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Logistik in der Bergbaubranche

Erstellt am: 02.04.2015 | Stand des Wissens: 14.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Im Bergbau sind spezifische Besonderheiten gegeben. Zum einen befinden sich die Produktionsstandorte teilweise unter der Erdoberoberfläche, wodurch sowohl das Material als auch die Arbeitskräfte, aufgrund extremer Temperaturen und Druckverhältnisse, überdurchschnittlich beansprucht werden. Zum anderen sind mehrere Betriebspunkte (Orte, an denen die Rohmaterialien gewonnen werden) notwendig, um die erforderliche Gesamtproduktionsmenge zu erreichen. Weiterhin erhöhen sich die Entfernungen unter Tage zu den Betriebspunkten, was bedeutet, dass Transportwege und -zeiten sich ebenfalls verlängern. Da Bergleute und technisches Personal alle Wegstrecken zweimal zurücklegen müssen, bei einer durchschnittlichen Entfernung von sechs Kilometern zu den Betriebspunkten, hat die Personenbeförderung eine besondere Bedeutung [AuWe92]. In den folgenden Abschnitten wird die Logistik unter Tage und die Logistik über Tage (an der Erdoberfläche) beschrieben, miteinander verglichen und deren Zusammenhänge dargestellt. Der dritte Abschnitt befasst sich mit dem Transport der Produkte des Bergbaus.
Wie bereits erwähnt, sind unter Tage große Entfernungen zurückzulegen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Grubengebäude weit verzweigt sind und nur begrenzten Raum zur Verfügung stellen. Die Schachtröhre beispielsweise stellen eine Art "Flaschenhals" dar, also einen Engpass, der die Transportkapazitäten begrenzt. Durch diese Röhre müssen zudem Materialien, Personen und Informationen nach unter Tage gefördert werden und Rücklaufmaterial, Abwetter, Grubenwasser und Personen wieder nach über Tage. Durch den geringen zur Verfügung stehenden Raum sind Rangierprozesse oft nicht möglich, sodass vorab eine genaue Reihenfolge der Förderung festgelegt werden muss. Die Förderung von Rücklaufmaterial, Abwetter und Grubenwasser wird auch als Entsorgungslogistik im Bergbau bezeichnet und muss aus geregelten Umweltgesichtspunkten durchgeführt werden. Diese Stoffe werden unter Tage mit Grubenbahnen, Schienenbahnen und Seilbahnen befördert. Eine weitere Hauptaufgabe der Logistik unter Tage stellt die Personenbeförderung dar. Die als Fahrung bezeichnete Beförderung von Personen beginnt mit der Seilfahrt und setzt sich durch das Grubengebäude durch. Auf den zurückzulegenden Wegstrecken werden weiterhin nach Möglichkeit Maschinen eingesetzt. Auf den beschwerlichen Abschnitten werden die Wege jedoch zu Fuß zurückgelegt [AuWe92].

Die Logistik über Tage kann als eigenständige Dienstleistung angesehen werden. Die Aufgaben beziehen sich vor allem auf die Lagerhaltung und Aufbereitung des abgebauten Materials. Weiterhin besteht eine Aufgabe der Logistik über Tage darin, die Strecken für den Abtransport vorzubereiten und so zu planen, dass die Logistikkosten gering gehalten werden. Bei der Durchführung logistischer Prozesse über Tage werden vor allem Regalfahrzeuge für die Lagerhaltung verwendet und Flurfahrzeuge, Fahrzeugkräne und Schienenfahrzeuge für den Abtransport. Da die Logistik über Tage als Vorbereiter für die Logistik unter Tage verstanden werden kann, muss sie sicherstellen, dass die benötigten Materialien in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit zur Verfügung stehen und die abgebauten Materialien zur richtigen Zeit abgenommen werden [AuWe92].
Die pneumatische Förderung spielt eine entscheidende Rolle in der Bereitstellung großer Baustoffmengen unter Tage, ohne den Schacht mit Fördereinheiten zu belasten. Im deutschen Steinkohlenbergbau werden etwa 60% der benötigten Mengen pneumatisch und etwa 40% hydraulisch gefördert. Dieses System basiert auf einem Netzwerk von Zwischenbunkern und Rohrweichen. Dabei kommen verschleißfeste Rohrleitungen mit hoher Standzeit zum Einsatz, um den abrasiven Charakter des Förderguts erfolgreich zu bewältigen.
Die hydraulische Förderung fungiert als zweites Standbein für die Fernförderung von Baustoffen und ermöglicht dabei die Überbrückung großer Entfernungen (bis zu 6 km). Durch moderne Steuerungen wird eine optimierte Erstellung des pumpfähigen Baustoffs gewährleistet. Zudem ermöglicht dieses System eine flexible Anpassung der Materialqualität vor Ort, abhängig von den gebirgsmechanischen Erfordernissen [DaHi13].
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat in einer Studie aus dem Jahre 2013 die Transportwege und Mengen von Steinkohle als Beispiel eines Produktes des Bergbaus untersucht. Haupttransportmittel sind hier die Bahn und die Binnenschifffahrt. Der Transport erfolgt meistens direkt von der Produktionsstätte oder von Verteilpunkten, wie beispielsweise dem Binnenhafen in Duisburg, bis zu den Kohlekraftwerken. In der Studie wird ebenfalls ersichtlich, dass die Transporte ihren Ursprung nicht nur in Deutschland haben. Viele Lieferungen kommen aus Übersee und werden in Hamburg oder Rotterdam auf Schiene oder Binnenschiff verladen [BBSR13b, S. 11f.].


Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Branchenspezifische Logistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?286059
Literatur
[AuWe92] Aunkofer, A., Weiland, H. H., Laskawy, J. Handbuch der Bergbaulogistik, Glückauf GmbH, Essen, 1992, ISBN/ISSN 3-7739-0588-2
[BBSR13b] Bernd Buthe, Peter Jakubowski Robustheit des Verkehrssystems - Anpassungsbedarf bei der Steinkohle?, 2013
[DaHi13] Dipl.-Ing. Christos Dalios, Tobias Hilgenberg Herausforderungen in der Schachtlogistik im Berg- und Tunnelbau, veröffentlicht in Mining Report Glückauf, Ausgabe/Auflage Volume 149, Issue 5, 2013/11/22, Online-Referenz doi:10.1002/mire.201310028
Glossar
Flaschenhals Als Flaschenhals bezeichnet man diejenige Anlage, Funktion, Abteilung oder Ressource, die in einer betrachteten Periode und einem festgelegten Prozess die höchste Auslastung in der gesamten Prozesskette hat und damit der Durchfluss begrenzt wird. Der Flaschenhals wirkt somit als Kapazitätsgrenze für das Gesamtsystem.
Fahrung Der Begriff Fahrung stammt aus dem Bergbau. Fahrung steht für die Personenbeförderung unter Tage. Die Personenbeförderung beginnt mit der Seilfahrt und setzt sich fort durch das Grubengebäude bis hin zum Arbeitsplatz (Betriebspunkt) und von dort wieder zurück.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?445686

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 10:30:43