Ansprüche älterer Verkehrsteilnehmer an die Infrastruktur / Verkehrsraumgestaltung
Erstellt am: 05.10.2012 | Stand des Wissens: 08.10.2020
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Mit zunehmendem Alter weisen die Verkehrsteilnehmer in der Regel Veränderungen in ihren Anforderungen an die Gestaltung der Infrastruktur und des Verkehrsraumes auf, welche zumeist Folge von altersbedingten sensorischen, kognitiven und/oder motorischen Veränderungen beziehungsweise Erkrankungen sind. Diese veränderten Bedürfnisse sind bei der Verkehrs- und Infrastrukturplanung zu beachten.
Prinzipiell ist die Erstellung von Mobilitätssicherungsplänen für ältere Menschen zu empfehlen. Dabei sollen Unfallanalysen durchgeführt werden, um Probleme der Personengruppe aufzeigen zu können [Ger11, S. 522 ff.]. Weiterhin sollen Mängelanalysen von Fachplanern erstellt als auch die betroffene Personengruppe beteiligt werden. Dies gilt als Grundlage für die Auswahl und Priorisierung von Maßnahmen zur Sicherung der Mobilität sowie zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von älteren Menschen [Ger11, S. 522 ff.].
Um die Verkehrssicherheit von älteren Fahrzeugführern im Straßenverkehr, von älteren Radfahrern, Fußgängern und Nutzern des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erhöhen zu können, müssen bedürfnisgerechte Maßnahmen ergriffen werden.
Die Gestaltung des Straßenverkehrs sollte vereinfacht und es sollen stadtverträgliche Geschwindigkeiten geschaffen werden. Geringere Geschwindigkeiten bedingen für ältere Verkehrsteilnehmer mehr Zeit, um die Situation zu erfassen, zu beurteilen und darauf reagieren zu können. Zudem werden Verkehrssituationen leichter bewältigt, je überschaubarer und simpler diese sind [Ger11, S. 524 ff.]. Weiterhin sind Maßnahmen bezüglich einer seniorengerechteren Ausstattung der Fahrzeuge zu ergreifen. Außerdem sollten Senioren im Rahmen der Verkehrssicherheitsarbeit über verkehrsrelevante altersbedingte Leistungseinbußen sowie über Auswirkungen von Medikamenten auf die Fahrtüchtigkeit aufgeklärt werden, damit diese ihr Fahrverhalten an ihre Fähigkeiten anpassen können [Li05, S. 11].
Zu spezifischen Maßnahmen für ältere Radfahrer zählen unter anderem verkehrsplanerische Maßnahmen, die Durchsetzung von Halte- und Parkverbot auf Radverkehrsanlagen, die Schaffung von stadtverträglichen Geschwindigkeiten des motorisierten Verkehrs, die Durchsetzung einer Schutzhelmpflicht, ein seniorengerechtes Risikomanagement als auch die Aufklärung anderer Verkehrsteilnehmer über Besonderheiten von älteren Radfahrern [Li05, S. 6 f.]. Neben diesen Maßnahmen bieten Pedelecs neue Entwicklungspotenziale.
Das Zufußgehen ist neben der Nutzung des privaten Pkw die zweithäufigste Fortbewegungsart von älteren Personen [infas10, S. 77]. Da fast jeder zweite getötete Fußgänger im Straßenverkehr 65 Jahre und älter ist, ist eine Verkehrsplanung, die älteren Menschen gerecht werden soll, von besonderer Bedeutung. Es sind Maßnahmen aus den Bereichen der Verkehrstechnik, der polizeilichen Verkehrsüberwachung sowie der verkehrspädagogischen Aufklärung und Bildung erforderlich, um die Verkehrssicherheit für Ältere zu erhöhen [Li05, S. 3 f.]. Ältere Menschen bilden eine inhomogene Gruppe, weshalb sie als Fußgänger auch in den verschiedensten Graden sowie Formen in ihrer Mobilität eingeschränkt sein können. Aufgrund dessen sollte bei der Planung, Herstellung und Ausgestaltung von öffentlichen Räumen generell auf die Barrierefreiheit geachtet [DIN 18024, Dittr02, Bast99d] sowie das Zwei-Sinne-Prinzip eingehalten werden [Ger11, S. 521 f.].
Es ist von besonderer Bedeutung, älteren Verkehrsteilnehmern die Attraktivität des ÖPNV zu verdeutlichen. Bei Älteren besteht zum Teil aufgrund der beispielsweise schlechten Zugänglichkeit, Hindernisse beim Ein- und Aussteigen und langen Fußwegen zu den Haltestellen eine geringe Akzeptanz des ÖPNV als Alternative zum Pkw [Li05, S. 11]. Deshalb muss dieser die Bedürfnisse älterer, gesundheitlich zum Teil stark eingeschränkter Personen berücksichtigen. Dies sind insbesondere Anforderungen an die Sicherheit, die Unabhängigkeit und die Erschließung des Wohnumfeldes sowie die Forderungen nach einer möglichst hohen Taktfrequenz, Haltestellen- und Liniendichte [MaSw08, Li05 S. 12]. Weiterhin ist eine bedürfnisgerechte Gestaltung der Haltestellen als auch der Fahrzeuge des ÖPNV sowie leicht bedienbare Fahrkartenautomaten von besonderer Bedeutung.
Auch sollte älteren Menschen durch Präsenz von öffentlichem Personal die benötigte Hilfestellung gegeben werden. Daneben ist das Angebot an Ruhezonen, öffentlichen Einrichtungen und Toilettenanlagen zu verstärken [Ger11, S. 522 ff.].
Im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes COMPAGNO soll ein technisches Hilfsmittel - ein personalisierter Begleiter - entwickelt werden. Dieser soll ermöglichen, dass sich ältere Menschen selbstständig und sicher im Verkehrsraum bewegen können. Der personalisierte Begleiter lernt die individuellen Mobilitätsgewohnheiten und speichert sie. Er verknüpft die Informationen mit Daten über Wege, Strecken und Mobilitätsdienste (Fußwege, ÖPNV und so weiter). Weiterhin berücksichtigt er individuelle altersbedingte Einschränkungen [Gö13].