystems dazu führen, dass auftretende Störungen nur sehr langsam oder unzureichend beseitigt werden können. Auf die autonomen Fahrzeuge bezogen könnten Lücken in der IT-Sicherheit auftreten, die nicht sofort geschlossen werden können. Das Risiko, das diese Lücken von Cyberkriminellen ausgenutzt werden, steigt an. Gleichzeitig ist kein Akteur sowohl technisch wie auch organisatorisch dazu fähig, das Gesamtsystem zu übersehen und zu steuern. Weder ein Ausgleich der Partikularinteressen noch eine übergeordnete Koordination finden bislang statt, sodass aufgrund der Komplexität des Verkehrssystems ein erheblicher Regelungsbedarf hinsichtlich Sicherheitsanforderungen, Koordination der Einzelmaßnahmen, Resilienz etc. besteht. Die Sicherheit der Daten und vor allem die physische Sicherheit aller beteiligten Personen muss immer gewährleistet werden.
Ein erster Schritt der Regelung im Bereich der IT-Sicherheit wurde mit der Einführung der ISO/SAE 21434 und der ISO/AWI 24089 getätigt. Nach diesen Regularien müssen Hersteller ab 2024 nachweisen, dass ihre Produkte "cybersicher" entwickelt wurden, ansonsten erhält das Auto in Europ keine Straßenzulassung mehr [auIT21]. Jedoch ist an dieser Stelle zu betonen, dass weiterhin viel Regelungsbedarf hinsichtlich der Security beim Autonomen Fahren besteht [ADAC22].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Security Autonomes Fahren (Stand des Wissens: 27.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?475978
Literatur
[ADAC22] ADAC (Hrsg.) Gesetz zum autonomen Fahren: Diese Regeln gelten, 2022/01/04
[AmHo06] Ammoser, Hendrik, Hoppe, Mirko Glossar Verkehrswesen und Verkehrswissenschaften: Definitionen und Erläuterungen zu Begriffen des Transport- und Nachrichtenwesens, veröffentlicht in Diskussionsbeiträge aus dem Institut für Wirtschaft und Verkehr der Technischen Universität Dresden, Ausgabe/Auflage 2006, 2, Dresden, 2006, Online-Referenz https://www.econstor.eu/handle/10419/22704
[auIT21] automotiveIT (Hrsg.) Alles zur Cybersecurity im autonomen Fahrzeug, 2021/09/09
[Comp15] Computerwoche (Hrsg.) Was steckt hinter dem autonomen Fahren?, veröffentlicht in Computerwoche, Ausgabe/Auflage 2015, 2015/12/29, Online-Referenz https://www.computerwoche.de/a/was-steckt-hinter-dem-autonomen-fahren,3221168
[Greis15] Friedhelm Greis Autonomes Fahren: Wer hat die besten Karten?, 2015/09/02
[JoMi15] Johanning, Volker, Mildner, Roman Car IT kompakt
Das Auto der Zukunft - Vernetzt und autonom fahren, Springer Vieweg, Wiesbaden, 2015, ISBN/ISSN 978-3-658-09967-1
[ÖAW16] Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.) Vernetzte Automobile
Datensammeln beim Fahren - von Assistenzsystemen zu autonomen Fahrzeugen, Ausgabe/Auflage 2016-02 , Wien, 2016, Online-Referenz http://hw.oeaw.ac.at/0xc1aa500e_0x003457d5.pdf, ISBN/ISSN 1819 - 1320
[ScSc2013] Eckehard Schnieder, Lars Schnieder Verkehrssicherheit - Maße und Modelle, Methoden und Maßnahmen für den Straßen- und Schienenverkehr, Springer: Wiesbaden, 2013, ISBN/ISSN 978-3-540-71032-5
Glossar
Verkehrsfluss
Unter Verkehrsfluss versteht man die Anzahl der Fahrzeuge, die eine vordefinierte Verkehrs(quer)fläche pro Zeiteinheit durchfährt.
Car-to-Infrastructure-Kommunikation Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktureinrichtungen wie Funkbaken oder Lichtsignalanlagen auf Basis von Funknetzen
Car-to-Car-Kommunikation direkter Informationsaustausch zwischen fahrenden Fahrzeugen auf Basis von Funknetzen
StVO Die Straßenverkehrsordnung  legt Regeln für sämtliche Straßenverkehrsteilnehmer fest und bildet somit eine Rechtsverordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?473787

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 13:43:20