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Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen

Erstellt am: 04.03.2013 | Stand des Wissens: 30.06.2023
Synthesebericht gehört zu:

Zur Installation und zum Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen ist eine Vielzahl von technischen und organisatorischen Punkten zu beachten. Neben der Entwicklung von neuen Logistikkonzepten, dem Einsatz von speziellen Verkehrsträgern und dem Ausbau von Hafenstrukturen sind auch die durch die Errichtung von großen Windparks betroffenen Schifffahrtswege zu berücksichtigen. Diese vier Themenschwerpunkte sollen im Folgenden näher betrachtet werden.
Für die Installation und den Betrieb von Offshore-Windparks gibt es mehrere Logistikkonzepte, welche zur Anwendung kommen können. Während der Installationsphase eines Offshore-Windparks lassen sich jedoch unabhängig von Produzent und Größe der Windenergieanlagen in den meisten Fällen die gleichen vier Phasen ausmachen:
  1. Errichtung Gründungsstrukturen
  2. Errichtung Windenergieanlagen
  3. Errichtung Umspannstation
  4. Verlegung Innerpark-Verkabelung
Die für diese vier Aufgaben anwendbaren Logistikkonzepte unterscheiden sich generell im Zeitpunkt der Konsolidierung der einzelnen Anlagenkomponenten. So können die Anlagenteile im Hinterland gefertigt und einzeln zu einem Basishafen transportiert werden, von welchem sie gebündelt in das Offshore-Feld verschifft werden. Ein weiteres Konzept ist die Stationierung eines Jack-up-Schiffs im Feld, das mit einem Feederschiff von einem Basishafen aus mit den einzelnen Komponenten versorgt wird. In einer dritten Variante übernehmen Jack-up-Schiffe den Transport der Anlagenteile und pendeln zwischen Basishafen und Feld.
Im Unterschied zu den Konzepten der Installationsphase ist während der Betriebsphase der größte Unterscheidungspunkt der Ort, an welchem die Servicemitarbeiter untergebracht werden. Hier ist neben der Unterbringung in Servicehäfen nahe den Windparks außerdem die Unterbringung auf Wohnplattformen oder -schiffen im Windpark möglich.
Um die durch die Logistikkonzepte vorgegebenen Transporte durchführen zu können, bedarf es einer Vielzahl von speziellen Verkehrsträgern. Hierzu zählen während der Installationsphase vor allem die folgenden Schiffstypen:
  • Jack-up-Schiffe: Diese Transport- und Installationsschiffe sind mit mindestens vier Stahlbeinen ausgerüstet. Diese Beine werden bis auf den Meeresboden abgesenkt, sodass sich das Schiff durch eigenen Antrieb aus dem Wasser heben und somit unabhängig vom Wellengang operieren kann. Allerdings bestehen Restriktionen beim Prozess des "Auf-jacken" in Bezug auf die Wellenhöhe.
  • Kranschiffe: Schiffe, deren einzige Aufgabe das Heben von Schwerlasten ist. Sie verfügen über einen sehr leistungsfähigen Kran, welcher Lasten mit einem Gewicht von bis zu 5.000 Tonnen heben kann.
  • Kabellegungsschiffe: Diese Schiffe werden eingesetzt, um die Unterseekabel im Feld und vom Feld an Land zu verlegen.
  • Unterkunftsschiffe: Um die Transferzeiten der Techniker zu reduzieren, werden Schiffe eingesetzt, auf denen die Arbeiter während der Errichtung wohnen.
 Außerdem werden während der Betriebsphase spezielle Transferschiffe eingesetzt, welche die Servicetechniker zu den einzelnen Windenergieanlagen transportieren. Hier gibt es mehrere Schiffstypen, darunter auch sogenannte Small Waterplane Area Twin Hull-Schiffe (SWATH), welche durch einen Doppelrumpfaufbau eine sehr geringe Wasserlinienfläche besitzen. Dies führt im Gegensatz zu herkömmlichen Rümpfen zu einer deutlich reduzierten Anfälligkeit für Seegang und ermöglicht eine ruhigere Überfahrt für die Servicemitarbeiter.
Neben den generellen Logistikkonzepten für die Verschiffung der einzelnen Anlagenkomponenten in die Windparks und der Auswahl von geeigneten Verkehrsmitteln müssen auch die Hafenstrukturen angepasst werden. Zu dieser Anpassung zählen vor allem der Ausbau der Infra- und Suprastruktur. Im Bereich der Infrastruktur müssen vor allem den Großkomponenten entsprechende Lager- und Umschlagflächen zur Verfügung gestellt werden. Da die einzelnen Komponenten der Windenergieanlagen nicht nur schwer, sondern in den meisten Fällen auch sehr groß sind, müssen die erforderlichen Flächen hauptsächlich zwei Kriterien erfüllen:
  • Bodenbelastung: Durch das hohe Gewicht der Komponenten kommt es zu einer permanent hohen Bodenbelastung. Vor allem im Umschlagbereich an der Kaje ist aus diesem Grund eine Schwerlastplatte zu installieren, welche Belastungen von 50 Tonnen pro Quadratmeter aufnehmen kann [BIS12a].
  • Freiflächen zum Handling: Neben den Abstellflächen zur Lagerung der Komponenten ist eine ausreichende Fläche für das Handling der Komponenten einzuplanen. Die Größe dieser Fläche bestimmt sich unter anderem aus den Wenderadien für die Transporte der Rotorblätter oder der Turmsegmente.
Vor allem während der Planungs- und späteren Betriebsphase ist das Thema Schifffahrtswege bestimmend für den sicheren Betrieb von Offshore-Windparks. Um die Sicherheit auf Wasser zu gewährleisten, hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie die Planung der genehmigten Windparkflächen so gestaltet, dass der Seeschifffahrt ausreichend Platz eingeräumt werden kann, um sicher in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Deutschlands navigieren zu können. Zu den Sicherheitsmaßnahmen zählen unter anderem die Sichtbarkeit von Schifffahrtszeichen, die Sicherung der Windparks mit einem Automatischen Identifikationssystem (AIS), Sonarkennzeichnungen, die Einhaltung von technischen Sicherheitsabständen zu benachbarten Schifffahrtswegen sowie die Befeuerung der Windenergieanlagen zur Flugsicherung [BSH19a].
Zusammenfassend zeigen diese vier Themenbereiche, dass das Thema Offshore-Windenergie durch eine hohe Komplexität geprägt ist, welche zu einer Vielfalt von möglichen Installationskonzepten führt. Diese Vielfalt wird derzeit jedoch nicht nur durch die Komplexität, sondern auch durch das Testen von neuen Konzepten geprägt.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Einfluss von Windenergieanlagen auf Flugbetrieb und Seeschifffahrt (Stand des Wissens: 30.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?406585
Literatur
[BIS12a] BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (Hrsg.) offshore_wind_report, Ausgabe/Auflage 1, Bremerhaven, 2012
[BSH19a] Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) (Hrsg.) Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone in der Nordsee - Kartenteil, 2019
Glossar
AIS Automatic Identification System See- und Binnenschifffahrt-Funksystem, das durch den automatischen Austausch eines standardisierten Datensatzes die Sicherheit des Schiffsverkehrs verbessert. Berufsschiffe über 300 BRZ in internationaler Fahrt bzw. über 500 BRZ in nationaler Fahrt sind verpflichtet, einen AIS-Transponder zu betreiben. Aeronautical Information Service Dieser Luftfahrtinformationsdienst ist eine zentrale Informations- und Beratungsstelle für Flugbesatzungen und Flugbetriebsunternehmen. AIS befasst sich unter anderem mit der Beschaffung, Aufbereitung und Bekanntmachung von relevanten Daten (Dynamic/Static Data) wie Luftraumeinschränkungen, Wetter, NOTAM, Überflugs-, Landebewilligungen usw. Diese Informationen sind für die sichere, geordnete und flüssige Durchführung von Flügen notwendig.
Hinterland Das Hinterland eines Seehafen ist das landeinwärts hinter dem Hafen liegende Territorium, welches durch die Herkunfts- und Bestimmungsorte der im Hafen abzufertigen Güter und Passagiere begrenzt wird. Seine Grenzen hängen von den Hinterlandverkehrsanbindungen ab und variieren nach Gutarten, den Umschlagkapazitäten, dem Schiffstyp und der Verkehrsinfrastruktur. Das Vorland eines Seehafens ist das seewärts vor dem Hafen liegende Territorium, welches durch die überseeischen Herkunfts- und Bestimmungsorte der Güter begrenzt wird.
Suprastruktur
Gegenbegriff zu Infrastruktur. Die Suprastruktur umfasst alle Einrichtungen, die für Transport-, Umschlag- und Lager- sowie Beschaffungs- und Verarbeitungsprozesse innerhalb einer Verkehrsanlage, wie einem Seehafen, nötig sind. In einem Hafen gehören zur Suprastruktur beispielsweise Kräne, Lager- und Kühlhäuser sowie Bürokomplexe. Im Gegensatz zur Infrastruktur wird die Suprastruktur häufig nicht von der öffentlichen Hand finanziert, sondern von den Betreibergesellschaften beschafft, gewartet und entsorgt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?406334

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 14:18:40