Digitalisierung und Vernetzung
Erstellt am: 11.06.2015 | Stand des Wissens: 05.09.2023
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Mit dem zentralen technologischen Megatrend der Digitalisierung ist die Nutzung unterschiedlicher Anwendungen und Dienste auf der Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien zur alltäglichen Selbstverständlichkeit und Lebensrealität geworden. Dies hat zu einer fundamentalen Transformation aller Bereiche des privaten, öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens geführt. Digitalisierung macht nicht vor Ländergrenzen halt, sondern ermöglicht und befördert durch die vielfältigen Vernetzungsmöglichkeiten das Aufbrechen bestehender, aber auch die Schaffung neuer Kooperationsmöglichkeiten innerhalb und zwischen traditionellen Wirtschaftsbereichen.
Diese Entwicklung kann durch verschiedene Fakten belegt werden. Im Jahr 2022 verfügten nach Angaben des Statistischen Bundesamts 91,4 Prozent der privaten Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland über einen Internetanschluss, davon konnten 95 Prozent über einen stationären Breitbandanschluss und 48 Prozent über einen mobilen Breitbandanschluss auf das Internet zugreifen [Dest15]. Aktuell ist es bereits für 90 Prozent der Haushalte in Deutschland möglich, mit Geschwindigkeiten von 100 Megabit pro Sekunde im Internet auf Basis unterschiedlicher Anschlusstechnologien zu surfen [HaPo23]]. Die rasante Entwicklung auf dem Smartphonemarkt lässt erkennen, dass mobile Internetdienste, die jederzeit an jedem Ort zur Verfügung stehen sollten, immer wichtiger und alltagsbestimmender werden. Besaßen im Jahr 2014 lediglich 45,6 Millionen Bundesbürger ein Smartphone, so sind dies neun Jahre später bereits 62,2 Millionen [StSm23]. Das heißt, mehr als die Hälfte der Bundesbürger verfügt inzwischen über die Möglichkeit, mobil auf das Internet zuzugreifen.
Auch im Umfeld der Wirtschaft hat sich die Versorgung mit Breitbandanschlüssen in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Im Jahr 2014 hatten 95 Prozent der deutschen Unternehmen Zugriff auf einen mobilen oder festen Breitbandanschluss. Hier ist jedoch fraglich, ob all diese Breitbandanschlüsse die Übertragungsgeschwindigkeiten ermöglichen, die datenintensive Dienste und Anwendungen heute erfordern. Die Internationale Fernmeldeunion spricht von Breitbandkommunikation ab 1,5 oder 2,0 Megabits pro Sekunde, jedoch existiert keine einheitliche Definition, ab welcher Datenübertragungsrate die Bezeichnung Breitbandkommunikation verwendet werden darf [ITU03; LeBe08].
Um den Anforderungen der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung gerecht zu werden, ist der flächendeckende Ausbau sehr leistungsfähiger Breitbandnetze, der sogenannten Highspeed-Breitbandnetze, unumgänglich. Diese werden durch unterschiedliche Akteure und Entwicklungen getrieben, unter anderem durch die Netzallianz "Digitales Deutschland", die im Oktober 2014 ein Kursbuch zum Netzausbau veröffentlichte [BMVI14n].
Telekommunikationsnetzbetreibern stehen unterschiedliche Strategien beim Ausbau der Telekommunikationsnetze zur Verfügung, die abhängig von den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu differenzierten Lösungen führen und durch einen Mix verschiedener Technologien umgesetzt werden. Die wesentlichsten Möglichkeiten hierzu sind:
der Ausbau der Glasfasertechnologie bis zum Kabelverzweiger am Straßenrand (Fiber To The Curb, FTTC), wodurch Very High Speed Digital Subscriber Line (VDSL)-Anschlüsse mit Geschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde und bei Einsatz der VDSL-Vectoring-Technologie Anschlüsse mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Megabit pro Sekunde eingerichtet werden können
- der Ausbau der Glasfaser-Technologie bis zum Gebäude (Fiber To The Building, FTTB)
- der Ausbau der Glasfasertechnologie bis in die Wohnung (Fiber To The Home, FTTH)
Darüber hinaus stehen technologische Entwicklungen mit neuen Übertragungsverfahren in den Startlöchern. Dazu gehören unter anderem
- der Standard G.fast für Kupferleitungen, der auf kurzen Entfernungen bis zu 250 Metern nochmals höhere Bandbreiten als das VDSL-Vectoring ermöglichen soll, und
- neue Komprimierungsstandards für Video-Inhalte, die bei gleicher Bildqualität wie das High Efficiency Video Coding (HEVC) geringe Datenraten erfordern sollen [Delo15].
Hinzu kommen ständig neue Entwicklungen im Endgerätebereich. So wird die Entwicklungsdynamik nach Smartphones und Tablets zunehmend durch sogenannte Wearables (elektronische Geräte, die am Körper getragen werden) und durch die Trends, die das "Internet der Dinge" hervorbringt, vorangetrieben. Die Vernetzung der vielfältigen angeschlossenen Geräte prägt diesen "Connectivity"-Trend und erfordert leistungsfähige Infrastrukturen.
Auch die Nutzer der Kommunikations- und Informationsdienste können als wesentliche Treiber für den Ausbau von Netzen mit sehr hohen Bandbreiten, den sogenannten Highspeedbreitbandnetzen, identifiziert werden. Sie verlangen zunehmend nach einem individuellen, flexiblen und möglichst mobilen Zugriff auf Inhalte und Dienste von unterschiedlichen Endgeräten aus. Heute ist für viele die ständige Nutzung von Diensten zur Unterstützung der individuellen Mobilität wie Auskunfts-, Echtzeitnavigations- und Ticketdienste selbstverständlich. Zunehmend an Bedeutung gewinnt der Anspruch, hochbitratige Dienste wie Musik-Streaming oder Abrufvideos (auch Video-on-Demand genannt) jederzeit an jeden Ort in erforderlicher Qualität nutzen zu können. Dies wird durch die verschiedenen Formen des Cloud-Computings realisierbar. Einhergehend mit der sich ändernden Mediennutzung können steigende Zahlungsbereitschaften für Breitbandanschlüsse erwartet werden [Delo15].
Diese Entwicklungen werden durch zielgerichtete Fördermaßnahmen und eine verbesserte gesellschaftspolitische Rahmensetzung unterstützt. Auch wenn aus Sicht der politischen Akteure der Ausbau digitaler Infrastrukturen weitestgehend marktgetrieben erfolgen soll, sind vor allem für ländliche Regionen Fördermaßnahmen unabdingbar, um den wichtigen Standortfaktor einer leistungsfähigen Netzinfrastruktur aufbauen zu können. Hierzu existieren einerseits kofinanzierte Programme, die aus einer Kombination aus Bundes-, Landes- oder auch EU-Mitteln realisiert werden. Andererseits bestehen eigenständige Fördermöglichkeiten in den einzelnen Bundesländern [BMVI15i]. Ein wichtiger Schritt war in diesem Zusammenhang die Verabschiedung der "Bundesrahmenregelung Leerrohre", die eine Förderung des Verlegens von Leerrohren bis zum letzten Verteilpunkt vor einem Gebäude einschließlich der dafür notwendigen Übergabevorrichtung über Beihilfen möglich macht [BRRL11]. Diese wurde durch die "Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Ausbaus einer flächendeckenden Next Generation Access (NGA)-Breitbandversorgung" [NGA-RR] im Juni 2015 abgelöst.
Digitale Dienste im Verkehrsbereich unterstützen interne Betriebs-, Kontroll- und Steuerungsprozesse und werden unterschiedlichen Nachfragern nach Verkehrsdienstleistungen angeboten. So sind bei den Verkehrsunternehmen bereits heute vielfältige digitale Dienste zur Steuerung der operativen Betriebsprozesse im Einsatz, wie:
- das Intermodal Transport Control System (ITCS) im öffentlichen Personennahverkehr
- die auf dem European Train Control System (ETCS) aufbauenden Leit- und Sicherungssysteme der Eisenbahnen
- die Kommunikations-, Navigations- und Überwachungssysteme für das Flugverkehrsmanagement im Luftverkehr
Darüber hinaus werden auf kommunaler und regionaler Ebene Verkehrsströme über Verkehrsmanagementzentralen erfasst und gesteuert. Moderne Mauterhebungssysteme sind ohne Informations- und Kommunikationssysteme nicht mehr denkbar und erlauben einen dynamischen Einsatz sowie eine dynamische Erweiterung des einzubeziehenden Straßennetzes.
Heute werden vielfältige Dienste an der Schnittstelle zum Fahrer im motorisierten Individualverkehr oder zum Nutzer im öffentlichen Verkehr digital bereitgestellt. Beispielhaft seien hier Anwendungen zur Information, zur Navigation, zum elektronischen Ticketerwerb bis hin zur integrierten Reiseassistenz genannt sowie Anwendungen zu Parkplatzangebot, -suche und -reservierung. Infotainmentangebote, die möglichst in hoher Qualität dem Reisenden direkt in den Fahrzeugen zur Verfügung stehen sollten, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese erfordern jedoch den Ausbau der digitalen Breitbandinfrastruktur entlang der Verkehrswege, wie des Eisenbahnnetzes oder der Autobahnen, um entsprechende Internetverbindungen aufbauen und unterbrechungsfrei aufrechterhalten zu können. So rüstet die Deutsche Bahn AG gegenwärtig ihre Intercity-Express-Züge mit Wireless Local Area Network (drahtloses lokales Netzwerk, WLAN)-Hotspots aus, die eine Nutzung des Internets bei Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometer pro Stunde ermöglichen sollen. Des Weiteren erfordern die Anwendungen der Car-to-X-Kommunikation entsprechende digitale Netzinfrastrukturen und vereinheitlichte technische Kommunikationsstandards.
Des Weiteren werden im Zusammenhang mit den Entwicklungen hin zum "Internet der Dinge" Fahrzeuge mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die über den Zustand des Fahrzeugs, die Umgebung, das Fahrverhalten und andere Parameter Auskunft geben und zu Dienstleistungen unterschiedlichster Art führen. Das reicht von Connected Car Lösungen für Autohändler und Reparaturwerkstätten bis hin zu Versicherungen, bei denen sich die Prämienhöhe nach Art und Menge der Fahrzeugnutzung richtet (sogenannte Pay-as-you-drive-Versicherungen).