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Ausbau der seewärtigen Zufahrten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Seehäfen

Erstellt am: 14.04.2003 | Stand des Wissens: 20.10.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Der Ausbau der seewärtigen Hafenzufahrten stellt einen entscheidenden Faktor im Hafenwettbewerb dar. Mit fortwährend wachsenden Schiffsgrößen steigen auch die Anforderungen an die Zugänglichkeit der Containerterminals. Sowohl die Wassertiefe als auch die Breite der Fahrrinne müssen dieser Entwicklung angepasst werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen zu erhalten. Streitpunkte bei Ausbaumaßnahmen bleiben vor allem die Fragen der Wirtschaftlichkeit und Finanzierung sowie die Auswirkungen auf Natur und Umwelt. 
Die Wirtschaftlichkeit ist vor allem auf Grund der Finanzierung von Ausbaumaßnahmen aus Mitteln der öffentlichen Hand problematisch. Bei vollständig privater Finanzierung des Hafenausbaus und verursachungsgerechter Kostenanlastung müssten große Schiffe mit bedeutend höheren Hafengebühren belastet werden. Diese würde zu geringeren Skaleneffekten der Großcontainerschiffe führen und deren Wirtschaftlichkeit schaden. Jedoch wurde mit dem Beschluss zum Port Package III durch die EU im Jahr 2016 eine Regelung geschaffen, mit der die Kostenstrukturen der Hafengebühren durch die Hafenbetreiber offengelegt werden sollen, um eine größere Transparenz zu gewährleisten [Welt16a].
Eng verbunden mit der Frage der Wirtschaftlichkeit ist die Umweltverträglichkeit und der Hochwasserschutz. Für den Umweltverbrauch durch Fahrrinnenanpassungen sind Kompensationsmaßnahmen durchzuführen, die mit hohen Kosten verbunden sind. Besondere Beachtung muss hier auch dem gesamtgesellschaftlichen Nutzen gewidmet werden [Dück06, HPAWSW06].
Die an der deutschen Nordseeküste gelegenen Containerterminals in Hamburg und den bremischen Häfen können von den größten im Einsatz befindlichen Containerschiffen nicht tideunabhängig und voll beladen erreicht werden. Das einzige tideunabhängig anlaufbare deutsche Containerterminal ist der 2012 eröffnete Jade Weser Port in Wilhelmshaven. Zwar stieg der Umschlag im Jade Weser Port seit 2013 um über 600 Prozent auf 481.720 TEU im Jahr 2016, ist von den Prognosen vor der Eröffnung von rund 2.700.000 TEU pro Jahr jedoch noch weit entfernt [MCFD17 und NDR14b]. Im Jahr 2018 verbuchte JadeWeserPort zum dritten Mal in Folge ein zweistelliges Wachstum. Das Ziel von 2.700.000 TEU pro Jahr wurde mittlerweile auf 1.000.000 TEU nach unten korrigiert und konnte trotz des Aufschwunges noch nicht erreicht werden [NDR19a]. 2021 wurden am Jade Weser Port mehr als 712.000 Standardcontainer umgeschlagen, die höchste Umschlagsmenge seit seiner Eröffnung [NDS22].
Tabelle 1 zeigt die aktuellen Wassertiefen der deutschen Containerhäfen, sowie den dadurch maximal zulässigen Tiefgang der einlaufenden Containerschiffe. Die geplante Elbvertiefung soll dafür sorgen, dass zukünftig Schiffe mit einem tideunabhängigen Tiefgang von 13,5 Metern und einem tideabhängigen Tiefgang von 15,6 Metern den Hamburger Hafen voll beladen erreichen können [NDR16c].
Wassertiefe.pngTabelle 1: Wassertiefen und maximale Schiffstiefgänge in den größten deutschen Nordseehäfen (eigene Darstellung nach [GePo18] und [HPA22])
Zur Begrenzung des notwendigen Hafenausbaus und vor allem des damit verbundenen Problems der Finanzierung des Ausbaus aus Mitteln der öffentlichen Hand wurde 2002 der Vorschlag gemacht, durch eine weltweite maritime Organisation Vereinbarungen über die Dimensionen von Kanälen, Häfen und Containerschiffen zu treffen. Der internationale Standard sollte demnach bei Schiffen mit 8.000 TEU und einem Tiefgang von 15,2 Metern liegen. Sollten Reeder größere Schiffe einsetzen wollen, so müssten sie die dafür notwendigen Spezialhäfen selber finanzieren [Asha02]. Vorschläge in diese Richtung wurden nicht ernsthaft diskutiert und sind bisher nicht durchsetzbar.  
Nach dem Reformkonzept des BMVBS für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist eine Kategorisierung der Seewasserstraßen nach Vorrang-, Haupt- und sonstigen Seewasserstraßen vorgesehen. Nach diesem Konzept sind die Zufahrten von Wilhelmshaven, Bremerhaven, Hamburg, Lübeck, Rostock und der Nord-Ostsee-Kanal als Vorrangwasserstraßen vorgesehen, Emden, Bremen und Wismar hingegen liegen an Hauptwasserstraßen und alle anderen Häfen an sonstigen [BMVBS11k, S.8].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ausbau der Kapazitäten und Ausweitung des Leistungsangebot der Seehäfen zur Sicherung ihrer Wettbewerbsposition (Stand des Wissens: 20.10.2023)
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Literatur
[Asha02] Ashar, A. Revolution now!, veröffentlicht in Containerisation international, Ausgabe/Auflage 35/2002, Informa / London, 2002, ISBN/ISSN 0010-7379
[BMVBS11k] Bundesministerium für Digitales und Verkehr 2. Bericht des BMVBS an den Deutschen Bundestag zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, 2011/04/28
[Dück06] Oellerich, Jörg, Dücker, Hans P., Dr.-Ing. Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe, veröffentlicht in Holt fast, Ausgabe/Auflage 100, Hamburg, 2006
[GePo18] Bremenports GmbH & Co. KG, Gesamtverband Schleswig-Holsteinischer Häfen e.V., Hafen Hamburg Marketing e.V., Landesverband Hafenwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V., Seaports of Niedersachsen GmbH (Hrsg.) German Ports Guide, 2018/06
[HPA22] Hamburg Port Authority Fahrrinnenanpassung, 2022
[HPAWSW06] Glindemann, Heinz, Witte, Heinrich, Thode, Karsten, Dücker, Hans P., Dr.-Ing. Konzept für eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe als Lebensader der Metropolregion Hamburg: ein Diskussionsbeitrag der Hamburg Port Authority und der WSV des Bundes, veröffentlicht in Holt fast, Ausgabe/Auflage Bd. 101 (2006), Hamburg, 2006
[MCFD17] Mehr Container für Deutschland (Hrsg.) Containerumschlag bei Eurogate 2016 auf stabilem Niveau, 2017
[NDR14b] o.A. JadeWeserPort liefert miese Zahlen, 2014/04/08
[NDR16c] NDR (Hrsg.) Was bringt die Elbvertiefung?, 2016/12/19
[NDR19a] Norddeutscher Rundfunk (Hrsg.) JadeWeserPort wächst: 18 Prozent mehr Container, 2019/04/03
[NDS22] Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Jahresbilanz der niedersächsischen Seehäfen: Positiver Ausblick nach Pandemie / JadeWeserPort erzielt Rekordergebnis, 2022
[Welt16a] Welt.de (Hrsg.) Wie die EU den Wettbewerb in den Häfen stärken will, 2016/03/08
Weiterführende Literatur
[ISL00] o.A., Entwicklungstendenzen der deutschen Nordseehäfen bis zum Jahre 2015 , Bremen, 2000/10
Glossar
Twenty-foot equivalent unit Zwanzig-Fuß-Äquivalente-Einheit (Twenty-foot Equivalent Unit). Eine statistische Hilfsgröße auf der Basis eines 20-Fuß-ISO-Containers (6,10 m Länge) zur Beschreibung von Verkehrsströmen oder -kapazitäten. Ein genormter 40'-ISO-Container der Reihe 1 entspricht 2 TEUs.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Seehafenterminal
In einem Containerterminal erfolgt der Umschlag von Containern, Wechselbehältern, Wechselbrücken oder Sattelaufliegern und ähnlichen Ladeeinheiten im Hafen. Weiterhin kann auch Projektgeschäft, z.B. übergroße Ladungen, umgeschlagen werden.
Zusätzlich zu den Containerterminals umfasst der Begriff des Seehafenterminals auch andere Ladungs- und Terminalarten, wie z.B. Massengutterminals oder Flüssiggutterminals.
Charakteristisch für Seehafenterminals ist die Anbindung an das Wasser und mindestens einen weiteren Verkehrsträger.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?41327

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 19:30:55