Nutzerpräferenzen und potenzielle Erstnutzer der Elektromobilität
Erstellt am: 28.02.2014 | Stand des Wissens: 01.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Nutzer berücksichtigen bei der Entscheidung über die Nutzung eines Verkehrsmittels unterschiedliche Qualitätskriterien. Diese beziehen sich auf die Eignung eines Mobilitätssystems, seinen Primärzweck, nämlich die Bewältigung von (unterschiedlichen) Wegen, zu gewährleisten.
Aufgrund der Eigenschaften des Elektromobilitätssystems sind folgende Anforderungen bei der Bestimmung potenzieller Erstnutzer von besonderer Bedeutung [Rein14]:
Aufgrund der Eigenschaften des Elektromobilitätssystems sind folgende Anforderungen bei der Bestimmung potenzieller Erstnutzer von besonderer Bedeutung [Rein14]:
- Hohe (elektrische) Fahrleistung: Elektrisch angetriebene Fahrzeuge sind in der Anschaffung, insbesondere bedingt durch die hohen Batteriekosten, noch teurer als herkömmlich angetriebene Fahrzeuge. Im laufenden Betrieb erzielen Elektrofahrzeuge hingegen Kostenvorteile, bedingt durch niedrigere Energie-, Wartungs- und Reparaturkosten. Eine hohe elektrische Fahrleistung ist vor diesem Hintergrund wesentlich, um einen Kostenvorteil gegenüber Fahrzeugen mit herkömmlichen Antrieben generieren zu können.
- Geringer Anteil an Langstrecken: Die Reichweite von Elektrofahrzeugen ist im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor (Internal combustion engine vehicle - ICEV) mit einer durchschnittlichen Reichweite von 435 Kilometern geringer [Stat21e]. Für Wege, deren Distanz die Reichweite des Fahrzeugs überschreitet, müssten Nutzer Wartezeiten für das Aufladen der Batterie in Kauf nehmen. Durch erhöhte Ladegeschwindigkeiten kann dieser Nachteil allerdings reduziert werden, wodurch dieser Faktor etwas an Bedeutung verlieren würde. Auch die Verfügbarkeit eines weiteren Fahrzeuges (Zweitwagens), mit dem unregelmäßige längere Wege gefahren werden können, reduziert die Bedeutung dieses Faktors.
- Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur am regelmäßigen Stellplatz: Die Verfügbarkeit einer Ladeinfrastruktur am regelmäßigen Stellplatz (zum Beispiel am Wohnort) erhöht den Nutzen aus Mobilitätsoptionen und reduziert somit Kaufbarrieren.
- Know-how hinsichtlich der Bewertung zukünftiger Nutzen- und Kostenkomponenten: Die Bewertung des Vorteils einer höheren Anfangsinvestition gegenüber Einsparungen der laufenden Kosten erfordert Informationen und Sachverstand. Für deren Aufbau und Beschaffung bedarf es Ressourcen, die eher bei Unternehmen als bei Privatnutzern zu vermuten sind.
Neben Besonderheiten der Elektromobilitätssysteme gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die zumeist keinen direkten Einfluss auf eine Gesamtkosten (TCO)-Betrachtung oder die Mobilitätsoptionen haben. Als Beispiele können an dieser Stelle Umweltfreundlichkeit oder Innovationsaffinität genannt werden. Auch das Einkommen sowie das Alter kann die Entscheidung bei der Modalwahl beeinflussen.
Auf Grundlage der genannten Punkte kann für einige Nutzergruppen die Elektromobilität bereits in Frühphasen sinnvoll sein. Dies könnten zum Beispiel Flotten des städtischen Wirtschaftsverkehrs, Berufspendler oder Carsharing-Unternehmen betreffen. Diese potenziellen Erstnutzergruppen der Elektromobilität sollen im Folgenden erläutert werden:
Auf Grundlage der genannten Punkte kann für einige Nutzergruppen die Elektromobilität bereits in Frühphasen sinnvoll sein. Dies könnten zum Beispiel Flotten des städtischen Wirtschaftsverkehrs, Berufspendler oder Carsharing-Unternehmen betreffen. Diese potenziellen Erstnutzergruppen der Elektromobilität sollen im Folgenden erläutert werden:
Flotten des städtischen Wirtschaftsverkehrs, wie beispielsweise von Lieferdiensten, Pflegediensten oder anderen Organisationen, die für die Erbringung ihrer Leistungen Fahrzeuge im städtischen motorisierten Individualverkehr einsetzen, erreichen häufig eine hohe Fahrleistung. Gleichzeitig ist der Anteil an Langstrecken durch den häufigen Einsatz innerhalb des Stadtgebietes geringer. Im Regelfall verfügen derartige Organisationen auch über eigene Stellplätze für ihre Fahrzeuge, die sich gegebenenfalls mit Lademöglichkeiten ausrüsten lassen. Hinzu kommt, dass diesen Organisationen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, um einen längerfristigen Kostenvorteil zu erkennen. Zusätzlich ist der Einsatz von Elektrofahrzeugen gesellschaftlich positiv belegt und damit in der Außendarstellung vermarktbar [BMVI14z].
Berufspendler, die für den täglichen Weg zur Arbeit einen eigenen Pkw nutzen, stellen weitere Erstnutzer dar. Durch die regelmäßigen Fahrten zum Arbeitsplatz erreichen sie hohe Fahrleistungen. Viele Pendler verfügen über einen privaten Stellplatz, auf dem sich die Nutzung einer Lademöglichkeit anbietet. Möglicherweise sorgt auch der Arbeitgeber für Lademöglichkeiten am Arbeitsort. Weitere den Kauf eines Elektrofahrzeugs begünstigende Eigenschaften sind die Verfügbarkeit eines Zweitwagens, Umweltfreundlichkeit, Technikaffinität sowie die Höhe des Einkommens.
Es sind viele weitere Nutzergruppen entlang der oben dargestellten Anforderungen denkbar. Dabei können Faktoren, welche insbesondere die Kostenaspekte beeinflussen (wie zum Beispiel die Fahrleistung) auch von geringerer Bedeutung sein und "weichere" Faktoren in den Vordergrund treten. Beispielsweise wurden in [FrJa15] eine Gruppe von Erstnutzern untersucht, deren Entscheidung nicht vorrangig durch wirtschaftliche Überlegungen beeinflusst wird, sondern eher durch weiche Faktoren wie zum Beispiel Umweltfreundlichkeit oder Innovationsinteresse. Diese Gruppe bestand überwiegend aus Männern im Alter von über 50 Jahren, die in ländlichen oder kleinstädtischen Gebieten wohnen, aus einem (hoch) gebildetem Milieu kommen mit höherem Einkommen und deren Haushalt über mehrere Pkw verfügt.
Auch Unternehmen mit Sharing-Mobility Konzepten beziehungsweise deren Kunden stellen potenzielle Erstnutzer der Elektromobilität dar [575981]. Carsharing-Konzepte streben unter anderem eine höhere Auslastung der eingesetzten Fahrzeuge an, als dieses bei Fahrzeugen der Fall ist, die im Eigentum von Privatnutzern sind. Somit können grundsätzlich analog zu den oben beschriebenen Flottenbetreibern auch hier höhere Jahresfahrleistungen unterstellt werden. Auch weitere in Bezug auf Flottenkunden diskutierte Faktoren können analog für Carsharing-Unternehmen unterstellt werden, wie insbesondere die Verfügbarkeit von Ressourcen für eine TCO-Betrachtung sowie potenzielle Vorteile bei der Außendarstellung. Grundlegende Unterschiede zu den oben beschriebenen Flottenkunden bestehen hinsichtlich der Stellplätze. Hier lassen sich Carsharing-Angebote nach Konzepten mit festen Standorten und solchen, bei denen die Stellplätze von den Kunden innerhalb bestimmter Gebiete frei gewählt werden können, unterscheiden. Während bei festen Stellplätzen wiederum relativ einfach garantiert verfügbare Lademöglichkeiten geschaffen werden können, ist dieses bei freier Stellplatzwahl nicht möglich. Für den Fall der freien Stellplatzwahl innerhalb bestimmter Gebiete ist zu hinterfragen, inwieweit die Kunden des Carsharing-Unternehmens Extrawege oder Wegzeiten in Kauf nehmen müssen, um ihr Fahrzeug an Stellplätzen mit Lademöglichkeit zu parken. Für den wahrscheinlichen Fall, dass Kunden zumindest in manchen Situationen zusätzliche Wegzeiten in Kauf nehmen müssen, würde dieses einen zusätzlichen Nachteil für das System bedeuten. Außerdem ist fraglich, ob die Kunden das Fahrzeug in solchen Fällen auch tatsächlich an den vorgesehenen Platz fahren.
Unabhängig von der Stellplatzdiskussion gilt es zu hinterfragen, inwieweit die Kunden von Carsharing-Unternehmen auf den Einsatz von Elektrofahrzeugen (dann als Nutzer) reagieren. Dabei ist die Frage der Entgeltgestaltung des Carsharing-Unternehmens von Bedeutung. In Fällen, in denen die Nutzung eines Elektrofahrzeuges von einem Kunden im Vergleich zu einem ICEV als qualitativ schwächer bewertet wird (zum Beispiel aufgrund von Komforteinbußen), dürfte dieser auch eine entsprechend geringere Zahlungsbereitschaft aufweisen. Vor dem Hintergrund, dass viele Carsharing-Konzepte auch beim Einsatz von ICEV als Mobilitätssystem ganz eigene Schwächen aufweisen (wie zum Beispiel Nutzungskonflikte), kann der Erfolg einer Kombination mit Elektrofahrzeugen (und mit den damit einhergehenden Schwächen) als zweifelhaft betrachtet werden [BMVI16z].
Darüber hinaus stellen auch Nutzer von Ridesharing-Anbietern potenzielle Erstkunden dar [Eco19].