Strukturelle Rahmenbedingungen des Güterverkehrs
Erstellt am: 07.04.2003 | Stand des Wissens: 25.06.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Die ökonomischen, technischen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Güterverkehrs unterliegen einem stetigen Wandel. Insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten sind diesbezüglich entscheidende Veränderungen festzustellen, welche den Güterverkehr in Deutschland maßgeblich beeinflussen. Daraus resultiert ein erheblicher Anpassungsdruck auf die verschiedenen Akteursgruppen im Güterverkehr, wie die Verlader, Transporteure oder Empfänger.
Die Entstehung von Güterverkehr wird hierbei durch verschiedene Effekte und Entwicklungen beeinflusst, die im Folgenden beschrieben werden.
- Liberalisierungs- und Deregulierungseffekt: Globale Warenströme führen zu einem massiven Anstieg des internationalen Güterverkehrs und zu internationalen Güterstromverflechtungen. Der Güterverkehr in Deutschland ist in diesem Zusammenhang von dem Wegfall der innerdeutschen Grenzen, dem Ausbau des europäischen Binnenmarktes und der EU-Osterweiterung geprägt. Darüber hinaus gelten die zunehmend globalen Unternehmensstrukturen, die Lohnunterschiede im In- und Ausland, welche Arbeitsteilung begünstigen, sowie die Konsum- und Produktdifferenzierung, wonach die Nachfrage nach globalen Konsumgütern und Produkten steigt, als wichtige Treiber der Entwicklung [Roeh16].
- Weiterentwicklung der postindustriellen Gesellschaft und ihrer Konsumgewohnheiten: Die zunehmende Ausprägung der Dienstleistungsgesellschaft lässt sich im Güterverkehr unter anderem am Versandhandel für frische Lebensmittel und individuell konfektionierte Ware, aber auch generell am steigenden Trend zur Bestellung (zumeist im Internet) feststellen. Die Individualisierung der Dienstleistungen spielt dabei eine bedeutende Rolle; so nimmt der B2C-Handel heute schon den größten Umschlag in der KEP-Dienstleistung ein [Roeh16].
- Güterstruktureffekt: Der Wandel der Produktionsstruktur von Massengütern zu hochwertigen Stückgütern hängt eng mit dem veränderten Konsumverhalten zusammen und hat Auswirkungen auf den Güterverkehr und die Logistik. So führt das niedrigere Durchschnittsgewicht pro Transportauftrag und der Transport von kleineren, individualisierten Gütern zu einer Anteilsverschiebung zwischen den Verkehrsträgern, von der vor allem der Straßenverkehr profitiert [Aber09b].
- Nachhaltigkeit in der Logistik: Immer mehr Unternehmen verlangen von ihren Zulieferern, gewisse Umweltstandards einzuhalten. Die Bedeutung der Umweltbilanz von Transporten sowie von der Ermittlung eben jener Umweltbilanzen, beispielsweise mit dem CO2-Fußabdruck, steigt [Roeh16].
- Logistikeffekt: Neue Logistikkonzepte in der Industrie und im Handel haben verkehrsträgerspezifische Wirkungen und erhöhen die Güterverkehrsleistung, wie zum Beispiel der Trend, Lagerflächen und -kosten zu reduzieren und deshalb Güter bedarfssynchron in immer kleineren Sendungsgrößen bei höherer Lieferfrequenz anzuliefern [Pann94; Strau97].
- Informationstechnologie und Digitalisierung: Einen zunehmend wichtigen Trend stellt die Digitalisierung des Transportmarktes dar, wobei technische Entwicklungen Effizienzpotenziale, beispielsweise hinsichtlich der Vernetzung von Sendungsverfolgung oder der flexiblen Buchung von Laderaum bieten. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch eine intensive Zusammenarbeit der Akteure und die Kompatibilität der genutzten Informationstechnologien. Hemmnisse für einen effizienten Transportmarkt könnten hier die exklusive Verfügbarkeit von Daten und Einschränkungen bei deren Nutzung sein [Roeh16].
All diese Entwicklungen bedingen, dass das Güterverkehrsvolumen zunimmt. So sagen aktuelle Daten einen Zuwachs der Verkehrsleistung des Güterverkehrs um 38 Prozent bis 2030 im Vergleich zum Basisjahr 2010 voraus. Hierbei werden voraussichtlich vor allem grenzüberschreitende und Transitverkehre deutlich zunehmen [BMVI16d]. Parallel stellen Industrie, Handel und Konsumenten zunehmend hohe Anforderungen an Flexibilität, Geschwindigkeit und Preis der Leistungserstellung im Güterverkehr. So sieht sich die Logistikbranche mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert, um das steigende Transportvolumen effizient, schnell, sicher und pünktlich abwickeln zu können. Zusätzliche Herausforderungen stellen unter anderem die Gefahr der Überlastung des Verkehrsnetzes, insbesondere in urbanen Räumen, sowie die klimapolitische Bilanzierung von Transporten, welche dem prognostizieren Wachstum der Verkehrsleistung entgegensteht, dar [Roeh16].
Im Folgenden werden die Effekte Liberalisierungs- und Deregulierungseffekt, Güterstruktureffekt und Logistikeffekt vertieft ausgeführt.