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Interessensfeld "Schutz der Umwelt in der Gefahrgutlogistik"

Erstellt am: 03.06.2015 | Stand des Wissens: 13.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Der Schutz der Umwelt ist im Gefahrgutrecht als wichtiges Schutzziel formuliert [ArIs08, S. 548]. Zahlreiche Gefahrgüter sind bei Unfällen oder unsachgemäßer Behandlung eine Gefahr für die Qualität des Trinkwassers und für Gewässer [BMVBS13ac, S. 8]. Von großem Interesse ist daher die Vermeidung von Umweltschäden, die durch eine hohe Regelungsdichte sichergestellt werden soll. Treten bei Zwischen- oder Unfällen mit Gefahrguttransporten dennoch Umweltschäden auf, wie bei der Havarie des Tankmotorschiffs "Waldhof" im Jahr 2011, bei der mehr als 1.000 Tonnen Schwefelsäure in den Rhein flossen, müssen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Was als Umweltschaden zu betrachten ist, wird in § 2 Nr. 1 des Umweltschadensgesetzes [USchadG] geregelt:
  • Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 des Bundesnaturschutzgesetzes [BNatSchGa]
  • Schädigung der Gewässer nach Maßgabe des § 90 des Wasserhaushaltsgesetzes [WHGa]
  • Schädigung des Bodens durch eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen im Sinn des § 2 Abs. 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes [BBodSchGa], die durch eine direkte oder indirekte Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen auf, in oder unter den Boden hervorgerufen wurde und Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht.
Tritt ein Umweltschaden als Folge der Gefahrgutlogistik auf, hat der Verantwortliche nach § 7 Nr. 2 Umweltschadensgesetz [USchadG] zunächst die Pflicht, die zuständigen Behörden zu informieren. Diese können dem Verantwortlichen erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen abverlangen [Wun13, S. 35]. Akute Maßnahmen vor Ort sind in der ADR geregelt [BMDV19, S. 18]. Werden zum Beispiel durch eine Kontamination des Bodens mit einer Chemikalie Maßnahmen zur Sanierung von Umweltschäden notwendig, sind nach Anhang II der Umwelthaftungsrichtlinie [2004/35/EG] primäre und ergänzende Sanierungen sowie Ausgleichssanierungen zu unterscheiden. Eine primäre Sanierung zielt darauf ab, die geschädigten natürlichen Ressourcen in ihren Ausgangszustand zurückzuversetzen. Ist dies nicht vollständig möglich, muss eine ergänzende Sanierung vorgenommen werden. Dazu wird an einem möglichst nahe gelegenen Ausweichort eine gleichwertige Sanierung der natürlichen Ressourcen durchgeführt. Eine weiterführende Ausgleichssanierung wird erforderlich, wenn bis zum vollständigen Abschluss der Sanierung weitere Schäden entstehen. Sanierungsmaßnahmen in Folge von Umweltschäden können nicht nur durch Betroffene, sondern zum Beispiel auch durch Umweltverbände eingefordert werden [Wun13, S. 35f.].

Die Kosten der Sanierung von Umweltschäden können erheblich sein. So verursachte zum Beispiel die Wiederansiedlung von 150 Auerhühnern in Folge eines Gefahrgutunfalls innerhalb des hierfür notwendigen Zeitraums von vier bis neun Jahren bis zu 90.000 Euro jährliche Kosten [Wun13, S. 36]. Die Wiederherstellung eines Hektar Bergwaldes nach einem Gefahrgutunfall kostete bis zu 500.000 Euro [Wun13, S. 36]. Insgesamt ist es durch die gesetzliche Verschärfung der Haftungssituation in den letzten 15 Jahren zu einer deutlichen Steigerung der Sanierungskosten gekommen. So verursachte zum Beispiel der Brand eines Lagerhauses für Pflanzenschutzmittel im Jahr 1996 in Frankreich Folgekosten von rund 16.000 Euro. Im Jahr 2013 wären für den gleichen Brand bereits 6,5 Millionen Euro zur Erfüllung aller gestellten Umweltauflagen angefallen [Wun13, S. 36]. Im Falle eines im Jahr 2013 in Kanada entgleisten und explodierten Güterzugs führte der Unfall gar zur Insolvenz des Eisenbahnunternehmens. Die Kosten zur Sanierung der entstandenen Schäden werden auf bis zu 200 Millionen kanadische Dollar geschätzt und übersteigen die Summe der abgeschlossenen Versicherung um das Achtfache [Lju13].

Die deutschlandweite Kennzeichnung umweltgefährdender Stoffe erfolgt mit dem Symbol aus Abbildung 1 (Gefahr für Kanalisation und Gewässer)
449375_Bild.pngAbb. 1: Kennzeichnung für umweltgefährdende Stoffe (Gefahr für Kanalisation und Gewässer) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gefahrgutlogistik im Spannungsfeld gegensätzlicher Anforderungen (Stand des Wissens: 23.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?450386
Literatur
[ArIs08] Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Furmans, K., Tempelmeier, H. Handbuch Logistik, Ausgabe/Auflage 3., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag / Berlin Heidelberg, 2008, ISBN/ISSN 3540729283
[BMDV19] BMDV, (Hrsg.) Die Beförderung
gefährlicher Güter, 2019/07
[BMVBS13ac] BMVBS (Hrsg.) Die Beförderung gefährlicher Güter, 2013/03/01
[Lju13] David Ljunggren Canada to shut down rail firm involved in Quebec town disaster, 2013/08/13
[Wun13] Martina Wunderlich Wege aus der Haftungsfalle, veröffentlicht in Gefährliche Ladung, Ausgabe/Auflage 05/2013, 2013
Rechtsvorschriften
[2004/35/EG] Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden
[BBodSchGa] Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG)
[BNatSchGa] Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
[USchadG] Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz)
[WHGa] Wasserhaushaltsgesetz (WHG)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?449375

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 10:11:05