Arten von Warenwirtschaftssystemen
Erstellt am: 03.08.2013 | Stand des Wissens: 04.09.2024
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Warenwirtschaftssysteme stellen Werkzeuge dar, mit deren Hilfe sich die Handelslogistik optimieren lässt. In Abhängigkeit von den Zielen, die durch die Logistik verfolgt werden, sind geeignete Warenwirtschaftssysteme auszuwählen.
Das Unterscheidungsmerkmal in Hinblick auf offene und geschlossene Warenwirtschaftssysteme sind die erfassten Informationen. In offenen Warenwirtschaftssystemen werden nur Warenein- und -ausgänge erfasst. Geschlossene Systeme erfassen darüber hinaus den gesamten Warenfluss in allen Phasen von der Disposition bis zum Warenausgang mengen- und wertmäßig. Dies führt zu einem höheren organisatorischen und personellen Aufwand, da zusätzlich Bruch, Verderb und Inventurdifferenzen zeitnah registriert werden müssen [Hert11, S. 247 f.]. Echtzeitsysteme sind auf Daten der Verkaufsstellen angewiesen und aufwendiger zu implementieren. Eine Anforderungsliste und Kostenvergleich sollte der Entscheidungsfindung vorangehen. Eine Alternative, die jedoch keine Daten in Echtzeit liefert, ist das Sammeln der Bestandsabnahmedaten durch Scannen von Artikeln an den Kassen und die täglich einmalige Zusammenführung der Daten aller Kassen zur Bestandserfassung [Hert11, S. 333].
Integrierte Warenwirtschaftssysteme sind erweiterte geschlossene Systeme. Sie zeichnen sich durch eine Verknüpfung der Warenwirtschaftssysteme verschiedener operativer Einheiten aus. Diese stellen die von einem Warenwirtschaftssystem erfassten betrieblichen Einheiten oder Leistungsstellen, in denen operative Geschäfte abgewickelt werden, dar; Beispiele sind Verkaufsstellen und Läger [Hert11, S. 257]. Es wird zwischen interner und externer Integration unterschieden. Interne Integration kann in filialisierten Unternehmen umgesetzt werden und bedeutet eine Verbindung zwischen dem Warenwirtschaftssystem der Zentrale und denen der einzelnen Filialen durch Datenaustausch. Von externer Integration wird gesprochen, wenn Warenwirtschaftssysteme unterschiedlicher Partner innerhalb einer Lieferkette verknüpft werden. Ziel ist ein möglichst lückenloser Datenfluss vom Lieferanten bis zum Kunden. Zusätzlich existieren teilintegrierte Systeme, die sich durch die unvollständige Verknüpfung der Warenwirtschaftssysteme auszeichnen; beispielsweise sind die Bestell- und Wareneingangsdaten der Filialen von der Zentrale abrufbar, während auf die Bestände und Warenausgänge nur in den Warenwirtschaftssystemen der Filialen zugegriffen werden kann. Nicht integrierte Systeme werden als isolierte Systeme bezeichnet [AhOl97, S. 3 ff.].
Hinsichtlich externer Integration kann zwischen vertikaler und horizontaler Integration unterschieden werden. Eine vertikale Integration ist gekennzeichnet durch die unternehmensübergreifende Abstimmung von Prozessen auf vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen [BaHa07a, S. 440]. In horizontaler Richtung entstehen hingegen Verbünde von Unternehmen auf derselben Einzel- oder Großhandelsstufe. Diese Kooperationen beinhalten die Verknüpfung der individuellen oder die Verwendung gemeinsamer Warenwirtschaftssysteme. Ein aktuelles Beispiel ist der Zusammenschluss einiger mittelständischer Handelsfirmen für eine gemeinsame Beschaffungslogistik mit dem Ziel, den Machtbereich in der Lieferkette durch Bündelung der Lieferverkehre und damit verbundenen Kostensenkungen zu erhöhen [Hass12].
Ein Beispiel für eine Verringerung der Transportstrecken stellt das Konzept der Gebietsspeditionen dar. Dabei werden regional zusammenliegende Lieferanten einzelnen Spediteuren zugeordnet, die in Sammeltouren die Beschaffungsvorgänge konsolidieren und gebündelt anliefern, sodass das Verkehrsaufkommen insgesamt verringert wird [BeSc04a, S. 303].
Als mehrstufig wird ein Warenwirtschaftssystem bezeichnet, wenn sämtliche warenwirtschaftlichen Prozesse über mehr als eine Handelsstufe hinweg modelliert werden. Konkret bedeutet dies, dass Großhandels- und Einzelhandelsstufen mit ihren jeweiligen Wechselwirkungen abgebildet werden [Olbr92]. Für ein großes Handelsunternehmen ergibt sich die Möglichkeit, die warenwirtschaftlichen Anforderungen sowohl auf der Zentral- als auch auf der Regional- oder Filialseite abzudecken [Hert99, S. 7]. Dadurch, dass die Stufen mit ihren zugehörigen Prozessen abgebildet sind, kann ein Datenaustausch erfolgen, der eine Optimierung des Gesamtprozesses ermöglicht. Bei einem einstufigen Warenwirtschaftssystem wird nur eine Handelsstufe abgebildet.
Zentrale Warenwirtschaftssysteme sind der Zentrale des Handelsunternehmens zugehörig, wohingegen die Systeme der angeschlossenen Filialen als dezentral bezeichnet werden [Hert11, S. 248]. Durch die Verknüpfung der WWS der Zentrale mit denen der Filialen und durch die Verwendung von einheitlichen Standards kann eine effiziente zentrale Steuerung des Gesamtsystems erreicht werden. Die dezentralen Systeme können an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden.
Weitere Differenzierungsmerkmale der Warenwirtschaftssysteme unterscheiden nach dem Ausmaß der Standardisierung der Anwendungssoftware. Verfügbar sind sowohl Individual- und Standardlösungen als auch Baukastenkonzepte, bei denen aus einer vorgegebenen Sammlung von Funktionen eine bedarfsgerechte Lösung zusammengestellt wird. [Hert11, S. 273ff]. Die Kosten für Individuallösungen übersteigen die von Standardprodukten deutlich; demgegenüber steht jedoch der Vorteil, dass das Warenwirtschaftssystem exakt an bestehende Unternehmensstrukturen angepasst werden kann. Standardsoftware kann schneller und kostengünstiger implementiert werden, jedoch müssen eventuell Unternehmensprozesse an die Software angepasst werden.