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Zweckmäßigkeit von Zugangsstellen zum ÖPNV

Erstellt am: 08.02.2013 | Stand des Wissens: 11.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Wesentlich für einen hochwertigen und wirtschaftlichen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist die Zweckmäßigkeit seiner Zugangsstellen. Dazu zählen besonders die Faktoren Erreichbarkeit, Leistungsfähigkeit, Aufenthaltsqualität und Konfliktarmut.
Die Erreichbarkeit einer Zugangsstelle umfasst zwei Seiten, zwischen denen häufig abgewogen werden muss, die der Kunden und der Verkehrsmittel.

Erforderliche Zu- und Übergangswege für die Kunden sollten so kurz wie möglich gehalten werden. Ein unkomplizierter Zu- und Abgang, also die Erreichbarkeit, ist neben der Verfügbarkeit, den zeitlichen und monetären Aufwänden sowie anderen subjektiven Faktoren ein entscheidender Faktor bei der Wahl des Verkehrsmittels [Stuv12]. Eine 2010 durch den Verkehrsclub Deutschland (VCD) durchgeführte Onlinebefragung zur Evaluierung von Zugangsbarrieren zum Bahnverkehr bestätigt diese Aussage [VCD10b]. Wenngleich es Kriterien mit höherer Priorität gab, war die Erreichbarkeit mehr als 40 Prozent der Befragten wichtig und trug dazu bei, das öffentliche Verkehrsmittel Bahn nicht zu nutzen.
Die Erreichbarkeit der Zugangsstellen für die Verkehrsmittel wirkt sich direkt auf Beförderungsweg und -zeit aus. Das beeinflusst wiederum die für die Kunden sehr wichtigen Kriterien Zeitgewinn und Komfort [VCD 10b] sowie die für die Wirtschaftlichkeit entscheidende Zahl notwendiger Fahrzeuge und Personale. Für ein zügiges und paralleles Erreichen und Verlassen einer Zugangsstelle ist sowohl ihre Lage als auch ihre vorausschauende Gestaltung wichtig, um unkomplizierte An- und Abfahrvorgänge sicherzustellen.
Die Leistungsfähigkeit einer Zugangsstelle hängt sowohl vom Zeitbedarf für das An- und Abfahren, den Fahrgastwechsel sowie weiterer technischer Vorgänge als auch von der Zahl der Haltepositionen ab. Kurze Fahrgastwechselzeiten erfordern einen problemlosen Ein- und Ausstieg und setzen eine übersichtliche und barrierefreie Gestaltung voraus. Bei einer Fahrzeugfolgezeit von weniger als 5 Minuten oder bei störanfälligem Betrieb wird insbesondere bei Bussen eine zweite Halteposition erforderlich. Anschlüsse erfordern für jedes beteiligte Fahrzeug eine Halteposition, die auch vorgehalten werden muss [EAÖ03]. Maßgebend für die Dimensionierung ist damit sowohl die maximale Anzahl gemeinsam haltender Fahrzeuge als auch die größte Zahl gleichzeitig wartender oder umsteigender Kunden.
Wartezeiten werden vom Fahrgast in der Regel negativ empfunden. Deshalb ist eine hohe Aufenthaltsqualität für die Akzeptanz des öffentlichen Verkehrsmittels wesentlich. Dazu zählen Gestaltung, Ausstattung, Sauberkeit und Informationen sowie gegebenenfalls Möglichkeiten zum Nutzen der Wartezeit, etwa zum Einkaufen, Essen oder ungestörten Arbeiten. Speziell bei größeren Verknüpfungspunkten zwischen verschiedenen Verkehrssystemen mit überregionaler Bedeutung sind die Kundenansprüche an die Aufenthaltsfunktion gesondert zu behandeln.  Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten, Einrichtungen für persönliche Bedürfnisse und für die Kundenbetreuung müssen dort stärker in den Fokus rücken [Wete07].
Immer wichtiger für das Image des öffentlichen Verkehrs wird die Konfliktarmut. Konflikte in Form von Belästigungen, Behinderungen oder gar Gefährdungen Dritter sollten vermieden, zumindest aber minimiert werden. Ansätze bieten sowohl eine platzsparende und ansprechende Gestaltung von Zugangsstellen als auch deren rücksichtsvolle Nutzung - etwa durch den Verzicht auf das Abwarten von Anschlüssen auf Fahrspuren des allgemeinen Straßenverkehrs.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Zugangsstellen und -wege zum ÖPNV (Stand des Wissens: 01.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?409212
Literatur
[EAÖ03] Wörner, Wolfgang Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs - EAÖ, Ausgabe/Auflage 2003, FGSV-Verlag / Köln, 2003
[Stuv12] Boenke, Dirk Dr.-Ing., Girnau, Günter Prof. Dr.-Ing. Dr. Ing. E. h., u.a. Barrierefreier ÖPNV in Deutschland, Ausgabe/Auflage 2., vollständig überarb. und erw. Aufl., Düsseldorf / Alba Fachverlag, 2012/08, ISBN/ISSN 978-3-87094-4
[VCD10b] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V. (Hrsg.) Bahntest 2010
Mobilitätsbedürfnisse analysieren - Zugangshemmnisse identifizieren, 2010/06
[Wete07] Han Van de Wetering Ausgestaltung von multimodalen Umsteigepunkten
Abschlussbericht, 2007/06/29
Rechtsvorschriften
[BOStrab] Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung - BOStrab)
[EAÖ] Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs (EAÖ)
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?405047

Gedruckt am Donnerstag, 18. April 2024 02:14:57