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Rückbau von Offshore-Windenergieanlagen

Erstellt am: 27.02.2013 | Stand des Wissens: 30.06.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die Lebensdauer von Windenergieanlagen ist auf etwa 20 Jahre ausgelegt. Bis zum Jahr 2040 müssen in der deutschen Nordsee demnach rund 2.000 Windenergieanlagen zurückgebaut werden (vergleiche Abbildung 1). Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) schreibt im Zuge ihres Genehmigungsverfahrens vor, dass nach endgültiger Aufgabe der Anlage ein Rückbau stattzufinden hat. Das Rückbauverfahren ist detailliert zu planen und umfasst sämtliche Komponenten, die während der Installation errichtet wurden. Darüber hinaus muss die umweltverträgliche Entsorgung der Bauteile gewährleistet und nachgewiesen werden [BSH07a]. Diese Richtlinie des BSH zeigt, dass der Rückbau nicht außer Acht gelassen wurde, die Details vorläufig jedoch nicht eindeutig geregelt werden. Ziel ist es, die Komponenten innerhalb von zwei Jahren komplett zurückzubauen [Drew10].
Rueckbau WEA.PNGAbbildung 1: Errichtung und Demontage von Windenergieanlagen in der EU5 zwischen 2011 und 2040 (eigene Darstellung nach [Prognos11, S. 40])
Um diese Aufgabe mit einer genauso großen Effizienz wie bereits den Aufbau zu betreiben, bedarf es einer detaillierten Rückbau-Planung. Die Bedingungen für den Rückbau werden in der Regel in der Baugenehmigung erwähnt und im Pachtvertrag geklärt. Landesrechtlich ist geregelt, in welcher Form die Baugenehmigungsbehörde die Einhaltung der Verpflichtung sicherstellen. Angesichts des vermutlich ansteigenden Rückbaus, arbeitet die Branche intensiv an Recyclingkonzepten. Wird der Rückbau einer Anlage erforderlich, lassen sich 80 - 90 Prozent der Komponenten, die metallhaltigen Anlagenteile, die gesamte Elektrik sowie die Fundamente und der Turm (Stahl-, Kupfer-, Aluminium- und Betonkomponenten) in Recyclingkreisläufe zurückführen.Neben der thermischen Verwertung arbeitet die Branche intensiv an neuen Konzepten, um die Rohstoffwiederverwertung zu verbessern [BWE19].
Zudem hat es sich für Unternehmen als rentabel erwiesen, Windenergieanlagen vor ihrer Ablaufzeit abzubauen und durch größere Anlagen zu ersetzen. Dies wird als Repowering bezeichnet. Ein solcher Vorgang ist allerdings nur möglich, wenn die Fläche planungsrechtlich weiter für die Nutzung der Windenergie gesichert ist. Die abgebaute Anlage kann verkauft und somit weiterhin genutzt werden, einzelne afrikanische Staaten, Südosteuropa und die ehemaligen GUS-Staaten sind wichtige Abnehmer [BWE19].
Die Arten des Rückbaus werden in Abhängigkeit von der angestrebten Anzahl von Hüben pro Anlage betrachtet. Um eine Anlage mit der Intention des Wiederverkaufs zurückzubauen, wird eine möglichst schonende Rückbauweise angewendet. Die Anzahl von Hüben ist sehr hoch, da jede Komponente einzeln demontiert werden muss [KaSn11]. Alternativ gibt es Szenarien mit einer geringeren Anzahl an Hüben. Dabei wird die Windkraftanlage in Teilsegmente zerlegt und abtransportiert.
 
Der Hauptgrund für die Reduktion der Hübe liegt in der Kostenersparnis. Durch die geringere Anzahl an Hüben können die eingesetzten Schiffe dementsprechend kürzer gechartert werden. Sollte die Anlage keiner Wiederverwendung zugeführt werden müssen, könnte eine der radikalsten Ideen, das Fällen der kompletten Anlage, die wirtschaftlichste Lösung sein [KaSn11]. Neben den Komponenten, welche sich über der Wasseroberfläche befinden, ist auch der Rückbau der Fundamentkonstruktionen zu berücksichtigen. Hier werden die Fundamente in einer gewissen Tiefe unterhalb des Meeresbodens gekappt, sodass das Fundament aus dem Wasser gehoben werden kann [KaSn11].
Ist es geplant, das komplette Offshore-Feld zurückzubauen, müssen neben den bereits beschriebenen Komponenten auch die Umspannstation und die Verkabelung in die Rückbauplanung miteinbezogen werden. Gerade auf Seiten der Seekabel gibt es in vielen Fällen noch keine ausreichenden Vorschriften, sodass hier mehre Alternativen vorstellbar sind, welche von einer Stilllegung ohne Entfernung bis zur kompletten Entfernung reichen [KaSn11].
Weltweit wurden bis dato nur vier Offshore-Windparks abgebaut. Ein Grund dafür ist die mangelnde Erfahrung mit dem Abbau der Anlagen. Derzeit sind die Anforderungen, Technologien oder Methoden für Demontage, Logistik und Recycling im Zusammenhang mit der Demontage sowie die daraus resultierenden Kosten und Auswirkungen auf Menschen und Umwelt noch unklar. Forschungsprojekte wie SeeOff haben sich das Ziel gesetzt, eine Art Handbuch für den Abbau der Windenergieanlagen zu erstellen, welche Unternehmen das Abbauen effizient ermöglichen soll [SeO21].
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Rückbau einer Offshore-Windenergieanlage ein bis jetzt stark vernachlässigtes Themenfeld ist. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die zu erwartenden Rückbauphasen noch in weiter Ferne liegen. Unter Beachtung der Rückbaukosten sollte jedoch jeder Betreiber eine langfristige Planung des Rückbaus anstreben.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Logistikkonzepte (Stand des Wissens: 30.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?475763
Literatur
[BSH07a] Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) (Hrsg.) Standard - Konstruktive Ausführung von Offshore-Windkraftanlagen, Hamburg, Rostock, 2007/06/12
[BWE19] Bundesverband WindEnergie (Hrsg.) Rückbau - alles gut geregelt, 2019
[Drew10] Drew, J. Decommissioning Strategy. Gwynt Y Môr Offshore Wind Farm Ltd. 2011, 2010
[KaSn11] Kaiser, M. J. , Snyder, B. Offshore Wind Energy Installation and Decommissioning Cost Estimation in the U.S. Outer Continental Shelf, Herndon, Virginia, 2011
[Prognos11] Prognos (Hrsg.) Potenziale in der Offshore-Logistik. Marktanalyse auf der Basis eines Energieszenarios, Bremerhaven, 2011
[SeO21] Hochschule Bremen (Hrsg.) Das Verbundprojekt SeeOff-Strategieentwicklung zum effizienten Rückbau von Offshore-Windparks, 2021/05/10
Glossar
Szenarien Ein Szenario ist ein Bild der Zukunft, das sich aus einer bestimmten Kombination von relevanten Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen entwickelt. Das grundsätzliche Anliegen von Szenarien besteht darin, verschiedene Handlungsoptionen zu verdeutlichen und ihre Folgewirkungen transparent zu machen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?405907

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 08:08:01