Konfliktfelder bei der gesetzlichen Regelung von Gefahrguttransporten
Erstellt am: 10.06.2015 | Stand des Wissens: 05.09.2024
Synthesebericht gehört zu:
In der gefahrgutlogistischen Praxis führen die geltenden gesetzlichen Regelungen immer wieder zu Herausforderungen hinsichtlich ihrer (1) Verständlichkeit, (2) Vollständigkeit und (3) Kontrollierbarkeit. Auf daraus resultierende Konfliktfelder wird im Folgenden anhand von Beispielen aus der aktuellen Praxis der Gefahrgutlogistik eingegangen. Das internationale Regelwerk, welches national umgesetzt wird, wird aufgrund dieser Schwierigkeit unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der Technik, stets überprüft und weiterentwickelt (vgl. Bundesgesetzblätter I sowie II) [BMDV24a].
-Rechtssicherheit versus Anwenderfreundlichkeit
-Rechtssicherheit versus Anwenderfreundlichkeit
Der Gesetzgeber muss beim Gefahrguttransport für ein möglichst hohes Maß an Rechtssicherheit sorgen. Gesetzliche Vorschriften müssen umfassend sein, um möglichst viele Schadensfälle zu vermeiden. Gleichzeitig stellt dies die Akteure vor die Herausforderung, den vielfältigen Gefahrgutverordnungen auch zu genügen. Die Gefahrgutlogistikbranche klagt über eine zu hohe Komplexität der Gesetzgebung: "Immer wieder gibt es einzelne Vorschriften, über deren Umsetzung und genaue Anwendung Missverständnisse und Auseinandersetzungen zwischen Anwendern, Kontrollorganen und Richtern entstehen" [He13].
Ein aktuelles Beispiel für komplexe Vorschriften ist der Transport von Wasserstoff, eine Chemikalie, die ausgehend vom Umweltbundesamt als Schlüssel im künftigen Energiesystem gilt [UBA24b]. Aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften und potentiellen Gefahren (z. B. Entflammbarkeit bzw. Explosivität, Risiken der Gesundheitsgefährdung wie Erfrierungen, Erstickung usw.) gelten strengen gesetzlichen Vorschriften [GisChem24]. Sowohl das Verfahren, als auch die zu berücksichtigen Sicherheitsmaßnahmen stehen in Abhängigkeit zur gewählten Transportmethode [HHLA24] (nicht abschließend):
Kombinierter Wasserstoff: Erhöhte Anforderungen an Transportbehälter (schwer, dickwandig)
Flüssig Wasserstoff: Besondere Anforderungen an Sicherheitsventile, da es unvermeidbar ist, dass ein Anteil gasförmig wird. Ohne entsprechende Ventile würde der Lagerdruck sich bei dieser Volumenausdehnung platzen
Ammoniak (chemische Verbindung aus Wasserstoff und Stickstoff): Ammoniak ist entflammbar, giftig und korrosiv, was ebenfalls zu erhöhten Anforderungen an das Transportmaterial führt
Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC): Vorteil dieser Variante ist die schwere Entflammbarkeit des LOHCs, allerdings ist es, ähnlich wie Erdöl, wassergefährdend und gesundheitsschädlich.
Unabhängig vom Gefahrgut gelten eine Vielzahl von Vorschriften aus nationaler wie internationaler Ebene, welche die Kompatibilität zwischen den Verkehrsträgern, respektive die Anwendbarkeit, erleichtern sollen:
UN-Modellvorschriften: UN-Empfehlungen für den Gefahrgut-Transport [UNMoRev21]
Luft: Vorschriften der International Air Transport Association (IATA) für Gefahrgut (DGR) [IATA24]
See: Internationaler Code für maritime Gefahrgüter (IMDG) [IMDG24]
Straße: ADR [ADR]
Schiene (Europa, Asien und Afrika): RID [RID23]
Binnenwasserstraßen (Europa): ADN [ADN]
Australien: Australischer Code für den Transport gefährlicher Güter auf Straße und Schiene (ADG-Code) [ADG24]
Kanada: TDG [TDG19]
Nordamerika: CFR (Title 49) [CFR24]
Kombinierter Wasserstoff: Erhöhte Anforderungen an Transportbehälter (schwer, dickwandig)
Flüssig Wasserstoff: Besondere Anforderungen an Sicherheitsventile, da es unvermeidbar ist, dass ein Anteil gasförmig wird. Ohne entsprechende Ventile würde der Lagerdruck sich bei dieser Volumenausdehnung platzen
Ammoniak (chemische Verbindung aus Wasserstoff und Stickstoff): Ammoniak ist entflammbar, giftig und korrosiv, was ebenfalls zu erhöhten Anforderungen an das Transportmaterial führt
Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC): Vorteil dieser Variante ist die schwere Entflammbarkeit des LOHCs, allerdings ist es, ähnlich wie Erdöl, wassergefährdend und gesundheitsschädlich.
Unabhängig vom Gefahrgut gelten eine Vielzahl von Vorschriften aus nationaler wie internationaler Ebene, welche die Kompatibilität zwischen den Verkehrsträgern, respektive die Anwendbarkeit, erleichtern sollen:
UN-Modellvorschriften: UN-Empfehlungen für den Gefahrgut-Transport [UNMoRev21]
Luft: Vorschriften der International Air Transport Association (IATA) für Gefahrgut (DGR) [IATA24]
See: Internationaler Code für maritime Gefahrgüter (IMDG) [IMDG24]
Straße: ADR [ADR]
Schiene (Europa, Asien und Afrika): RID [RID23]
Binnenwasserstraßen (Europa): ADN [ADN]
Australien: Australischer Code für den Transport gefährlicher Güter auf Straße und Schiene (ADG-Code) [ADG24]
Kanada: TDG [TDG19]
Nordamerika: CFR (Title 49) [CFR24]
Weitere Herausforderungen hinsichtlich der Anwenderfreundlichkeit ergeben sich aus der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Regelwerke, zum Beispiel, wenn neue Produkte entwickelt werden (siehe Lithium-Batterie zuvor), technische Entwicklungen neue Formen der Verpackung oder des Transports hervorbringen (zum Beispiel Gigaliner, Telematik) oder wenn Ereignisse wie Unfälle zur Notwendigkeit neuer Regelungen führen [FuBoGa12; Mue14a]. Da Aktualisierungen aus Gründen der Rechtssicherheit unerlässlich sind, müssen Anwender sicherstellen, immer nach den neuesten Regelungen und Verordnungen zu handeln. Änderungen werden in festen Turnussen in Verordnungen und Regelungen übernommen. Im Luftverkehr treten Änderungen jährlich ohne Übergangsfrist zum 1. Januar in Kraft. Im Straßen- und Schienengüterverkehr sowie in der Binnenschifffahrt werden Neuerungen zum 1. Januar der ungeraden Jahre mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten eingeführt. Im Seeverkehr werden Änderungen zu Beginn der geraden Jahre etabliert, können aber normalerweise schon ein Jahr im Voraus angewendet werden. Trotz fester Aktualisierungszyklen bleibt es, aufgrund der Vielzahl an Änderungen und der hohen Regelungstiefe der Gefahrgutlogistik, schwierig, den Überblick zu behalten [FuBoGa12]. Insbesondere aus diesem Grund ist es von hoher Relevanz, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter kontinuierlich schulen und interne Prozesse überprüfen, um die Einhaltung der neuesten Regelungen sicherzustellen.
-Unterschiedliche rechtliche Grundlagen bei Transport, Handhabung und Lagerung
Gefährliche Güter werden nicht nur transportiert, sondern auch entladen, gelagert und im Betrieb gehandhabt (zum Beispiel werden Umverpackungen geöffnet und wieder verschlossen oder Stoffe umgefüllt). In diesen Fällen ist neben dem Transportrecht für Unternehmen, die gefährliche Güter verwenden, auch das sogenannte Umgangsrecht (z. B. Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung) relevant, wobei sowohl technische als auch organisatorische und persönliche Maßnahmen (wie persönliche Schutzausrüstung, PSA) berücksichtigt werden müssen. Das Transportrecht zielt im Wesentlichen darauf ab, Sicherheit während des Transports zu gewährleisten, das heißt über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum, bei dem direkter Kontakt mit dem Gut höchstwahrscheinlich nur im Falle eines Unfalls auftritt. Im Gegensatz dazu, zielt das Umgangsrecht auf den Schutz von Arbeitnehmern und Verbrauchern während des Umgangs mit Gütern ab, das heißt über einen längeren Zeitraum und häufig mit direktem Kontakt zum Gut [EaKr13].
Die unterschiedlichen Zielsetzungen des Transport- und Umgangsrechts führen zu unterschiedlichen Anforderungen an die Gefahrgutlogistik, die gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Dies ist jedoch in der Praxis nicht immer der Fall, wie beispielsweise amerikanische Unfallstatistiken. Laut diesen findet in den Vereinigten Staaten ein Chemieunfall häufiger als alle zwei Tage statt.
-Rückläufige Kontrollintensität gesetzlicher Regelungen
-Rückläufige Kontrollintensität gesetzlicher Regelungen
Auch wenn Vorschriften sehr detailliert die Verpackung, die Kennzeichnung, den Transport und die Lagerung gefährlicher Güter vorgeben, wird deren Einhaltung nicht immer hinreichend kontrolliert. Im Vergleich der Jahre 2012 bis 2021 zeigt sich, dass die Anzahl der Gefahrgutkontrollen im Straßenverkehr rückläufig ist. Wurden im Jahr 2012 noch etwa 26.700 Fahrzeuge kontrolliert, verringerte sich diese Anzahl bis zum Jahr 2021 auf etwa 10.600. Allerdings sank auch die Anzahl an Verstößen im gleichen Zeitraum von 6.708 festgestellten Verstößen im Jahr 2012 auf 2.113 Verstöße im Jahr 2021 [ECST19, BALM22].
Ähnlich wie im Straßengüterverkehr sind die Kontrollmengen auch beim Gefahrguttransport auf der Schiene rückläufig. Wurden im Jahr 2010 noch rund 14.200 Kontrollen durchgeführt, waren es im Jahr 2021 nur noch rund 13.300. Laut Eisenbahn-Bundesamt wird sich dieser Trend der sinkenden Kontrollzahlen auch weiterhin fortsetzen. Die Hauptursache dafür stellen zurückgehende Personalkapazitäten für die Gefahrgutkontrollen dar [EiBu2015, EBA18a, EBA22].
Umfassende Statistiken über die Kontrollmengen von Gefahrgütern im See- und Binnenschiffsverkehr existieren nicht.
Ähnlich wie im Straßengüterverkehr sind die Kontrollmengen auch beim Gefahrguttransport auf der Schiene rückläufig. Wurden im Jahr 2010 noch rund 14.200 Kontrollen durchgeführt, waren es im Jahr 2021 nur noch rund 13.300. Laut Eisenbahn-Bundesamt wird sich dieser Trend der sinkenden Kontrollzahlen auch weiterhin fortsetzen. Die Hauptursache dafür stellen zurückgehende Personalkapazitäten für die Gefahrgutkontrollen dar [EiBu2015, EBA18a, EBA22].
Umfassende Statistiken über die Kontrollmengen von Gefahrgütern im See- und Binnenschiffsverkehr existieren nicht.