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Interessensfeld "Wirtschaftlichkeit der Gefahrgutlogistik"

Erstellt am: 03.06.2015 | Stand des Wissens: 27.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Wie bei ungefährlichen Gütern, erfolgt auch die Planung und Durchführung von Gefahrguttransporten durch Privatunternehmen, die gewinnmaximierend wirtschaften [ArIs08, S. 549]. Die Wirtschaftlichkeit der logistischen Prozesse ist daher als Interessenfeld der durchführenden Logistikdienstleister, aber auch der Versender und Empfänger von Gefahrgütern zu berücksichtigen [ArIs08, S. 549 f.].
Die Gefahrgutlogistik ist durch bestimmte Komplexitäts- und Kostentreiber für Transport- und Logistikdienstleister gekennzeichnet. Die Dienstleister müssen, im Vergleich zur Beförderung von nicht gefährlichen Gütern, für Gefahrgüter zahlreiche ergänzende nationale und internationale Vorschriften beachten. Wie bereits im Synthesebericht 'Rechtliche Regelungen und deren Durchsetzung in der Gefahrgutlogistik' aufgezeigt, unterscheiden sich die Vorschriften zum Beispiel in Abhängigkeit des gewählten Verkehrsmittels deutlich [ArIs08, S. 552; BMVI19r, S. 15f.]. Darüber hinaus sind andere Vorschriften anzuwenden, sobald ein Gefahrgut gelagert wird und damit dem Gefahrstoffrecht unterliegt. Ebenso wird für die Beförderung von Gefahrgütern bestimmter Gefährdungsklassen spezielles Equipment benötigt, das zudem nach der Beförderung gegebenenfalls aufwendig gereinigt werden muss. Dazu gehören zum Beispiel explosionsgeschützte Fahrzeuge für den Transport explosiver Stoffe, Castoren für den Transport radioaktiven Materials oder die ab 2018 europaweit vorgeschriebene Doppelhülle für Tankschiffe auf Binnenwasserstraßen. Zusätzlich muss das zur Beförderung eingesetzte Personal je nach Art des Gefahrguts besondere Schulungen und Befähigungen nachweisen können [Kle13b, S. 14]. Zudem sollten Unternehmen für die Beförderung von Gefahrgut über eine besondere Verkehrshaftungsversicherung verfügen, welches gemäß des § 7a Abs. 2. [GüKG] für den innerdeutschen Bereich gilt.
Damit ein Unternehmen die Beförderung solcher Güter anbieten und durchführen darf, sind für spezielles Equipment, geschultes Personal und die erforderlichen Versicherungen je nach Gefahrgutklasse hohe Investitionen und Aufwände erforderlich. Die diesen Investitionen und Aufwänden gegenüberstehenden erzielbaren Erträge sind in der Gefahrgutlogistik jedoch vergleichsweise gering [Kle13b, S. 14]. Aus diesem Grund bieten flächendeckende Stückgutlogistiker, wie Stückgutkooperationen oder große Speditionskonzerne, die Beförderung bestimmter gefährlicher Güter nur selten an. Auch auf Gefahrgut spezialisierte Spediteure übernehmen meist nur die Beförderung einzelner Gefahrgutklassen [Kle13b, S. 14]. Um im Preiskampf bestehen zu können, bieten sie eine Reihe von ergänzenden Dienstleistungen an. Dazu zählen temperaturgeführte Transporte oder die Lagerung von Gefahrgütern.

Die Beförderung gefährlicher Güter und ihre vorschriftsgemäße Verpackung, verursacht in vielen Fällen höhere Kosten als nicht gefährliche Güter. Um Kosten zu sparen, verschweigen insbesondere kleinere Stückgutversender, wie Versandhändler, aufgrund des Mehraufwandes und der höheren Versandkosten immer wieder, dass es sich bei ihren Sendungen um Gefahrgut handelt, oder wechseln zu einem Dienstleister, der hinsichtlich der Beförderung von Gefahrgütern weniger genau kontrolliert [Kle14, S. 11]. Auch in der Containerlogistik, versuchen Versender Kosten zu sparen, insbesondere wenn der Warenwert einer Sendung niedrig ist. Wird zum Beispiel für eine Sendung aus Asien aufgrund festgestellter Mängel hinsichtlich der Deklaration oder Ladungssicherung ein Weiterbeförderungsverbot ausgesprochen, wollen Versender und Empfänger für den mit Gefahrgut beladenen Containern dann oft keine Verantwortung übernehmen. Die Reedereien haben in diesen Fällen kaum Möglichkeiten, die Kosten für Umpacken, Nachbessern oder Entsorgung der Sendung von den asiatischen Versendern oder deutschen Empfängern erstattet zu bekommen [Kle13, S. 16]. Zuletzt sind Wirtschaftlichkeitsaspekte auch für öffentliche Akteure von Relevanz. Sie betreffen zum Beispiel die Festlegung der Häufigkeit durchgeführter Gefahrgutkontrollen. Auch sehen sich die öffentlichen Akteure mit den volkswirtschaftlichen Kosten von Unfällen oder Havarien konfrontiert. So verhinderte unter anderem Frankreich im Jahr 2012, mit Verweis auf ein zu hohes Umweltrisiko, dass das havarierte Containerschiff MSC Flaminia in einen französischen Hafen geschleppt wird (siehe weiterführende Informationen im Synthesebericht 'Grenzüberschreitende Gefahrguttransporte') [NSB13; BSU14].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gefahrgutlogistik im Spannungsfeld gegensätzlicher Anforderungen (Stand des Wissens: 23.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?450386
Literatur
[ArIs08] Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Furmans, K., Tempelmeier, H. Handbuch Logistik, Ausgabe/Auflage 3., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag / Berlin Heidelberg, 2008, ISBN/ISSN 3540729283
[BMVI19r] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Die Beförderung gefährlicher Güter, Ausgabe/Auflage 28, 2019/07
[BSU14] Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (Hrsg.) Untersuchungsbericht 255/12, 2014/02/28
[Kle13] Stefan Klein Die Wasserschützer, veröffentlicht in Gefährliche Ladung, Ausgabe/Auflage 04/2013, 2013
[Kle13b] Stefan Klein Wer was fährt, veröffentlicht in Gefahrgutlogistik, Ausgabe/Auflage 2013, 2013
[Kle14] Stefan Klein Das unwissende Wesen, veröffentlicht in gefährliche ladung, Ausgabe/Auflage 07/2014, 2014
[NSB13] Reederei NSB (Hrsg.) MSC FLAMINIA - Zusammenfassung der Ereignisse seit dem 14. Juli 2012, 2013/08/06
Rechtsvorschriften
[GüKG] Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG)
Glossar
Versender Versender (auch Verlader genannt) sind Unternehmen, die Transportleistungen und verwandte logistische Dienstleistungen für ihre Sendungen nachfragen.
Logistikdienstleister Logistikdienstleister (abgekürzt: LDL; Englisch: logistics service provider) bezeichnet die Weiterentwicklung des traditionellen Speditionsgeschäfts. Über Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) hinaus bietet der LDL weitere Leistungen und Lösungen an, zum Beispiel kundenbezogene Lagerung, Kommissionierung, Assemblierung, Fakturierung usw. LDL und 3PL werden häufig synonym verwendet.
Spediteur Spediteure fungieren als Intermediäre zwischen Versender und Transporteur bzw. Frachtführer. Sie „besorgen” den Transport. Hierunter fallen insbesondere die Festlegung auf Verkehrsmittel und die Beauftragung ausführender Unternehmen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?449392

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 12:39:32