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Lebensmittelhandel

Erstellt am: 24.07.2014 | Stand des Wissens: 15.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland erwirtschaftete im Jahr 2020 139,4 Milliarden Euro (ohne Fachhandel) [Stat21a]. Der umsatzstärkste Lebensmitteleinzelhändler war 2020 die Edeka-Gruppe mit einem Marktanteil von 27,1 Prozent, gefolgt von der Rewe-Gruppe mit 20,8 Prozent. Der Lebensmittelhandel weist eine hohe Anbieterkonzentration auf, da die fünf größten Unternehmen 78,9 Prozent des Branchenumsatzes ausmachen (siehe Abb. 1) [Stat20p]
Lebensmittel_FIS.pngAbb. 1: Eigene Darstellung nach [Stat20p]: Marktanteile der führenden Unternehmen im Lebensmittelhandel in Deutschland im Jahr 2019 (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Im Lebensmitteleinzelhandel gilt, dass der Aufwand für den Transport und die Lagerung der Waren mit dem Frischegrad und dem Verarbeitungsgrad steigt. So erfordern temperaturgeführte Waren wie Molkereiprodukte, Tiefkühlkost, Fleisch und Obst eine kontinuierliche Kühlung auf bestimmte Temperaturen über alle Segmente der Lieferkette hinweg. Eine Unterbrechung der Kühlkette kann bei Lebensmitteln zu einem gravierenden Qualitäts- beziehungsweise Frischeverlust oder zum Totalverlust der Ware führen [VaKo12, S. 117]. Aus der Perspektive des Transportes sind in der Beschaffungslogistik häufig lange und variierende Beförderungswege erforderlich. Grund hierfür sind beispielsweise saisonale Produkte wie Obst und Gemüse, deren Verfügbarkeit ganzjährig gewährleistet sein soll. Dafür bezieht der Lebensmittelhandel seine Waren aus Beschaffungsmärkten unterschiedlicher Klimazonen. Um ganzjährig Mangos anbieten zu können, werden diese aus Ernteländern wie Ecuador, Mexiko oder Israel bezogen. Hohe Schwankungen in den Bestellmengen und -zeitpunkten führen dazu, dass keine langfristigen Lieferverträge geschlossen werden und teilweise teure Charterflüge für die Beschaffung von tropischem Importobst arrangiert werden [Hav08, S. 45ff.]. Insgesamt werden täglich mehr als 140 Tonnen Lebensmittel nach Deutschland eingeflogen. Der Anteil der geflogenen Lebensmittel ist jedoch sehr verschieden: Während nur 0,01 Prozent der importierten Bananen geflogen werden, sind es bei frischen Papayas etwa 92 Prozent [Kel10].

Viele Einzelhandelsfilialen liegen in den Innenstädten oder Wohngebieten und können aufgrund des städtischen Verkehrsaufkommens nur zu Tagesrandzeiten zuverlässig beliefert werden. Darüber hinaus werden die Lagerflächen in den Filialen aufgrund hoher Mietpreise und einer wachsenden Sortimentsbreite so weit wie möglich reduziert [Hof09, S. 31]. Zur Vermeidung leerer Regale werden die kleineren Lagerflächen durch eine höhere Anlieferfrequenz ausgeglichen. So werden Waren des Frischesortiments täglich angeliefert, Waren des Trocken- und Tiefkühlsortiments zwei- oder dreimal pro Woche [GaSc13, S. 43]. Die Waren werden zu 76 Prozent in den Zentrallägern der großen Handelsketten konsolidiert und von dort ausgeliefert. Einzelne Konsumgüterhersteller stellen ihre Waren aber auch direkt in die Filialen zu [KuSt11]. Höhere Lieferfrequenzen mit kleineren Ladungen und nicht vollständig ausgelasteten Transportkapazitäten resultieren in einer sinkenden Transporteffizienz und damit in einer Zunahme des Wirtschaftsverkehrs im städtischen Raum. Darüber hinaus steigt die Anzahl von Rampenkontakten seitens der Filialen [GaSc13, S. 35f.]. Darum kommt es in Stadtvierteln mit einer kombinierten Nutzung aus Wohnraum und Gewerbeflächen häufig zu Konflikten mit Anwohnern, die sich von Lärm gestört fühlen, der während der Warenanlieferung entsteht [Wac11].
Distributionssysteme im filialisierten Lebensmittelhandel sind häufig mehrstufig (mit Zentrallager, Regionallagern und Filialen) [Trip21, S.227]. Durch die Zentrallager wird die Produktion von der Nachfrage sowohl zeitlich, als auch örtlich, entkoppelt und der Nachschub () für folgende Lagerstufen innerhalb möglichst kurzer Lieferzeiten sichergestellt. Aus den Regionallagern erfolgt die Belieferung von Endkunden oder Filialen über geplante Touren. [Trip21, S.228]
Die Mehrstufigkeit erlaubt es zudem durch intelligente Tourenplanungen Konsolidierungseffekte zu erzielen indem Mehrkammer-LKW genutzt werden, die Waren mit unterschiedlichen Temperaturanforderungen gleichzeitig ausliefern können und mehrere Filialen anfahren bevor sie zum Regionallager zurückkehren [Trip21, S.252]. Diese werden üblicherweise im Cross Docking Verfahren beliefert [Trip21, S.289].
Wie und wann die Filialen des Lebensmitteleinzelhandels beliefert werden, sind zwar unternehmerische Entscheidungen einzelner Handelsunternehmen, die Politik kann jedoch mit einer Reihe verkehrspolitischer Maßnahmen zur Regulierung des städtischen Wirtschaftsverkehrs auf diese Entscheidungen Einfluss nehmen. Dazu gehören beispielsweise Einfahrverbote für bestimmte Lkw-Typen, Umweltzonen und räumlich oder zeitlich differenzierte Innenstadt-Mautgebühren [GaSc13, S. 33].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Branchenspezifische Logistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?286059
Handelslogistik (Stand des Wissens: 27.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?415841
Literatur
[GaSc13] Gabler, Manuel, Schröder, Stefan , Friedrich, Hanno , Liedtke, Gernot Generierung der Nachfragestrukturen für die mikroskopische Simulation des städtischen Distributionsverkehrs im Lebensmittelhandel, veröffentlicht in Wirtschaftsverkehr 2013, Springer, 2013, ISBN/ISSN 978-3-642-37600-9
[Hav08] Kirsten Havers Die Rolle der Luftfracht bei Lebensmitteltransporten - Aktuelle Entwicklungen in Deutschland und deren ökologische Folgen, Öko-Institut e.V. Freiburg, 2008
[Hof09] Florian Hofer Management der Filiallogistik im Lebensmitteleinzelhandel, Springer-Verlag, 2009
[Kel10] Markus Keller Flugimporte von Lebensmitteln und Blumen nach
Deutschland , 2010
[KuSt11] Kuhn, Heinrich , Sternbeck, Michael , Logistik im Lebensmittelhandel - Eine empirische Untersuchung zur Ausgestaltung handelsinterner Liefernetzwerke, veröffentlicht in Forschungsbericht der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt, 2011
[Stat20p] BVE (Hrsg.) Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland: Marktanteile führender Unternehmen in Jahr 2020, 2020/07
[Stat21a] GfK Germany, IRI (Hrsg.) Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2020, 2021/1
[Trip21] Christoph Tripp, Distributions- und Handelslogistik - Netzwerke und Strategien der Omnichannel-Distribution im Handel, 2021/01
[VaKo12] Vahrenkamp, Richard, Kotzab, Herbert, Siepermann, Christoph Logistik: Management und Strategien, Ausgabe/Auflage 7. Auflage, Oldenbourg Verlag, München, 2012, ISBN/ISSN 3486705792, 9783486705799
[Wac11] Wolfgang Wackerl Die Entstehung und Entwicklung von Konflikten in nutzungsgemischten Quartieren, Aachen, 2011
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?433928

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 04:11:43