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Gestaltung der Lieferkette im Handel

Erstellt am: 29.07.2014 | Stand des Wissens: 26.04.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Eine Lieferkette stellt ein Netzwerk dar, das Produzenten, Händler und Konsumenten verknüpft, um Kundenanfragen zu erfüllen. Sie besteht aus Tätigkeiten, die notwendig sind, damit ein Gut von seinem Hersteller zu seinem Endverbraucher gelangt. Hierbei ist eine genaue Abstimmung zwischen Transportunternehmen, Lagerhäusern und Händlern wichtig. Die Kette durchläuft eine Vielzahl von Umwandlungs- und Verteilungsprozessen, wobei Güter gegenseitig und mit weiteren Anbietern getauscht werden können. Derweilen kann das Gut auch Zwischenhändler und weiterverarbeitenden Betrieben passieren, um den Zielkunden zu erreichen [Polu14].

Zu den Teilnehmern der Lieferkette gehören die Versender und die Empfänger, aber auch Distributeure und Empfänger des Gutes selbst. Die Versender und Empfänger von Waren können aus verschiedenen Branchen kommen und sind für den Versand von produzierten Gütern, Zwischengütern oder auch von Rohstoffen zur Produktion, zuständig. Das Management des Güter- und Informationsflusses übernehmen hierbei die Logistikdienstleister. Die Güter werden an logistischen Zentren, wie Häfen und Terminals, umgeschlagen [Boga08b]. Bei der Gestaltung der Lieferkette ist das oberste Ziel die Senkung der entstehenden Kosten für den Transport, den Umschlag und die Lagerung, bei gleichzeitiger Einhaltung der vereinbarten Lieferzeiten [Gude13]. Kostet beispielsweise der Seetransport von Bekleidung zwischen Asien und Europa auf ein einzelnes T-Shirt gerechnet nur wenige Cent [Uch10], so können die gesamten Logistikkosten dennoch 5-25 Prozent des Umsatzes erreichen und zwischen 10 bis 50 Prozent der Handelsspanne aufzehren [Gude13].
Die Regierung ist an einer sicheren Lieferkette äußerst interessiert, wobei dem Zoll die Aufgabe der Kontrolle der Sicherheit zufällt. Des Weiteren machen Zolleinnahmen aus der Lieferkette in vielen Ländern einen Großteil der Staatseinnahmen aus [Boga08b]. Zum Beispiel betrugen im Jahre 2020 die deutschen Zolleinnahmen 17,4 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen [Stat21h; Zoll21]. Mit rund 1,4 Milliarden Euro wird der deutsche Einzelhandel tagtäglich beliefert, wobei die Gestaltung der Lieferkette von den Entscheidungen einzelner Handelsunternehmen abhängt. Die METRO Group setzt auf eine Beschaffung vor Ort, denn so werden Lieferintervalle, Lieferzeiten und Transportwege verkürzt und Lagerhaltungskosten minimiert. Lieferengpässe und Kommunikationsprobleme können so vermieden werden. Die kurzen Transportwege wirken sich ebenfalls positiv auf die Umwelt aus, da weniger CO2 ausgestoßen wird [Falk12]. Des Weiteren kann unter Zuhilfenahme von Radiofrequenzidentifikationstechniken (RFID) und Zentrallagern eine Lkw-Auslastung von über 90 Prozent pro Fahrt gewährleistet werden. Somit können, bis zu drei Millionen Lkw-Fahrten eingespart werden, sowie Leer- und Doppelfahrten vermieden werden. Ebenfalls entstehen neue, flexible Verpackungs- und Stapelsysteme zur Platzeinsparung. Die Modernisierung von Fuhrparks und spezielle Schulungen der Fahrer ermöglichen eine Ansparung an Treibstoff. Diese Veränderungen wirken sich erfolgreich auf die Gestaltung der Lieferkette im Handel aus [Falk12].
Im Juni 2021 beschloss der Bundestag das sogenannte Lieferkettengesetz, mit dem Ziel den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Das Gesetz legt klare Sorgfaltspflichten von Unternehmen über deren gesamte Lieferkette fest und zwingt sie zum Beispiel zu Risikoanalysen, mehr Transparenz und der Einrichtung von Beschwerdemechanismen [BMZ21]. Das Gesetz gilt für Unternehmen mit 3000 oder mehr Arbeitnehmern, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Handelslogistik (Stand des Wissens: 27.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?415841
Literatur
[BMZ21] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Hrsg.) Das Liefer­ketten­gesetz ist da, 2021
[Boga08b] Christian Bogatu Smartcontainer als Antwort auf logistische und sicherheitsrelevante Herausforderungen in der Lieferkette: Auswirkungen und Handlungsempfehlungen für die Wertschöpfungskette der Logistik, Universitätsverlag der TU Berlin, 2008
[Falk12] Kai Falk Entlang der Lieferkette: Handelswege verantwortungsvoll gestalten, Blumberry. Agentur für Kommunikation, Berlin, 2012
[Gude13] Timm Gudehus Logistik: Grundlagen - Strategien - Anwendungen, Ausgabe/Auflage 2. Ausgabe, Springer-Verlag, 2013, ISBN/ISSN 3662084082, 9783662084083
[Polu14] Rolf G. Poluha Anwendung des SCOR-Modells zur Analyse der Supply Chain, Ausgabe/Auflage 6, JOSEF EUL VERLAG GmbH, Lohmar-Köln, 2014/08/08, ISBN/ISSN 3844103430, 9783844103434
[Stat21h] Bundesministerium der Finanzen Steuereinnahmen in Deutschland von 2020 bis 2026 laut Steuerschätzung, 2021
[Uch10] Wolfgang Uchatius Das Welthemd, veröffentlicht in ZEIT, Ausgabe/Auflage 51/2010, 2010
[Zoll21] Generalzolldirektion (Hrsg.) Der Zoll Daten und Fakten im Überblick, 2021
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Versender Versender (auch Verlader genannt) sind Unternehmen, die Transportleistungen und verwandte logistische Dienstleistungen für ihre Sendungen nachfragen.
RFID RFID steht für 'Radio-frequency identification'. Mit der Hilfe von elektromagnetischen Wellen ermöglicht RFID die automatische Identifizierung und Lokalisierung von Gegenständen und Lebewesen. Dadurch ist es möglich Daten erheblich einfacher zu erfassen und zu speichern.
Logistikdienstleister Logistikdienstleister (abgekürzt: LDL; Englisch: logistics service provider) bezeichnet die Weiterentwicklung des traditionellen Speditionsgeschäfts. Über Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) hinaus bietet der LDL weitere Leistungen und Lösungen an, zum Beispiel kundenbezogene Lagerung, Kommissionierung, Assemblierung, Fakturierung usw. LDL und 3PL werden häufig synonym verwendet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?434256

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 07:21:35