Historischer Vergleich der Erschließungsqualität am Beispiel Chemnitz
Erstellt am: 06.05.2013 | Stand des Wissens: 26.10.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Beispielhaft für eine offensichtliche Veränderung der Erschließungsqualität des deutschen Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) steht die schrittweise Abschaffung des InterRegio (IR) im Rahmen der 1993 durchgeführten Bahnreform [Sieg04]. Mit der Einstellung des IR erfolgte eine vermeintliche Abkoppelung ganzer Landesteile vom SPFV. Besonders ausgeprägt zeigt sich diese Entwicklung in den Regionen Südsachsen, Südthüringen und Nordbayern mit der Einstellung des Fernverkehrs 2006 auf der Sachsen-Franken-Magistrale zwischen Nürnberg/Regensburg und Dresden/Leipzig durch die Deutsche Bahn AG (DB AG) [Bisc06]. Die Abschaffung des IR wurde vielfach als Beweis für die Verschlechterung der Anbindung und damit der Erschließungsqualität des SPFV in vielen Landesteilen gesehen [Boda00].
Sowohl Bunge als auch Hesse et al. bestätigen durch ihre Untersuchungsergebnisse grundsätzlich die heute teilweise geringere Angebotsqualität des SPFV in etlichen der früher durch den IR-Verkehr angebundenen Regionen [Bung11; HeEv12, S. 172]. Auffällig unterdurchschnittlich schneidet dabei der Süden Sachsens mit dem Oberzentrum Chemnitz ab, welches als einzige deutsche Großstadt mit über 150.000 Einwohnern keine Anbindung an die Fernverkehrsangebote der DB AG besitzt. Bunge untersuchte und verglich für diesen speziellen Fall nutzenbasierte Indikatoren und die daraus abgeleiteten Gesamtindizes der Erschließungsqualität (EQ-Indizes) des SPFV-Angebots für den Fahrplan 1998/99 und 2010. Zwischen beiden Fahrplänen liegt die Abschaffung der IR-Verbindungen Richtung Dresden, Stuttgart beziehungsweise München, Erfurt und Rostock. Die Untersuchung wies nach, dass der Wegfall des IR zwar den Charakter des SPFV-Angebots deutlich veränderte, dies jedoch kaum Auswirkungen auf das Gesamtniveau der SPFV-Erschließungsqualität hatte (Tabelle 1). Zwar erhöhten sich die Fahrpreise moderat und der zumeist im Leipziger Hauptbahnhof erforderliche Umsteigeaufwand deutlich, was aber durch eine Steigerung der täglichen Verbindungen (+ 42 Prozent) sowie eine höhere Beförderungsgeschwindigkeit (+ 22 Prozent) großteils wieder ausgeglichen werden konnte. [Bung11]
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[Bung11, S.138]
Der auf den EQ-Indizes beruhende historische Vergleich der Erschließungsqualität des Oberzentrums Chemnitz zeigt, dass anhand eines individuellen Erreichbarkeitsmodells mit nutzenbasierten Indikatoren ein transparentes Abbild der Veränderungen und des Status Quo der Erschließungsqualität möglich ist. Die Ergebnisse einer solchen Erreichbarkeitsuntersuchung können als fundierte Basis für politische, ökonomische und betriebliche Entscheidungen im Rahmen der Angebotsplanung im SPFV angesehen werden.