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Buslinienfernverkehr in Spanien

Erstellt am: 25.04.2013 | Stand des Wissens: 18.01.2022
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TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Der spanische Markt für Buslinienfernverkehr erfolgt über die Vergabe von Exklusivkonzessionen. Hauptziel des Konzessionssystems ist es, landesweit einen Buslinienfernverkehr zu gewährleisten, auch wenn einige Routen nicht profitabel betrieben werden können. Profitable und unprofitable Routen werden in einer Konzession vergeben und unprofitable Routen werden damit quersubventioniert [StDaGl09, APPENDIX A, S. 52].
Mit einer Reform im Personenverkehr wurde die bis 1990 geltende Direktvergabe von Konzessionen abgeschafft. Das Gesetz zur Regelung des Landverkehrs 16/1987 LOTT (Ley de Ordenación de Transportes Terrestres) aus dem Jahr 1987 und dessen Ausführungsregeln ROTT aus dem Jahr 1990 regeln die Versteigerung der Konzessionen für den spanischen Buslinienfernverkehr durch das spanische Verkehrsministerium Ministerio de Fomento [GaGo03, S. 2ff.]. Im Rahmen dieser Versteigerung werden maximale Fahrpreise, Frequenzen und Fahrpläne festgelegt [Igle12]. Zum Zeitpunkt der Einführung des Gesetzes zur Regelung des Landverkehrs im Jahr 1987 wurde eine Konzessionslaufzeit von acht bis 20 Jahren festgelegt, die im Jahr 2000 auf sechs bis 15 Jahre reduziert wurde [GaGo03, S. 2ff.]. Ein Großteil der Versteigerungen fand erst ab 2007 statt, da zum Zeitpunkt der Reform die bestehenden 113 Buslinienfernverkehrskonzessionen bis mindestens 2007 verlängert werden konnten, zum Teil aber auch bis 2013 oder 2018 verlängert wurden [VdVe09, S. 10], [StDaGl09, APPENDIX A, S. 52].

Im Rahmen der Konzessionsversteigerung wird ein Punktesystem angewendet. Die Konzessionsbewerber können maximal 100 Punkte erreichen. Es werden verschiedene Kategorien mit einer individuellen Maximalpunktzahl berücksichtigt (zum Beispiel Technische Merkmale, Kundendienst und Marketing, Preis). Dieser Punktekatalog legt seinen Schwerpunkt weniger auf einen günstigen Preis (maximal 15 Punkte), sondern auf die Sicherheit und den Komfort von Busverkehrsunternehmen (maximal 26 Punkte, vgl. Tabelle 1).
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Tabelle 1: Punktesystem zur Vergabe von spanischen interregionalen Buslinienfernverkehrskonzessionen (Eigene Darstellung nach [CNC10])
Mithilfe der Versteigerung von Konzessionen ist es heutzutage auch neuen Busunternehmen möglich, Konzessionen zu erhalten. Laut Angabe der Europäischen Kommission [StDaGl09, APPENDIX A, S. 52] existieren jedoch Barrieren für neue Anbieter, in den spanischen Buslinienfernverkehrsmarkt einzusteigen. Die langen Konzessionsperioden und die Tendenz sowohl der regionalen Behörden als auch der nationalen Behörde, die Konzessionen nach ihrem Ablauf zu verlängern, erschwert es neuen Anbietern, in den Markt einzutreten. Darüber hinaus verfügen die langjährigen Busunternehmen über eine bessere Informationslage als neue Busunternehmen, die ihnen Vorteile bei den Versteigerungen verschafft [StDaGl09, APPENDIX A, S 52]. Beispielsweise wird der Madrider Busbahnhof Estación Sur de Autobuses von dem Unternehmen Estación Sur des Autobuses de Madrid SA (ESAMSA) per Konzession betrieben. Estación Sur des Autobuses de Madrid SA (ESAMSA) ist zu 56 Prozent ein Tochterunternehmen der Avanza Group, einem der größten Busunternehmen in Spanien [StDaGl09, APPENDIX B]. Eine Marktbarriere stellt außerdem die Diskriminierung neuer Bewerber dar, weil nach dem LOTT ihr Angebot auch dann abgelehnt werden kann, wenn sie ein bis zu fünf Prozent besseres Punkteergebnis vorweisen können als das Ergebnis des langjährigen Anbieters. Ferner ist der frühere Anbieter zum Teil von Vorgaben bezüglich des Fahrzeugalters ausgenommen [StDaGl09, APPENDIX A, S 52].
Heute agieren zahlreiche Busunternehmen auf dem spanischen Buslinienfernverkehrsmarkt. Das Unternehmen ALSA (im Eigentum des britischen Busunternehmens National Express) ist heute das größte Unternehmen im spanischen Markt für Buslinienfernverkehr mit einem Marktanteil von 53,6 Prozent (Stand 2015) [Expa17]. Das im Jahr 2002 gegründete Unternehmen Avanza war der erste Fernbusbetreiber für Kurz- und Mittelstrecken in Spanien. Auch FlixBus bietet viele Fahrten in spanische 128 Reiseziele an, teilweise sogar direkt. Der inländische Buslinienfernverkehr besaß im Jahr 2018 einen Anteil von 7,3 Prozent am Inlandspassagierverkehr (siehe Abbildung 2) [MiFo21].


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Abbildung 2: Anteile des Inlandspassagierverkehrs nach Verkehrsarten im Jahr 2018 [MiFo21, S. 93]
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TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Buslinienfernverkehr (Stand des Wissens: 08.02.2022)
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Literatur
[CNC10] Informe de seguimiento del proceso de renovacion de las concesiones estatales de transporte interurbano de viajeros en autobus, 2010
[Expa17] Expansión (Hrsg.) España se enfrenta a Bruselas por el fin de las concesiones de autobús, 2017/12/27
[GaGo03] Garcia-Pastor, A., Gonzales, J.-D., Christobal-Pinto, C., Lopez-Lambas, M. The spanish situation of road public transport competition, 2003/10
[Igle12] Iglesias, F. Regulatory framework for interurban coach transport activities in Spain, 2012/02
[MiFo12] Ministerio de Fomento Observatorio del transporte de viajeros por carretera - Concesiones del estado, 2012
[MiFo21] Ministerio de Formento (Hrsg.) Observatorio del Transporte de Viajeros por Carretera. Oferta y Demanda, 2021
[StDaGl09] Steer Davies Gleave Study of passenger transport by coach, 2009/06
[VdVe09] Van de Velde, D. Long-Distance Bus Services in Europe: Concessions or Free Market? , 2009/12
Weiterführende Literatur
[Renfe11] Renfe Operadora Annual Report 2010, 2011
[MiFo12] Ministerio de Fomento Observatorio del transporte de viajeros por carretera - Concesiones del estado, 2012

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?409420

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 01:45:16