Bepreisung von Schienen und Bahnhöfen
Erstellt am: 28.11.2012 | Stand des Wissens: 27.06.2022
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Die Bepreisung von Eisenbahninfrastruktur erfolgt in Form eines Entgeltes für die Benutzung der Trassen und Serviceeinrichtungen. Ziel der Bepreisung ist die Finanzierung der Infrastruktur. Zum einen sollen die Erlöse eine Kostendeckung und Gewinnsicherung sicherstellen, so dass man zunehmend zu einer Selbstfinanzierung gelangt. Zudem soll eine effiziente Nutzung der vorhandenen Infrastruktur unterstützt werden. Der Trassenpreis kann dazu theoretisch aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt werden. Als Mindestbestandteil des Trassenpreises gilt der Leistungspreis, der sich an den marginalen Kosten der Nutzung orientiert. Zusätzlich zu diesem Leistungspreis können Zuschläge zur Abbildung von Beeinträchtigungseffekten erhoben werden: Beispielsweise können Zuschläge für Beeinträchtigungseffekte im Fall von Abweichen von der Normgeschwindigkeit erhoben werden. Knappheitszuschläge für zeitlich nachfragestarke Trassen dienen einer Verminderung von Staueffekten beziehungsweise zur effizienten Allokation beschränkter Kapazität sowie einer effizienteren Nutzung des Netzes inklusive der Verdrängung von Nachfrage auf andere Korridore oder Fahrtzeitpunkte. Da die meisten Züge fahrplangebunden verkehren und auch schon das Freihalten einer Trasse die Kapazität und Planungsspielräume einschränkt, kann auch ein Optionspreis für die Möglichkeit der Nutzung der Trassen erhoben werden. Eine solche Differenzierung kann jedoch zu einer systematischen Benachteiligung kleiner Eisenbahnunternehmen führen, da diese aufgrund ihrer geringeren Kunden- und Verkehrsmasse vergleichsweise hohe Nachfrageschwankungen aufweisen [Aber03a, S. 351ff.].
Die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur in Europa wird aktuell mit der Richtlinie 2012/34/EU [2012/34/EU] geregelt. Auf europäischer Ebene wird Grenzkostenbepreisung empfohlen, bei der mindestens die Kosten berücksichtigt werden, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen. Zusätzlich kann das Wegeentgelt Knappheiten sowie externe Umweltkosten beinhalten. Den Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist es außerdem möglich, Knappheitszuschläge für vielbenutzte Strecken zu erheben. Auch können die Grenzkosten der Umweltbeeinträchtigungen (insbesondere: Lärm) mit veranschlagt werden. Für den Fall, dass sämtliche Zuschläge auf die Kosten des Zugbetriebs nicht in der Lage sind, eine Vollkostendeckung zu erreichen, kann eine Vollkostenbepreisung erfolgen, sofern der Markt diese tragen kann. Diese Option nehmen die meisten Staaten wahr, denn nur im Falle chronischer Knappheit auf dem gesamten Bahnnetz - die jedoch meistens nur in Ballungsräumen gegeben ist - können die Knappheitszuschläge eine Vollkostendeckung sicherstellen.
Auf deutscher Ebene sind die Trassen- und Serviceentgelte im Eisenbahnregulierungsgesetz [EREgG] geregelt. Nach §25 Abs. 1 [EREgG] werden die Trassenentgelte im Rahmen einer Anreizregulierung reguliert. Der Betreiber der Schienenwege hat der Regulierungsbehörde das Ausgangsniveau der Kosten zu Beginn einer Regulierungsperiode darzulegen.
Das aktuelle Trassenpreissystem der DB Netz AG [DBIG24] beinhaltet unmittelbare Kosten für den Zugbetrieb, Vollkostenaufschläge und weitere Komponenten, die hinzukommen oder abgezogen werden. Die unmittelbaren Kosten unterscheiden sich je nach Marktsegment. Zudem hängen die Kosten von den Trassenkilometern ab. Grundsätzlich werden die Marktsegmente Schienengüterverkehr und Schienenpersonenverkehr unterschieden, wobei der Schienenpersonenverkehr nochmals in Nah- und Fernverkehr unterteilt wird. Innerhalb der drei Hauptmarktsegmente existieren weitere Unterteilungen. Die zu entrichtenden Entgelte richten sich nach dem Marktsegment und den Trassenkilometern. Zu den weiteren Komponenten gehört unter anderem das lärmabhängige Trassenpreissystem, welches die DB Netz AG zum Fahrplanwechsel im Dezember 2012 eingeführt hat. Das lärmabhängige Trassenpreissystem gibt für besonders laute Güterzüge einen Malus vor, während leise Züge einen Bonus erhalten. Die Einnahmen aus den Malusgebühren fließen vollständig in die Finanzierung der Bonuszahlungen für leise Züge.
Da die Richtlinie 2012/34/EU [2012/34/EU] keine Vorgaben bezüglich der Kostendeckungsgrade liefert, werden auf europäischer Ebene hinsichtlich der Struktur und Höhe der Infrastrukturbepreisung sehr unterschiedliche Systeme angewandt. Während in Deutschland und Großbritannien auf eine Vollkostendeckung abgezielt wird, verfolgt beispielsweise Schweden einen Ansatz der kurzfristigen Grenzkostendeckung [MaEv09, S. 86; Nash05, S. 261]. Der Kostendeckungsgrad von Trassenerlösen schwanken damit zwischen 2% in Skandinavien und 90% in den baltischen Ländern. In 2017 erwirtschaftete die DB Netz AG Umsätze aus Trassenentgelten in Höhe von 4,9 Milliarden Euro, denen Kosten in Höhe von 5,4 Milliarden Euro gegenüberstehen. [DBNAG19, S. 21f.; CER08a, S. 54].