Ältere Fußgänger und deren Nutzungsansprüche
Erstellt am: 04.10.2012 | Stand des Wissens: 01.03.2019
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Das Zufußgehen ist neben der Nutzung des privaten Pkw die zweithäufigste Fortbewegungsart von älteren Personen [infas10, S. 77]. Da fast jeder zweite getötete Fußgänger im Straßenverkehr 65 Jahre und älter ist, ist eine Verkehrsplanung, die älteren zum Teil stark mobilitätseingeschränkten Menschen gerecht werden soll, von besonderer Bedeutung. Im Jahr 2017 starben 245 ältere Fußgänger bei einem Verkehrsunfall in Deutschland. 81 Prozent der Fußgänger-Unfälle mit Senioren entstehen dabei beim Überqueren von Straßen [Rvg18]. Da überwiegend Kraftfahrer, die jünger als 65 Jahre sind, die Hauptverursacher bei den Fußgängerunfällen sind, muss sich die Verkehrssicherheitsarbeit nicht nur an die Senioren, sondern auch an die Fahrzeugführer richten [Li05, S. 2].
Es sind Maßnahmen aus den Bereichen der Verkehrstechnik, der polizeilichen Verkehrsüberwachung sowie der verkehrspädagogischen Aufklärung und Bildung erforderlich, um die Verkehrssicherheit für Ältere zu erhöhen. Darunter zählen unter anderem [Li05, S. 3 f.]:
Es sind Maßnahmen aus den Bereichen der Verkehrstechnik, der polizeilichen Verkehrsüberwachung sowie der verkehrspädagogischen Aufklärung und Bildung erforderlich, um die Verkehrssicherheit für Ältere zu erhöhen. Darunter zählen unter anderem [Li05, S. 3 f.]:
- seniorengerechte Verkehrsraumgestaltung (zum Beispiel Maßnahmen der Verkehrsberuhigung, der barrierefreien Verkehrsraumgestaltung sowie die Anlage von Querungshilfen an Fußgängerfurten),
- Geschwindigkeitsüberwachung,
- Überwachung des ruhenden Verkehrs (zugeparkte Geh- und Radwege),
- Aufklärung der Kraftfahrzeugführer über das Verhalten von älteren Fußgängern im Straßenverkehr und
- Aufklärung der Senioren über Risiken als Fußgänger im Straßenverkehr.
Zur Aufklärung von Senioren über Risiken älterer Fußgänger wird von der Deutschen Verkehrswacht [VW12] das Zielgruppenprogramm "Ältere Menschen als Fußgänger im Straßenverkehr" umgesetzt. In moderierten Informationsveranstaltungen werden dabei älteren Fußgängern wichtige Hinweise zur Unfallgefährdung gegeben. Weiterhin werden individuelle Probleme der Teilnehmer behandelt und Lösungen erarbeitet. Senioren sollen bezüglich besonderer Gefahren sensibilisiert werden und Hilfestellungen für tägliche Wege zum Erhalt der Mobilität bekommen [VW12].
Ältere Menschen bilden eine inhomogene Gruppe, weshalb sie als Fußgänger auch in den verschiedensten Graden sowie Formen in ihrer Mobilität eingeschränkt sein können. Aufgrund dessen sollte bei der Planung, Herstellung und Ausgestaltung von öffentlichen Räumen generell auf die Barrierefreiheit geachtet werden [DIN 18024, Dittr02, Bast99d]. Die Barrierefreiheit besteht aus den allgemeinen Anforderungen an die Gestaltung des Straßenraumes und aus den unterschiedlichen Ausgleichsnotwendigkeiten, die durch die verschiedenen Arten und Grade der Mobilitätseinschränkungen bestimmt werden. Beispielsweise sind für gehörlose und sehbehinderte Ältere andere Gestaltungskriterien relevant als für Rollstuhlbenutzer [RASt06]. Für ältere Menschen können sich im öffentlichen Raum folgende wesentliche Barrieren bei der:
- Querung von Straßen, Parkplätzen und Gehwegen,
- Überwindung von Höhenunterschieden,
- Benutzung von Bussen und Straßenbahnen,
- Benutzung von Lichtsignalanlagen und
- Benutzung von Freizeitanlagen ergeben.
Folglich sollten Überquerungsstellen mit differenzieren Bordhöhen errichtet werden, welche im Überquerungsbereich eine Absenkung für gehbehinderte Menschen, welche dennoch für Sehbehinderte erkennbar ist, sowie einen Hochbord für sehbehinderte Menschen aufweisen. Darüber hinaus müssen bei den Räumzeiten an lichtsignalisierten Querungsstellen, zumindest auf den Hauptrouten älterer Menschen, stärker die verringerten Gehgeschwindigkeiten älterer Verkehrsteilnehmer berücksichtigt werden. Dies kann beispielsweise durch längere Grünzeiten oder Zwischenzeiten umgesetzt werden. Bei der Umsetzung solcher Maßnahmen sind neue Steuerungsverfahren in der Lichtsignaltechnik (adaptive Netzsteuerung) hilfreich, damit der Verkehr insgesamt flüssig bleibt [Ger11, S. 521 f.].
Bei der Verkehrsraumgestaltung sollte zudem das Zwei-Sinne-Prinzip, besonders für ältere Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit, eingehalten werden. Angesprochen werden dabei mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen und Fühlen. An Lichtsignalanlagen sind daher zusätzlich akustische Signale wichtig. Dies sowie taktile Signale und Strukturen (zum Beispiel Pflasterwechsel, Bodenindikatoren) vereinfachen die Orientierung und erhöhen die Sicherheit. Besonders an Überquerungsstellen sind taktile Bodeninformationen sinnvoll. Diese sollten insgesamt sparsam eingesetzt werden, um die Komplexität nicht zu erhöhen. Hindernisse und Höhenunterschiede müssen weiterhin kontrastreich markiert sein [Ger11, S. 521 f.].
Für mobilitätseingeschränkte ältere Personen stellt die barrierefreie Gestaltung des Straßenraumes eine Erhöhung des Komforts und der Sicherheit dar. Es können sich Zielkonflikte zwischen mobilitätsgerechter und historischer Gestaltung von Straßenräumen ergeben, da Elemente der barrierefreien Gestaltung im Widerspruch zu dem historischen Stadtbild stehen können. Hier sind die unterschiedlichen Belange sorgfältig gegeneinander abzuwägen [BMVBW00c].