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Regelrahmen für digitale Dienste und digitale Infrastrukturen in Deutschland und Europa

Erstellt am: 25.06.2015 | Stand des Wissens: 23.04.2020
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Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck

Das Angebot digitaler Dienste und digitaler Infrastrukturen erfolgt im Kontext zahlreicher nationaler sowie europäischer gesetzlicher Regelungen. Da an dieser Stelle keine erschöpfende Darstellung des kompletten Regelrahmens erfolgen kann, werden nachfolgend einige besonders zentrale Regelungen sowie einige Beispiele thematisiert.
Der zentrale Orientierungspunkt für den künftigen Regelrahmen auf europäischer Ebene ist die Digitale Agenda für Europa [KOM(2010)245]. Sie stellt eine der sieben Leitinitiativen der Europäischen Kommission zur Durchsetzung der Strategie "Europa 2020" für Beschäftigung und Wachstum dar und ersetzt die auslaufende i2010-Initiative [KOM(2005)229]. Vor dem Hintergrund des vorrangigen Ziels einer Verwirklichung eines digitalen Binnenmarktes definiert sie die grundlegende Ausrichtung europäischer Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) -Politik für die kommenden fünf bis zehn Jahre. Die digitale Agenda für Europa thematisiert zahlreiche Hindernisse und identifiziert Maßnahmen, die diese Hindernisse beseitigen sollen. Folgenden Aspekten kommt vor dem Hintergrund eines effizienten Angebots digitaler Dienste und Infrastrukturen eine besondere Bedeutung zu:
  • Es wird auf eine mangelnde Interoperabilität von Geräten, Anwendungen, Datensammlungen, Diensten und Netzen (unter anderem auch in der öffentlichen Verwaltung) hingewiesen. Die Kommission strebt daher die Überprüfung der europäischen Normungspolitik an [EUKO09a].
  • Es werden mangelnde Investitionen in Datenübertragungsnetze thematisiert, was insbesondere auf ultraschnelle Internetzugänge (Next Generation Access, NGA) bezogen wird. Die Kommission beabsichtigt daher Investitionen in Hochgeschwindigkeitsnetze zu finanzieren, unter anderem aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) oder aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).
Einen weiteren Rahmen bildet die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, welche 16 verschiedene Initiativen in drei Schwerpunkten umfasst [KOM15]. Folgende Initiativen sind für das Angebot digitaler Dienste und Infrastrukturen von besonderer Relevanz:
  • Es soll eine Reform der europäischen Telekommunikationsvorschriften erfolgen, was unter anderem die Koordinierung der Frequenznutzung, für die ganze Europäische Union (EU) geltende Kriterien für die Frequenzzuteilung auf nationaler Ebene sowie die Schaffung von Anreizen für Investitionen in hochleistungsfähige Breitbandnetze umfassen soll.
  • Es soll eine Untersuchung der Rolle von Online-Plattformen (unter anderem Suchmaschinen und soziale Netzwerke) erfolgen. Dies betrifft Themen wie die Transparenz bei den Ergebnissen von Suchmaschinen, die Verwendung der von Plattformen gesammelten Daten, die Beziehungen zwischen Plattformen und ihren Nachfragern sowie mögliche Barrieren beim Wechsel von Plattformen.
  • Es sollen Prioritäten für die Normung und die Interoperabilität in zentralen Bereichen festgelegt werden, was insbesondere den Verkehrssektor (zum Beispiel intelligente Verkehrssysteme) und den Energiesektor (zum Beispiel intelligente Verbrauchsmessung) umfasst.
Zudem existieren zahlreiche konkrete Regelungen, die eine Relevanz für spezifische Segmente im Kontext digitaler Dienste und Infrastrukturen aufweisen. Hierzu zählen unter anderem die folgenden:
  • Die Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau [EU 2013/C 25/01] legen fest, unter welchen Voraussetzungen staatliche Stellen Beihilfen im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau leisten können und in welchen Fällen eine Genehmigung durch die EU-Kommission erfolgen kann.
  • Die Regelungen des europäischen Kartellrechts beschäftigen sich mit Kartellen, marktbeherrschenden Stellungen und Unternehmenszusammenschlüssen. Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind wettbewerbswidrige Vereinbarungen zwischen Unternehmen und wettbewerbswidrige Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen verboten, Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Auf Grundlage dieser Regelungen wurden unter anderem förmliche Verfahren gegen Google eingeleitet, die sich mit einem möglichen Missbrauch von Marktmacht in Bezug auf das mobile Betriebssystem Android sowie in Bezug auf Preisvergleichsdienste beschäftigen [KOM15a].
  • Zudem existieren zahlreiche spezielle Regelungen. Unter anderem beinhaltet die Verordnung Nummer 531/2012 Vorschriften über die Höhe von Roamingentgelten, die Anbieter für die Erbringung von regulierten Roamingdiensten im Mobilfunk maximal berechnen dürfen. So wurden mit dieser im Jahr 2017 alle Roaming-Gebühren innerhalb der EU abgeschafft [EU 531/2012].
Der Regelrahmen speziell in Deutschland umfasst eine Regulierung im Festnetzbereich, welche sowohl Vorgaben zum Zugang zu Vorleistungsprodukten (Zugangsregulierung) als auch (kostenorientierte) Vorgaben zu den Preisen für die meisten Vorleistungsprodukte (Entgeltregulierung) umfasst, vergleiche [TKG]. Im Mobilfunkbereich existieren Vorgaben zu Höhe der Terminierungsentgelte und es werden Bedingungen im Kontext der Frequenzvergabe formuliert. Eine umfangreiche Darstellung der Regulierung in Deutschland kann der Wissenslandkarte "Regulierung von Breitbandinfrastruktur" entnommen werden. Daneben hat auch das nationale Kartellrecht einen Einfluss auf das Angebot digitaler Dienste und digitaler Infrastrukturen. Dies betrifft unter anderem die wettbewerbsrechtliche Bewertung von Kooperationen beim Glasfaserausbau [BuKa10] oder konkrete Fusionsvorhaben [BuKa12]. Der zentrale Orientierungspunkt für den künftigen Regelrahmen in Deutschland ist die Digitale Strategie 2025 des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie [BMWI16a].
Im Rahmen einer aktuellen Diskussion über eine grundsätzliche Neuausrichtung im Kontext digitaler Dienste wird in Politik und Wissenschaft national und international thematisiert, ob der deutsche und europäische rechtliche und regulatorische Rahmen überhaupt ausreicht, um den negativen Auswirkungen entgegenzutreten, die durch die beherrschenden Stellungen einiger großer Akteure in der digitalen Wirtschaft (insbesondere Suchmaschinen und Plattformen) entstehen. Im Zentrum der Diskussion stehen dabei unter anderem folgende Fragen [MoKo15]:
  • Wie können digitale Marktsegmente, beispielsweise für Suchmaschinen, geeignet voneinander abgegrenzt werden?
  • Welchen Stellenwert hat eine hohe Konzentration von Daten? Sollten Daten als so genannte "Essential Facility" eingeordnet werden?
  • Wie stabil sind die beherrschenden Stellungen über die Zeit? Woraus ergeben sich Wechselbarrieren für die Nutzende?
  • Kann globalen Angeboten überhaupt mit nationalen Maßnahmen begegnet werden?
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Literatur
[BMWI16a] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Hrsg.) Digitale Strategie 2025, 2016/03
[BuKa10] Bundeskartellamt (Hrsg.) Hinweise zur wettbewerbsrechtlichen Bewertung von Kooperationen beim Glasfaserausbau in Deutschland, 2010/01/09
[BuKa12] Bundeskartellamt (Hrsg.) Untersagung des Erwerbs der Tele Columbus durch die Kabel Deutschland, 2012/02/02
[EUKO09a] EU-Kommission (Hrsg.) Weißbuch Modernisierung der IKT-Normung in der EU: der Weg in die Zukunft, 2009
[KOM(2010)245] EU-Kommission (Hrsg.) Eine Digitale Agenda für Europa, 2010/05/19
[KOM15] EU-Kommission (Hrsg.) Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, 2015
[KOM15a] EU-Kommission (Hrsg.) Kartellrecht: Kommission übermittelt Google Mitteilung der Beschwerdepunkte zu seinem Preisvergleichsdienst, 2015/04/24
[MoKo15] Monopolkommission Sondergutachten 68: Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015
Weiterführende Literatur
[BBL14] Beckers, T., Bieschke, N., Lenz, A.-K., Heurich, J., Kühling, J., Hertel, W., Schäfer, D. Alternative Modelle für die Organisation und die Finanzierung des Ausbaus der Stromübertragungsnetze in Deutschland, 2014
[EU 2013/C 25/01] Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau
(2013/C 25/01)
[EU 531/2012] Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union
[KOM(2005)229] i2010 - Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung
Glossar
IKT Informations- und Kommunikationstechnologien
ITS Intelligent Transportation Systems (ITS) ist der Oberbegriff für Transportsysteme, die Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung des Betriebes einsetzen. ITS-Funktionen unterstützen den Fahrer eines Transportmittels, sie sind damit deutlich von automatischen Transportsystemen zu differenzieren, die auf einen fahrerlosen Betrieb abstellen. Die wichtigsten neuen und zum Teil noch in Entwicklung befindlichen Anwendungsfelder zielen auf (1) Verkehrs- und Transportmanagement (Verkehrsinformationen, Verkehrslenkung, Verkehrs- und Parkleitsysteme, automatische Unfallmeldungen, Meldesysteme zum Gefahrgutmonitoring); (2) Elektronische Systeme zur Gebührenerhebung; (3) Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (dynamische Fahrgastinformationen, Reservierung, spezifische Informationssysteme für Fahrradfahrer und Fußgänger, Steuerung individueller öffentlicher Verkehrsmittel); (4) Systeme zur Unterstützung der Fahrzeugsicherheit (Kollisionsdetektoren, Sektorisierung von Verkehrswegen).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?452551

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 09:58:48