Intermodaler Wettbewerb im Buslinienfernverkehr
Erstellt am: 01.07.2013 | Stand des Wissens: 18.01.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Mit der Einführung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland und die dadurch steigenden Wahlmöglichkeiten für Konsumenten, entsteht ein zusätzlicher intermodaler Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern des Personenfernverkehrs. Die Wirtschaftspolitik erhofft sich dadurch eine Verbesserung des Verkehrsangebotes im Fernverkehr [BMWI11m]. In der folgenden Abbildung 1 ist der Modal Split der Verkehrsträger im Personenverkehr in Deutschland im Jahr 2018 dargestellt. Der Fernbusverkehr zeigt mit 5,6 Prozent einen geringen Marktanteil im deutschen Personenverkehr an [APSE20].
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Der intermodale Wettbewerb zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln des Fernverkehrs ist unter anderem von der Streckenlänge abhängig. Nach Angaben des britischen Verkehrsministeriums konkurriert der Buslinienfernverkehr in Großbritannien vor allem ab einer Distanz von über 100 Meilen mit der Bahn und dem Auto und ab einer Distanz von 350 Meilen mit dem Flugzeug. Auf einer Streckenlänge zwischen 250 und 350 Meilen sowie über 350 Meilen kann der Fernbus in Großbritannien seinen größten Marktanteil von vier Prozent im intermodalen Wettbewerb erreichen (vgl. Abbildung 2).
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Abbildung 2: Modal Split des Fernverkehrs in Großbritannien abhängig von der Distanz für die Jahre 2015 bis 2020 [NTS21]
Im intermodalen Kostenvergleich der einzelnen Verkehrsmittel im Fernverkehr zeigt sich, dass der Fernbus je nach Auslastung zwischen 6,80 Euro (60 Prozent Auslastung) und 8,60 Euro (80 Prozent Auslastung) pro 100 Personen-Kilometer (Pkm) die geringsten Kosten aufweist. Laut diesen Berechnungen nach Walter et al. (2011) sind die Kosten des Fernbusses damit sogar niedrigerer als die der Mitfahrgelegenheit, die mit 11,30 Euro pro 100 Pkm angegeben wurden (Annahme: Pkw mit einer Auslastung von 3,5 Personen) [WaHaMo11]. Unter der Annahme, dass diese Kostenvorteile des Fernbusses an den Kunden weitergegeben werden, gehört der Fernbus zu dem günstigsten Verkehrsmittel.
Seit der Deregulierung des Buslinienfernverkehrs stellt sich insbesondere die Fragen, welches Verkehrsmittel die Nutzer des Fernbusses zuvor genutzt haben und ob das neue Angebot des Fernbusses Verkehrsnachfrage induziert hat. In der Studie von Hirschhausen et al. (2008) wird angenommen, dass der Fernbus vor allem dem Pkw Marktanteile abnimmt und weniger der Bahn [HiWa08, S. 13]. Auch die Deutsche Bahn AG ging im Jahr 2010 nach internen Berechnungen davon aus, nur rund eine Milliarde Pkm an Fernbusse zu verlieren. Dies entsprach in etwa einem Rückgang von drei Prozent gemessen an der gesamten Leistung des SPFV [EiBu10, S. 21]. Es widerspricht jedoch einer bekannten verkehrsplanerischen Erkenntnis, dass Personen Massenverkehrsmittel als ähnliche Alternativen ansehen (wodurch es hier zu starken Wechselbewegungen zwischen Bahn und Bus käme), während bei der Wahl zwischen Auto und Massenverkehrsmitteln aus Kundensicht weitere Faktoren eine Rolle spielen, die hier zu einer geringeren Substitutionsbeziehung führen [Will77].
Unabhängig von den Marktanteilsverschiebungen sieht die Monopolkommission den Fernbus in der Lage, "einen hohen Wettbewerbsdruck auf Bahnangebote auszuüben" [HaPr09, S. 66]. In Folge dessen kann die Bahn gezwungen sein, ihr Angebot zu verbessern oder ihre Preise zu senken, um sich vor (potenziellen) Markteintritten und dem Verlust von Kunden zu schützen. Sofern ihr das nicht gelingt (beispielsweise auf rentabilitätsschwachen Strecken), ist es möglich, dass die Bahn auf einzelnen Strecken vollständig vom Fernbus verdrängt wird oder selbst ein Fernbusangebot einführt.
Unabhängig von den Marktanteilsverschiebungen sieht die Monopolkommission den Fernbus in der Lage, "einen hohen Wettbewerbsdruck auf Bahnangebote auszuüben" [HaPr09, S. 66]. In Folge dessen kann die Bahn gezwungen sein, ihr Angebot zu verbessern oder ihre Preise zu senken, um sich vor (potenziellen) Markteintritten und dem Verlust von Kunden zu schützen. Sofern ihr das nicht gelingt (beispielsweise auf rentabilitätsschwachen Strecken), ist es möglich, dass die Bahn auf einzelnen Strecken vollständig vom Fernbus verdrängt wird oder selbst ein Fernbusangebot einführt.
Fernbusse haben in einigen Punkten (zum Beispiel keine Kosten für eigenes Infrastrukturnetz, bessere Interoperabilität als im Schienenverkehr) einen Kostenvorteil gegenüber der Bahn. Dafür weist die Bahn einen höheren Reisekomfort und eine größere Reisegeschwindigkeit auf. Durch die Vorteile des Fernbusses können zusätzliche Halte sowie Relationen in das Verkehrsnetz integriert werden, welche die Bahn wegen fehlender Schieneninfrastruktur oder aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht bedient. So optimiert der bestehende Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern den volkswirtschaftlichen Verkehrsmix. Auch Nachtfahrten mit dem Fernbus gewinnen mehr an Bedeutung. Damit füllt der Fernbus teilweise eine Lücke, die sich nach dem überwiegenden Rückzug der Deutschen Bahn AG aus dem klassischen Nachtzugverkehr ergeben hat und nicht durch die Aufnahme neuer innerdeutscher/innereuropäischer Nachtzugverbindungen der Österreichischen Bundesbahn geschlossen werden konnte. Von den insgesamt 577 deutschen Fernverkehrshalten (Stand April 2017), die mindestens über eine Fernzug- oder Fernbusverbindung verfügen, wird rund die Hälfte ausschließlich von Fernbussen bedient [Moko17].
Eine Situation intensiven Wettbewerbs zwischen der Bahn und dem Fernbus konnte im Süden Schwedens nach der vollständigen Deregulierung des Fernbusses beobachtet werden. Dort kam es in Folge des Wettbewerbs mit dem Fernbus auf einzelnen Stecken zwischen Stockholm und Borlänge zu einer Ausdünnung des Bahnangebots, in deren Folge der Fernbus Marktanteile von circa 25 Prozent erreichen konnte [HiWa08, S. 11].
Eine Situation intensiven Wettbewerbs zwischen der Bahn und dem Fernbus konnte im Süden Schwedens nach der vollständigen Deregulierung des Fernbusses beobachtet werden. Dort kam es in Folge des Wettbewerbs mit dem Fernbus auf einzelnen Stecken zwischen Stockholm und Borlänge zu einer Ausdünnung des Bahnangebots, in deren Folge der Fernbus Marktanteile von circa 25 Prozent erreichen konnte [HiWa08, S. 11].