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Technische Lösungen in der Gefahrgutlogistik

Erstellt am: 10.06.2015 | Stand des Wissens: 23.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Um die Abläufe in der Gefahrgutlogistik sicher zu gestalten, werden für jeden Abschnitt der Beförderung von der Be- bis zur Endladung technische Hilfsmittel eingesetzt. Der Fokus liegt dabei auf der Nutzung intelligenter Verkehrssysteme (IVS). Hierzu gehören Telematiksysteme, die umfassende Lösungen zur Sendungsverfolgung, zum Fuhrparkmanagement und zum Auftragsmanagement bieten sowie Fahrerassistenzsysteme [GrMi11, S. 19 f.]. Mit diesen technischen Lösungen können die Pflichten zwischen Beteiligten an Gefahrguttransporten geklärt, Informationsdefizite in der Gefahrgutlogistik verringert und die Umsetzung gesetzlicher Regelungen verbessert werden.
In Artikel 17 (1) der Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 wird ein Bericht von allen Mitgliedstaaten über die Aktivitäten und Projekte auf nationaler Ebene über die Einführung von IVS im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern [EU 2010/40] gefordert. Diese Berichte zum Sachstand im Jahr 2010 ergaben, dass IVS zwar seit Jahren fester Bestandteil von Verkehrskonzepten in Deutschland sind, deren Potential aber bisher nicht ausgeschöpft ist  [BMVBS10x, S. 3, 14]. Dies hat besondere Bedeutung für Gefahrguttransporte, da so Unfälle und somit negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt vermieden werden können.
Das am 21. Juni 2013 in Kraft getretene IVS-Gesetz (IVSG) [IVSG13] setzt die Richtlinien des Europäischen Parlamentes in deutsches Recht um. Unter Federführung des BMVI wurde durch einen IVS-Beirat, dem Bundesministerien, Länder, Kommunen, Industrie und Verbände angehören, ein nationaler IVS-Aktionsplan "Straße" erarbeitet, der die Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern einbezieht und den Zeitraum bis 2020 umfasst. Der IVS-Aktionsplan definiert die mit allen Beteiligten abgestimmte Vorgehensweise bei der koordinierten Weiterentwicklung bestehender und der beschleunigten Einführung neuer IVS zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, Verbesserung der Verkehrseffizienz und Verringerung der negativen Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt [BMVI20ax].
Ein Beispiel für ein IVS-Vorhaben ist das Projekt InGVer - Intelligente Gefahrgutverfolgung. Dessen Hauptziel ist die Entwicklung verschiedener Konzepte zur intelligenten Steuerung, Überwachung und Dokumentation komplexer Gefahrgutprozesse. Ein Weg zur Realisierung dieser Ziele liegt in der Nutzung von speziellem Wissen, mit dessen Hilfe zum Beispiel vorhandene Informationssysteme eingebunden und die Befolgung von Rechtsvorschriften erleichtert werden. Mit der Umsetzung dieser Lösungsansätze sollen fehlerhafte Gefahrgutdokumentationen und lückenbehaftete Informationsflüsse vermieden werden [VBH08, S. 131 f.].
Ein weiteres Beispiel für die Umsetzung von IVS in Forschung und Praxis sind Telematiksysteme. So werden zum Beispiel Systeme entwickelt, die das Auffinden und Ausschalten des Fahrzeugs nach einem Diebstahl ermöglichen ("RESTORE" und CEN TC278 WG 14 ("After Theft Vehicle Recovery Systems")) [Albr12, S. 28]. Des Weiteren sollen Telematikanwendungen Beförderungspapiere in Ergänzung zur Papierform auch als (einheitliche) elektronische Version zur Verfügung stellen. Dies vereinfacht den Datenaustausch zwischen den Unternehmen in der Gefahrgutlogistikkette erheblich. Weiterhin wird das Notfallmanagement, also die Alarmierung und Information der Einsatzkräfte bei einem Un- oder Zwischenfall, verbessert. Auch bei Kontrollen können die Kontrollbeamten leicht auf die entsprechenden Daten zugreifen. So können die Kontrollen effizienter und effektiver gestaltet werden [Hes13a, S. 10 f.].
Eine Möglichkeit zur Unterstützung des Fahrpersonals sind Fahrerassistenzsysteme, die durch eine Kamera erkennen, ob Anzeichen von Übermüdung vorliegen oder der Blick des Fahrers für mehr als einige Sekunden nicht auf die Straße fokussiert ist. In diesen Fällen wird ein Alarmsignal in der Fahrerkabine ausgelöst. Weiterhin können die aufgenommenen Daten an die Disposition weitergegeben werden und die daraus ermittelten Erkenntnisse in die Tourenplanung und in Schulungen integriert werden [Kle14a, S. 12 f.]. Dies ist ebenfalls in hohem Maße für Gefahrguttransporte relevant, da so folgenschweren Unfällen aufgrund von Übermüdung und Unaufmerksamkeit vorgebeugt werden kann.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gefahrgutlogistik im Spannungsfeld gegensätzlicher Anforderungen (Stand des Wissens: 23.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?450386
Literatur
[Albr12] Albrecht Consult GmbH (Hrsg.) Studie zur Gefahrguttelematik - Schlussbericht, 2012/02
[BMVBS10x] Bericht gemäß Artikel 17 (1) der Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr (Hrsg.) Status und Rahmenbedingungen für Intelligente Verkehrssysteme (IVS) in Deutschland, 2010
[BMVI20ax] BMVI (Hrsg.) Intelligente Verkehrssysteme , 2020
[GrMi11] Rolf Dietmar Grap, Birte Milnikel Chemielogistik im Kontext allgemeiner logistischer Anforderungen, 2011
[Hes13a] Michael Heß Es wird konkreter, veröffentlicht in Gefährliche Ladung, Ausgabe/Auflage 07, 2013/07
[Kle14a] Stefan Klein Kleine Anzeichen von Wachstum, veröffentlicht in Gefährliche Ladung, Ausgabe/Auflage 03, 2014/03
[VBH08] Matthias Virgin, Ilvio Bruder, Andreas Heuer InGVer - Intelligente Gefahrgutverfolgung, veröffentlicht in Proceedings of the 20. GI-Workshop on Foundations of Databases, 2008/05
Rechtsvorschriften
[EU 2010/40] EU-Richtlinie 2010/40/EU zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern
Glossar
ITS Intelligent Transportation Systems (ITS) ist der Oberbegriff für Transportsysteme, die Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung des Betriebes einsetzen. ITS-Funktionen unterstützen den Fahrer eines Transportmittels, sie sind damit deutlich von automatischen Transportsystemen zu differenzieren, die auf einen fahrerlosen Betrieb abstellen. Die wichtigsten neuen und zum Teil noch in Entwicklung befindlichen Anwendungsfelder zielen auf (1) Verkehrs- und Transportmanagement (Verkehrsinformationen, Verkehrslenkung, Verkehrs- und Parkleitsysteme, automatische Unfallmeldungen, Meldesysteme zum Gefahrgutmonitoring); (2) Elektronische Systeme zur Gebührenerhebung; (3) Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (dynamische Fahrgastinformationen, Reservierung, spezifische Informationssysteme für Fahrradfahrer und Fußgänger, Steuerung individueller öffentlicher Verkehrsmittel); (4) Systeme zur Unterstützung der Fahrzeugsicherheit (Kollisionsdetektoren, Sektorisierung von Verkehrswegen).
CEN Comité Européen de Normalisation (CEN) ist eine der drei großen Normungsorganisationen in Europa. Sie ist verantwortlich für europäische Normen (EN) in allen technischen Bereichen außer der Elektrotechnik und der Telekommunikation.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Tracking and Tracing
Unter "Tracking and Tracing" (zu Deutsch: Verfolgung und Rückverfolgung) wird ein System aus der Logistik verstanden, bei welchem der Status einer Lieferung sowohl vor als auch während der Lieferung überprüft werden kann.
Verkehrseffizienz
Beurteilungskriterium, welches beschreibt, inwieweit verkehrliche Maßnahmen, wie beispielsweise Ersparnisse in Fahrzeit, Spritverbrauch und Abgasausstoß, dass vorgegebene Ziel in einer bestimmten Art und Weise erfüllen

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?450360

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 21:50:38