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Anwendung des Modells der monopolistischen Konkurrenz auf Verkehrsinfrastruktur

Erstellt am: 29.01.2013 | Stand des Wissens: 27.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Es wird hier unterschieden zwischen Wettbewerb zwischen Verkehrsträgern in ihrer jeweiligen Gesamtheit und Wettbewerb zwischen räumlich verteilten Infrastrukturen sowohl auf der freien Strecke als auch in Infrastrukturknoten. Weiterhin gibt es Wettbewerb zwischen Verkehrsdienstleistern, die auf der jeweiligen Infrastruktur aktiv sind. Entscheidend für die Anwendung des Marktmodells sind die Abgrenzung des betrachteten Marktes und das dortige Vorhandensein von Angebotsheterogenität.
Verkehrsträger unterscheiden sich durch unterschiedliche Ausprägungen ihrer Charakteristiken in folgenden Dimensionen: 
  • Physisches Vorhandensein von funktional ähnlichen Alternativen
  • Beim Zugang auf die Infrastruktur zu überwindende Aufwände
  • Fahrtdauer und Verwendbarkeit der Zeit (Laptopnutzung im Zug, aber nicht im Auto)
  • Komfort
  • Fahrpreise und Fahrzeugkosten.
Routen unterscheiden sich durch unterschiedliche Ausprägungen ihrer Charakteristiken in folgenden Dimensionen: 
  • Komfort, Reisezeit, Landschaftsbild, Vorhersehbarkeit der Reisedauer
  • Räumlicher Verlauf, Zugangspunkte im Netz des jeweiligen Verkehrsträgers.
Nodale Infrastrukturen, also Infrastrukturknoten wie beispielsweise Flughäfen oder Häfen, des gleichen Verkehrsträgers unterscheiden sich vor allem durch unterschiedliche Ausprägungen ihrer Charakteristiken in folgenden Dimensionen: 
  • Entfernung zwischen Standort des Nutzers und dem Knoten
  • Services, die an den Knoten angeboten werden (zum Beispiel im Flugverkehr: Fluggesellschaften, Destinationen, über die Abfertigung hinausgehende Dienstleistungen).
Der Konsument steht vor der Entscheidung, welches Verkehrsmittel und welchen Anbieter innerhalb eines Verkehrsmittels er wählen soll. Diese Auswahl wird in der Verkehrswissenschaft oft mittels der Theorie der diskreten Auswahlentscheidungen getroffen [OrWi11; BALe85]. Da die Entscheidung gedanklich in zwei Stufen, die Verkehrsmittel- und die Betreiberwahl unterteilt werden kann, wird auch von mehrstufigen diskreten Auswahlentscheidungen gesprochen. Welche Auswahl der einzelne Konsument trifft, hängt von den Eigenschaften der verschiedenen Anbieter auf beiden Stufen der Entscheidungshierarchie und von der Breite der Angebotspalette innerhalb der jeweiligen Auswahloption/Entscheidungsebene ab. Es existieren Rückkopplungen zwischen dem Angebot, aus dem die Konsumenten wählen können und deren Wahlentscheidungen. Wählen nur wenige Kunden ein Verkehrsmittel, so entsteht hier auf beiden Stufen nur eine geschmälerte Angebotspalette, was dazu führt, dass noch weniger Kunden Interesse an dem betreffenden Verkehrsmittel haben.
Auf Seiten der Infrastrukturbereitstellung gibt es folgende Prozesse, die Markteintritte und eventuell notwendigen Kapazitätsausbau unterstützen, sowie die Abschöpfung von Gewinnen aus überschüssigen Einnahmen verhindern:
  • Verkehrswegeplanung: Projekte werden realisiert, sofern sie positive Nutzen-Kosten Koeffizienten aufweisen.
  • Lobbys der verschiedenen Verkehrsträger setzen sich für Ausbau ein; auf regionaler Ebene setzt sich Industrie und Regionalpolitik für Flughäfen und andere nodale Infrastruktureinrichtungen ein.
  • Regulierung sorgt dafür, das Preise kostenorientiert sind.
  • Räumliche Konkurrenz (jeder Flughafen steht in einem Wettbewerb zu umgebenden Flughäfen).
Folgende Gründe schwächen die Herausbildung idealer monopolistischer Wettbewerbsmärkte
  • Unterschiedliche institutionelle Ausgestaltungen des Betriebs und Ausbaus, sowie der Finanzierungen einzelner Verkehrsträger
  • Sunk costs (wenig Rückbau und Risiko für Markteintritte)
  • Abhängigkeiten zwischen Projekten und die daraus resultierende Kombinatorik des Planungsproblems: Speziell im Bereich von Verkehrsinfrastrukturen ist die Leistungsfähigkeit einzelner Einrichtungen nicht losgelöst von Einrichtungen weiter vorne beziehungsweise hinten im Streckenverlauf. Betrachtungen von Zahlungsbereitschaft oder Vielfalt sind deshalb projektübergreifend. Außerdem müssen verschiedene Kombinationen bestehender und zu errichtender Infrastruktureinrichtungen miteinander verglichen  werden.
  • Politisches Engagement für Projekte, bei denen in der Planungsphase klar ist, dass weder ausreichende Zahlungsbereitschaft der Nutzer vorliegt noch dass das Projekt aus Gründen der Schaffung oder Aufrechterhaltung von Angebotsheterogenität notwendig ist.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 27.06.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[BALe85] Ben-Akiva, Moshe E., Lerman, Steven R. Discrete choice analysis: theory and application to travel demand , Ausgabe/Auflage XX, Cambridge, Mass. [u.a.] : MIT Press, 1985, ISBN/ISSN 0-262-02217-6
[OrWi11] Ortúzar, J.d.D., Willumsen, L.G. Modelling Transport, 2011/04/18, ISBN/ISSN 0470760397

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?404663

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 05:26:42