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Barrierefreiheit und Design von Zugangsstellen zum ÖPNV

Erstellt am: 20.02.2013 | Stand des Wissens: 11.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König



Ein Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für Alle, der nach dem Grundsatz "Design für Alle" [UNBRK] gestaltet ist, muss für jeden in jeder Weise barrierefrei sein. Diese Forderung ist auch im § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes [BGG] verankert. Darüber hinaus beinhaltet die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes vom 19. Dezember 2012 die Zielstellung einen vollständig barrierefreien ÖPNV bis zum 1. Januar 2022 zu erhalten.  Diese Novellierung des PBefG gilt allerdings nur für öffentliche Verkehre nach BOKraft und BOStrab und demzufolge nicht für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Barrierefreiheit im ÖPNV setzt zuerst die unbehinderte Erreich- und Nutzbarkeit der Zugangsstellen durch alle und damit auch durch in ihrer Mobilität, sensorisch oder kognitiv eingeschränkte Personen (Abbildung 1) voraus. Als Schnittstelle zwischen Umgebung und Verkehrsmittel muss die Zugangsstelle sowohl das barrierefreie Aufsuchen von Fahrzeug als auch Haltestellenumfeld ermöglichen. Letzteres stellt besondere Anforderungen an die Zuwege, insbesondere an die Überquerungsstellen von Straßen und Gleisen.
Einschraenkungen.jpgAbb. 1: Beispiele für temporäre und dauerhafte Mobilitätseinschränkungen [DziRu10]
Anforderungen von nichtmobilitätseingeschränkten und mobilitätseingeschränkten Fahrgästen sind grundsätzlich ähnlich. Außerdem wird beispielsweise nicht nur lernbehinderten Menschen geholfen, wenn Informationen zu Liniennetz und Tarif in einfacher und leicht verständlicher Sprache abgefasst werden. Das hilft auch ausländischen Fahrgästen und natürlich allen anderen Personengruppen, vor allem denjenigen, die mit der Nutzung des ÖPNV nicht sehr vertraut sind. Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen sich die Interessen widersprechen, beispielsweise in der Maximierung der Sitzplatzkapazität gegenüber der Dimensionierung von Aufstell- und Bewegungsflächen für Rollstuhlfahrer. Daher erfordern die verschiedenen Interessen der einzelnen Fahrgastgruppen sowie städtebauliche Ansprüche häufig Kompromisse im Einzelfall. Bei Neubauten ist das Umsetzen der Prinzipien einer barrierefreien Gestaltung inzwischen Standard. Einen umfangreichen und detaillierten Überblick zu den Maßnahmen zur Gewährleistung von Barrierefreiheit im ÖPNV gibt die Publikation "Barrierefreier ÖPNV in Deutschland" [Stuv12]. In der Wissenslandkarte "Barrierefreie Mobilität" wird näher darauf eingegangen.
Zum Gewährleisten der Barrierefreiheit beim Ein- und Ausstieg ist die richtige Abstimmung von Bahnsteig und Fahrzeugfußbödenhöhe entscheidend. Bei S-, U- und Stadtbahnen werden dazu mehrheitlich Hochbahnsteige mit Hochflurfahrzeugen kombiniert. Bei Straßenbahnen, Bussen und zunehmend bei Stadtbahnen gestatten Niederflurfahrzeuge einen barrierefreien Fahrgastwechsel an Bahnsteigen, die nur wenige Zentimeter höher als ein Bordstein sind. Dagegen ist vor allem bei Regionalbahnen das barrierefreie Ein- und Aussteigen häufig nur unter Beachten der gegebenen örtlichen Randbedingungen möglich. Entlang vieler Eisenbahnstrecken im Regionalverkehr existieren verschieden hohe Bahnsteige. Zudem kommen Fahrzeuge mit unterschiedlichen Einstiegshöhen zum Einsatz. Schließlich treten bei Bahnsteigen in Bogenlage große Spaltbreiten zwischen Fahrzeug und Bahnsteig auf. Dann bleibt häufig nur, auf fahrzeug- oder stationsgebundene Einstiegshilfen zurückzugreifen [Stuv12].
Das Sicherstellen der Barrierefreiheit erfordert, Grundregeln und Grenzmaße zu beachten. Dazu gehören Bewegungsflächen für Rollstuhlfahrer und Rollatorenbenutzer, Reststufen oder Restspalte zwischen Fahrzeug und Haltestellenbord, Bodenindikatoren zur Information, Orientierung, Leitung und Warnung sehbehinderter oder blinder Menschen sowie Einrichtugen zum Überwinden von Höhenunterschieden. Diese Grundregeln und Mindestabmessungen sind detailliert in den nachstehenden Empfehlungen, Hinweisen und Normen zu finden:

Ein wichtiger Baustein zur barrierefreien Gesamtgestaltung ist eine barrierefreie Information. Um die Information, Orientierung und Kommunikation sensorisch behinderter Menschen sicher zu stellen, sind nach dem 2-Sinne-Prinzip sowohl visuelle als auch akustische oder taktile Elemente zu verwenden. Das trifft auch auf den Fahrscheinerwerb zu.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Zugangsstellen und -wege zum ÖPNV (Stand des Wissens: 01.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?409212
Literatur
[DIN18024-1] o.A. DIN 18024-1, Berlin/Köln, 1998/01
[DziRu10] Dr. Dziekan, Katrin, Ruhrort. Lisa Design für Alle als zentraler Gestaltungsaspekt im ÖPNV, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 12/2010, Alba Fachverlag Köln, 2010/12
[EAÖ03] Wörner, Wolfgang Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs - EAÖ, Ausgabe/Auflage 2003, FGSV-Verlag / Köln, 2003
[HBVA11] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen (H BVA), 2011/06
[HVÖ09] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (Hrsg.) Hinweise für den Entwurf von Verknüpfungsanlagen des öffentlichen Verkehrs (HVÖ), FGSV Verlag / Köln, 2009, ISBN/ISSN 978-3-941790-09-4
[Stuv12] Boenke, Dirk Dr.-Ing., Girnau, Günter Prof. Dr.-Ing. Dr. Ing. E. h., u.a. Barrierefreier ÖPNV in Deutschland, Ausgabe/Auflage 2., vollständig überarb. und erw. Aufl., Düsseldorf / Alba Fachverlag, 2012/08, ISBN/ISSN 978-3-87094-4
[UNBRK] Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Die UN-Behindertenrechtskonvention - Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2018/11
Rechtsvorschriften
[BGG] Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Glossar
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bedeutet, dass bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Personenbeförderungsgesetz
Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) regelt die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Oberleitungsbussen (Obussen) oder Kraftfahrzeugen im Linien- und Gelegenheitsverkehr. Die Novelle des PBefG schafft einen Rechtsrahmen für neue digitale Mobilitätsangebote und berücksichtigt stärker die Belange des Klimaschutzes, der Verkehrseffizienz und die Erreichbarkeit im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse. Des Weiteren sind im PBefG Vorgaben zur Wahrung von sozialen Standards zugunsten der Beschäftigten verankert.
BOStrab
Die Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen Kurztitel Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) regelt in der Bundesrepublik Deutschland den Bau und Betrieb von Straßenbahnen sowie weiteren ober- und unterirdischen Bahnen, die nicht von der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung gedeckt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?405437

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 17:20:17