Intramodaler Wettbewerb im Schienenpersonenfernverkehr übriger europäischer Staaten
Erstellt am: 02.08.2012 | Stand des Wissens: 22.04.2022
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Die jeweilige Wettbewerbsform im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) unterscheidet sich zwischen den europäischen Staaten. Während zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich auf "Open Access", also die freie Trassenvergabe an beantragende Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), gesetzt wird, werden in Großbritannien auch im Fernverkehr Konzessionen vergeben. Parallel dazu ist auch eine Trassenvergabe über Open Access möglich, welche allerdings nur auf zwei Verbindungen genutzt wurde (London - Hull und London - Bradford/Sunderland). Ferner sperren sich einige Länder (zum Beispiel Spanien) weiterhin, den Markt des SPFV für Dritte zu öffnen. Die Wettbewerbssituation im Personenverkehr wird in [IBM11, S. 74-217] explizit für jeden EU-Mitgliedsstaat in so genannten Länderberichten geschildert. Tabelle 1 gibt einen Überblick über den heutigen Liberalisierungsstand in ausgewählten europäischen Ländern [Puls14].
Während sich in Großbritannien ein lebhafter Markt um die zu vergebenden Streckenkonzessionen entwickelt hat, verläuft die Entwicklung eines durch mehrere Anbieter gekennzeichneten Marktes mithilfe des Open Access-Ansatzes bis heute schleppend. Tabelle 2 zeigt eine Übersicht über sämtliche bis 2018 durchgeführten oder geplanten Markteintritte in Europa.
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Nachfolgend werden ausgewählte Verkehre (siehe Tabelle 2) in einem länderspezifischen Kontext ausgeführt. Bei den dabei betrachteten Produkten handelt es sich um eigenwirtschaftliche Angebote.
In Österreich werden SPFV-Leistungen generell eigenwirtschaftlich erbracht. Mit der WESTbahn Management GmbH, welche seit Ende 2011 siebzehnmal täglich auf der Strecke Wien - Salzburg verkehrt, versucht erstmals ein SPFV-Unternehmen, mit der ÖBB-Personenverkehr AG in Konkurrenz zu treten [Wehi12, S. 188 ff.; West22].
Der erste Eintritt eines privat geführten EVU in den Hochgeschwindigkeitsverkehrsmarkt wurde durch Nuovo Trasporto Viaggiatori S. p. A. (NTV) auf der Strecke Mailand - Neapel vollzogen. Nach der Société Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF) übernahm der amerikanische Infrastrukturfond Global Infrastructure Partner im Februar 2018 das Unternehmen, welches unter anderem die Relationen Turin - Salerno und Venedig Rom - Salerno bedient [Mini12, S. 74 ff.].
In Schweden werden nicht rentable, aber politisch gewollte Fernverkehrsstrecken ausgeschrieben. Grundsätzlich soll der SPFV jedoch eigenwirtschaftlich betrieben werden. Neben Transdev Sverige AB hat sich 2011 mit der Skandinaviska Jernbanor AB (SKJB) ein zweiter privater Anbieter am Markt platziert und im Jahr 2015 folgte mit der MTR Corporation ein weiterer Wettbewerber auf der Strecke Göteborg - Stockholm [MoNe15, S. 63].
In Tschechien werden große Teile des SPFV direkt vergeben, in der Vergangenheit nahezu ausschließlich an die Ceske drahy (Tschechische Bahnen, CD). Daneben hat sich jedoch auf der Strecke Prag - Ostrava (- Zilina/Slowakei) mit RegioJet ein eigenwirtschaftlicher Konkurrent der staatlichen CD etabliert. Seit Ende 2012 verkehren auf dem betreffenden Korridor auch Züge eines weiteren Anbieters, des LEO Express. In Tschechien wurde 2013 auch ein Versuch gestartet, den Wettbewerb im Segment des bestellten SPFV einzuführen. Eine entsprechende Ausschreibung für den Betrieb von Schnellzügen in Relation Olomouc - Ostrava wurde veröffentlicht, wobei sie nach dem Teilnahmeverzicht mehrerer Bieter aufgehoben werden musste und stattdessen eine Direktvergabe an RegioJet erfolgte. [Hugh12, S. 32 ff.; Müll13a, S. 9]