Wirtschaftliche Folgen des automatisierten Fahrens
Erstellt am: 14.06.2017 | Stand des Wissens: 07.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Die zunehmende Automatisierung des Straßenverkehrs wird auch weitreichende Folgen für die Wirtschaft haben.
Zu den positiven Folgen gehört, dass sich die Kosten, die durch Unfälle und Staus entstehen, deutlich reduzieren werden und dass sich durch die frei gewordene Zeit am Steuer die Produktivität insbesondere von Berufsfahrern und Pendlern steigern kann [ACAT15, S. 15 f.].
Durch den Bedarf an neuen Mobilitätslösungen sei die Innovation gefördert und es entstehen neue Märkte. Die ohnehin weltweit führende deutsche Automobilindustrie erhält damit die Möglichkeit, ihre Produktpalette nochmals zu erweitern. Betreiber von digitalen Plattformen und Diensteanbieter übergreifender Mobilitätslösungen für das automatisierte und vernetzte Fahren erhalten eine wichtigere Rolle in den Wertschöpfungsketten. Durch autonom fahrende Lastkraftwagen und Lieferwagen können die Transport- und Lieferzeiten von Waren durch den Wegfall von Lenk- und Ruhezeiten verkürzt, Fahrpersonal, auch im Verteilerverkehr eingespart, der Bedarf an Lkw-Parkplätzen entlang der Autobahnen deutlich verringert, die Taktfrequenzen sowie Flottenauslastung erhöht und der städtische Warenlieferverkehr auf Zeiten verlagert werden, in denen die Infrastruktur weniger belastet ist. Die Waren können an stationären Packdepots oder mobilen Depots auf Rädern abgeliefert werden, von wo aus sie dann im Innenstadtbereich auf Bestellung bis zum Kunden fahren. Auf diese Art und Weise kann die gesamte Transportkette schneller und effizienter werden. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt ist eine Optimierung des Verkehrsflusses, Einsparung von Personal und eine Reduktion von Emissionen im Güterverkehr durch Platooning zu erwarten [ACAT15, S. 15 und S. 23, Kall19, FGSV19a, S. 6, Kuhl19]. Auf der anderen Seite bestehen auch Risiken durch automatisiertes Fahren im Güterverkehr. So können Einsparungen von Fahrpersonal zu einer weiteren Zentralisierung der Lagerhaltung und damit zu längeren Fahrtweiten führen. Eine weitere Konsequenz durch das wegfallende Fahrpersonal könnte die Bereitstellung von mehr Fahrzeugen sein, um kurzfristige Bedarfe zu erfüllen. Zuletzt stellt die Weiterentwicklung des automatisierten Fahrens im Güterverkehr durch Fahren im Konvoi eine steigende Wettbewerbsfähigkeit für den Güterverkehr zugunsten des Lkw-Transportes auf der Straße dar, welches zu Lasten des Schienengüterverkehrs und der Binnenschifffahrt ausfällt [FGSV19a, S. 6]. In der Landwirtschaft und im Bergbau werden schon heute automatisierte Fahrzeuge eingesetzt, wodurch Arbeitskosten von bis zu 90 Prozent eingespart und bis zu 60 Prozent Kohlenstoffdioxidemissionen vermieden werden können. Auch das Modell der Fahrzeugversicherungen wird sich verändern: Bisher versicherten sich die einzelnen Verkehrsteilnehmer gegen menschliches Versagen, zukünftig werden die Automobilhersteller die Haftung für die Verkehrssicherheit der Fahrzeuge tragen und somit teilweise selbst als Versicherer agieren müssen. Zudem wird erwartet, dass die Versicherungsprämien aufgrund der gestiegenen Verkehrssicherheit deutlich zurückgehen werden. Weiterhin stehen durch die Kombination von automatisierten Fahrzeugen und neuen Mobilitätsangeboten wie dem Carsharing auch für das Taxi- und Mietwagengeschäft Veränderungen an, Automobilhersteller werden immer häufiger mit derartigen Mobilitätsanbietern kooperieren [McK15a, S. 2; JoMi15, S. 105 f.].
Eine weitere Folge des automatisierten Fahrens besteht darin, dass nicht mehr das Fahrzeug an sich im Vordergrund des Interesses der Käufer beziehungsweise Nutzer stehen wird, sondern vielmehr die Zusatzfunktionen des Fahrzeugs wie beispielsweise die Möglichkeiten zur Integration mobiler Endgeräte oder Multimediafunktionen. Der allgemeine wirtschaftliche Fokus wird immer mehr von den Automobilherstellern in Richtung der Informationstechnologiebranche verschoben werden. Informatiker und Entwickler für Software und Elektronik werden gefragter sein als Ingenieure, und die technologische Kompetenz wird die wichtigste Fähigkeit bei potenziellen Neuanstellungen eines Unternehmens sein [JoMi15, S. 98 ff.].
Daraus resultiert eine der negativen Folgen des automatisierten Fahrens: die Gefahr für die Automobilhersteller, immer mehr zu Hardware-Lieferanten degradiert zu werden. Bereits jetzt wird Google als bedeutendster Marktspieler in Bezug auf autonomes Fahren wahrgenommen. Mehr Informationstechnologie bedeutet in der Regel allerdings auch mehr Entwicklungsaufwand, da Softwareentwicklung teuer und schwer zu budgetieren ist. Folglich werden hohe Investitionen notwendig. Des Weiteren wird es zu einem Stellenabbau im Sektor des öffentlichen Verkehrs kommen, da dieser durch die autonome, individuelle Mobilität deutlich unattraktiver wird und zudem auch Busse und Bahnen ohne Fahrer unterwegs sein werden. Dabei ist aber nicht mit einer Reduktion der Personalkosten zu rechnen, da statt Fahrpersonal ein hochqualifiziertes Personal für die Wartung und Überwachung der Systeme erforderlich sein wird [FGSV19a, S. 6]. Auch die Anzahl von Taxi- oder Lastkraftwagenfahrern, Chauffeuren, Fahrlehrern, Verkehrspolizisten und sogar von Herstellern von Verkehrszeichen oder Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen wird höchstwahrscheinlich stark zurückgehen. Autobahnraststätten werden weniger Umsatz machen und weniger Mitarbeiter benötigen, da Nutzer autonomer Fahrzeuge bei längeren Fahrten wahrscheinlich seltener eine Pause einlegen müssen. Tankstellen werden sich umorientieren müssen, da es mehr Elektroautos und fahrerlose Fahrzeuge an den Tank- beziehungsweise Ladesäulen geben wird [JoMi15, S. 102 ff.]. Auch für die unabhängigen Autowerkstätten, die heutzutage 90 Prozent des Marktes ausmachen, wird die zunehmende Automatisierung gravierende Folgen haben, da die automatisierten Fahrzeuge wahrscheinlich bevorzugt die Servicezentren der eigenen Marke anfahren werden [McK15a, S. 1].