Ausbau der Hinterlandanbindungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Seehäfen
Erstellt am: 14.04.2003 | Stand des Wissens: 06.01.2025
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Gut ausgebaute Hinterlandanbindungen sind ein wichtiger Faktor im Seehafenwettbewerb. Sie erschließen den Zugang zu Wirtschaftsregionen im Landesinneren und sind entscheidungsrelevant für die Hafenwahl des Reeders. Der Einsatz von geeigneten Telematikanwendungen kann die Auslastung der vorhandenen Infrastrukturkapazitäten verbessern und durch Anpassung von Prozessabläufen einzelwirtschaftliche Effizienzgewinne bei den Akteuren der Transportkette generieren [PlKK07, S. 5]. Aus Sicht der Seehäfen ist die fehlende Entscheidungsmacht bezüglich den Ausbaumaßnahmen zur besseren Erschließung des Hinterlandes problematisch. Hafenbetreiber versuchen somit auf die Entscheidungsträger der Politik einzuwirken, um Defizite der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur zu beseitigen [Unic98; Heit02; RoNo09].
Die deutschen Seehäfen mit bedeutenden Containerumschlagterminals (Hamburg, Bremen/Bremerhaven und Wilhelmshaven) weisen allgemein gute Straßen- und Schienenanbindungen auf, die aber für die Zukunft als nicht ausreichend angesehen werden. Dazu kommt, dass sowohl in den Seehäfen als auch auf dem gesamten Bundesgebiet deutlicher Sanierungsbedarf bei der Straßeninfrastruktur herrscht. Über 13 Prozent der Brücken an Bundesfernstraßen und über 16 Prozent der Autobahnen befinden sich in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand [Welt14]. Weitere notwendige Maßnahmen sind zum Beispiel Ausbaumaßnahmen wie der Neubau von Eisenbahntrassen. Der Neubau der Y-Trasse wurde jedoch zugunsten eines Ausbaus der bestehenden Strecken abgelehnt [NDR18d].
Die Bundesländer definierten im Nationalen Hafenkonzept verschiedene Schienenprojekte für die Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen (Ahrensburger Liste, die bei Bedarf fortgeschrieben wird), für die vom Bund eine Prüfung zugesagt wurde.
Der Anschluss an das deutsche Binnenwasserstraßennetz ist nur unzureichend und weist Probleme bei Hoch- und Niedrigwasser auf. Auch in Zukunft wird das Binnenschiff, trotz in den letzten Jahren schnell steigender Beförderungszahlen, nur eine untergeordnete Rolle im Containerhinterlandverkehr der deutschen Seehäfen spielen. Um die Binnenschifffahrt zumindest wirtschaftlich attraktiver zu gestalten, wurde zum 1. Januar 2019 die Befahrensabgabe abgeschafft. Dies soll die gewerbliche Binnenschifffahrt jährlich um bis 45 Millionen Euro entlasten [BMVI19]. Weiterhin wurde am 14. Mai.2019 der sogenannte Masterplan Binnenschifffahrt vom Verkehrsminister Andreas Scheuer vorgestellt. Durch diesen soll die Binnenschifffahrt zukunftsfähig gemacht und deren volles Potential ausgeschöpft werden. Die fünf Schwerpunkte des Planes umfassen:
- Verbesserung der Infrastruktur durch Investitionen in die finanziellen, strukturellen und personellen Kapazitäten.
- Eine umweltfreundliche Flottenstruktur zu erschaffen.
- Vorantreiben der Digitalisierung durch Vernetzung der Häfen und Automatisierung der Umschlagplätze..
- Den Anteil der Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt am Modal Split auf 12 Prozent zu erhöhen.
- Nachwuchsgewinnung und Ausbildung von Fachkräften zu unterstützen [BMVI19e].
Die niederländischen und belgischen Konkurrenzhäfen der deutschen Seehäfen weisen Vorteile im Anschluss an das Binnenwasserstraßennetz auf. Der Schienenverkehr spielt hier bisher nur eine untergeordnete Rolle. Neubauprojekte wie die Betuweroute von Rotterdam zur deutschen Grenze als reine Güterbahn sollen den niederländischen Seehäfen den Bahnanschluss an das deutsche und europäische Hinterland sichern (Eröffnung auf niederländischer Seite 2007). Der Beginn des Ausbaus auf deutscher Seite erfolgte nach jahrelanger Verzögerung 2016 und wurde 2023 abgeschlossen. Im Rahmen dieses Ausbaus wurde die Kapazität der grenzüberschreitenden Betuweroute von zuvor 110 Zügen pro Tag auf heute 160 Züge pro Tag erhöht und soll bis 2030 weiter auf 192 Züge pro Tag ansteigen [NMIU16].
Fehlende Hinterlandanbindungen können für Containerhäfen dann zum Problem werden, wenn die Reeder auf der Suche nach Kosteneinsparungspotenzialen die Hub-Ports wechseln [Hans02b]. Auch der JadeWeserPort in Wilhelmshaven ist im Wesentlichen als Hub-Port mit einem hohen Anteil an Transshipment ausgelegt. In Folge dessen strich die Reederei Maersk im Jahr 2017 den Hamburger Hafen aus einer ihrer Ost-West-Routen und läuft innerhalb dieser Route nur noch Wilhelmshaven an [WisB19, S. 3].
Im europäischen Rahmen ist eine Schaffung von harmonisierten Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf die Hinterlandanbindungen notwendig. Dies betrifft vor allem die Trassenentgelte in Deutschland, den Niederlanden und Belgien [Ippi00].