Mobilität älterer Menschen
Erstellt am: 05.10.2012 | Stand des Wissens: 08.10.2020
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
In den nächsten Jahrzehnten wird sich die Altersstruktur der Bevölkerung in den Industrieländern stark ändern. Heutzutage beträgt in Deutschland die Lebenserwartung bei der Geburt bei Männern 78 und bei den Frauen 83 Jahre. Momentan ist etwa ein Viertel der deutschen Bevölkerung 60 Jahre oder älter [Stat16c].
Nach [Stat15g] wird im Jahr 2060 etwa jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein (31,7 Prozent der Gesamtbevölkerung). Bei den über 80-Jährigen wird ein Anteil von 12,3 Prozent in diesem Zeitraum zu verzeichnen sein. Die Ursachen dieser charakteristischen Alterungsprozesse im Zuge des demografischen Wandels sind auf eine steigende Lebenserwartung und auf den anhaltenden Geburtenrückgang zurückzuführen. Diese Thematiken sind auch in Deutschland Inhalt aktueller politischer sowie gesellschaftlicher Debatten.
In Deutschland waren 1990 rund 15 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter. Im Jahr 2015 waren es bereits 21 Prozent. Italien hat in Europa den höchsten Anteil der älteren Bevölkerung mit rund 22 Prozent [Stat16c, S. 18] (siehe Abbildung 1).
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Abbildung 1: Anteil der Bevölkerung ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung am 1. Januar 2016 [in Prozent] [Stat16c, S. 18]
Bezüglich der Mobilität älterer Menschen sind insbesondere folgende Aspekte von Bedeutung:
- demografische Entwicklung,
- Entwicklung der Mobilität im Alter,
- altersbedingte Veränderungen als Einflussfaktoren auf die Mobilität Älterer,
- Verkehrssicherheit älterer Menschen und
- Lösungen für eine sichere Mobilität Älterer erforderlich.
Empirische Studien belegen, dass ältere Menschen zunehmend mobiler sind. Beispielsweise hat sich von dem Jahr 2002 bis 2008 die Mobilitätsquote (Außer-Haus-Anteil), die durchschnittliche Wegeanzahl und die zurückgelegte Tagesstrecke bei den über 65-Jährigen erhöht [infas10]. Darüber hinaus legen immer mehr ältere Menschen Wege mit ihrem privaten Pkw zurück. Dieser Effekt wird noch verstärkt, da zukünftige Altersgenerationen, insbesondere Frauen, häufiger einen Führerschein besitzen werden [KuJa09; Ball98; Schlag08]. Gegenüber den vorherigen Erhebungen sank die Mobilitätsquote 2017 allerdings (bezogen auf alle Bevölkerungsgruppen). Die Mobilitätsquote der Bevölkerung variiert zwar am stärksten in Abhängigkeit vom Alter, jedoch spielt auch der ökonomische Status des Haushaltes eine Rolle. Über 80-Jährige weisen 2017 eine Mobilitätsquote von 67 Prozent auf (die mittlere Mobilitätsquote der Gesamtbevölkerung beträgt 85 Prozent) [NoKu18, S. 27]
Mit zunehmendem Alter unterliegen verschiedene Fähigkeiten altersbedingten Einschränkungen. Dies ist vor allem zu beachten, wenn sich ältere Menschen zu Fuß, mit dem Rad, mit einem Kraftfahrzeug sowie mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Verkehrsraum bewegen [Schlag08]. Bei dem Führen eines Kraftfahrzeuges können besonders altersbedingte Veränderungen, wie im Bereich der Wahrnehmung, kognitiven Verarbeitung und Psychomotorik, eine entscheidende Rolle spielen. Neben altersbedingten Veränderungen können eine Vielzahl von Erkrankungen als auch die damit einhergehenden Medikationen die Mobilität und im speziellen die Fahrfähigkeit älterer Menschen beeinflussen.
Neben wirtschaftlichen sowie finanziellen Auswirkungen des demografischen Wandels wird auch verstärkt die Verkehrssicherheit älterer Menschen bei politischen sowie gesellschaftlichen Debatten thematisiert. Die Verkehrssicherheit kann unter anderem über das Unfallgeschehen beschrieben werden. Es wird bei älteren Menschen häufig von einem erhöhten Unfallrisiko ausgegangen. Dieses erhöht sich jedoch erst ab einem Alter von 75 Jahren [Ba06; LoSe07]. In den Unfallstatistiken bleiben derzeit die zwei beeinflussenden Aspekte frailty bias (Verletzlichkeitsfaktor) und low mileage bias (fahrleistungsbezogenes Unfallrisiko) unberücksichtigt. Diese können für eine Auswertung des Unfallgeschehens allerdings von großer Bedeutung sein.
Im Rahmen der politischen sowie gesellschaftlichen Debatten werden weiterhin Vorschläge und Möglichkeiten für eine sichere Gestaltung der Mobilität älterer Menschen diskutiert. Dabei sollte beachtet werden, dass im Allgemeinen Autofahren im Alter positiv mit Lebensqualität, funktioneller Unabhängigkeit sowie körperlicher und geistiger Gesundheit korreliert [Lietal03]. Zur Aufrechterhaltung der Fahrfähigkeit älterer Kraftfahrer sollten:
- aktive Trainings am Simulator oder im Realverkehr,
- Trainingsmaßnahmen für die nachlassende Körperkraft, Beweglichkeit und Ausdauer,
- kognitive Trainings sowie
- Mobilitätsberatungen oder Verkehrsaufklärungen einen besonderen Stellenwert einnehmen [Ball07; Ball10].